Andrea lässt sich scheiden – Kritik

Auch nach elf, zwölf Bier findet man nicht zusammen: In Josef Haders Film um eine Frau, die sich nicht nur scheiden lässt, sondern auch ihren Ex-Mann überfährt, scheint eine Welt auf, in der nur die Verkorkstheit verbindet.

Zu Beginn von Andrea lässt sich scheiden, Josef Haders zweiter Regiearbeit, ist kein Mensch zu sehen – eintönig, leer wirkt die Landschaft, eine Straße macht aus einer Grünfläche zwei. Kurze Zeit später wird diese Straße dann doch von Menschen bevölkert, Gutes entsteht daraus nicht. Andrea (Birgit Minichmayr) wird hier später nachts ihren (baldigen Ex-)Mann Andy (Thomas Stipsits) überfahren und Fahrerflucht begehen, beschuldigt wird ein anderer, ein alternder Religionslehrer, gespielt von Hader selbst. Mehrfach wird Andrea ihn anschließend aufsuchen - vielleicht aus schlechtem Gewissen, vielleicht nur, um etwas zu reden, um Vater (senil) und Hund (sterbend) im Eigenheim zu entkommen.

Zwischen Kreisverkehr, Rasenmähroboter und Dorfdisko

Allein sind die Menschen also in diesem Film, trist die Gegend, das hängt zusammen. Fast wirkt es, als arbeite die Landschaft gegen die Figuren, versuche sie abzustoßen. „Ist a scheiß Gegend. Die Frauen gehen weg, die Männer werden immer komischer“, sagt eine der Hauptfiguren. Die Weite, die Haders Anfangsbild suggerieren könnte, die Verlockung des offenen Raums ist trügerisch, keine Bewegung bleibt hier unbeobachtet. Andrea lässt sich scheiden arbeitet immer wieder mit Bildern, die an Western erinnern, aber es geht nicht um die Eroberung und Eingliederung ‚unzivilisierter‘ Ländereien oder um den Konflikt des Einzelnen gegen die Gesellschaft. Im Gegenteil ist es hier gerade das Totgepflegte, Überdomestizierte, das sich gegen den Menschen richtet, das Gesellschaft von vornherein quasi verunmöglicht und vereinzelte, verwirrte Figürchen zurücklässt, die zwischen Kreisverkehr, Rasenmähroboter und Dorfdiskothek machen, was sich so gehört.

Gemeinsamer Nenner scheint einzig der Alkohol, der in Haders Film omnipräsent ist. Bis auf Andrea trinken fast alle. Anders als in den Filmen Aki Kaurismäkis, an die nicht nur das Plakat von Andrea lässt sich scheiden stark erinnert, blitzt dahinter jedoch nie ein Funke Coolness oder Stoizismus auf. Trunkenheit scheint reine Bewältigungsstrategie, doch auch nach „elf, zwölf Bier“ finden die Figuren selten zueinander. Schon im ersten Gespräch des Films, das vom Unsinn einer Geburtstagsfeier („Was gibt’s da zu feiern?“) zur normalen Getränkemenge an so einem Abend holpert, wird übermäßiger Alkoholkonsum primär männlich konnotiert. Viel mehr als Verbitterung, Verzweiflung und Sexismus kommt dabei selten zum Vorschein. Auffallend oft zeigt Hader kleine Alltagsmomente der Übergriffigkeit, der allzu grobschlächtigen Annäherungsversuche diverser Männer in Richtung Andrea. Diese wird dabei - Birgit Minichmayr mit sturer Miene, die nur selten durchlässig wird - als abgebrühte Figur gezeichnet, als eine, an der vieles einfach abprallt.

 „Mein Beileid“, sagen im Laufe des Films quasi alle Dorfbewohner*innen zu Andrea nach dem Tod ihres Mannes, Anteil nimmt niemand, mit der passenden Umgangsformel ist das Thema erledigt. Alle kennen alle, kommuniziert wird über das Floskelhafte hinaus kaum. Während des kompletten Films kommt es zu keinem wirklichen Gespräch; ob beim Trinken, Gaffen, Tanzen, die Menschen bleiben getrennt. Geschieden werden muss hier niemand mehr.

Eigenheiten gegen die Verhaltenscodes

Aus dieser Tristesse, vor allem aus der Vereinzelung der Figuren, ihrer Unbeholfenheit im Umgang miteinander, gewinnt der Film aber auch seine Komik. Wenn Haders Figur etwa den zuvor angebotenen Kaffee wieder einkassiert, weil diesen die Beschaffenheit seiner jahrzehntealten Schraubkanne ungenießbar macht, wenn staksig getanzt wird, sind es gerade die – vermutlich über Jahre gewachsenen – Eigenheiten der Figuren, die überraschen, die sich als Fremdkörper in den sonst so viel Distanz schaffenden Verhaltenscodes verfangen.

Wie bereits in Wilde Maus verknüpft Hader in Andrea lässt sich scheiden das Morbide mit trockenem Humor – nicht, indem das eine auf das andere folgt, die Tristesse von kleinen Gags unterbrochen wird, um etwas zum Schmunzeln zu bieten. Das Verzweifelte und der Witz sind hier Kehrseiten einer Medaille, das Lustige ist traurig, das Traurige lustig. Sonderlich fein oder raffiniert inszeniert ist Andrea lässt sich scheiden sicherlich nicht, er bietet seinen Figuren jedoch Raum zur Entfaltung der Verkorkstheit, die in diesem Film jedem und jeder innewohnt, was dann vielleicht doch wieder eine zarte Verbindung zwischen den Menschen darstellt.

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