Alexander – Kritik
Oliver Stone hat Martin Scorsese und andere ausgestochen, sich einen Lebenstraum erfüllt und die Geschichte des größten Eroberers aller Zeiten in zumeist opulenten Bildern aufwendig erzählt. Dabei fehlt ihm jedoch die ästhetische Gesamtkonzeption und so zerbirst das Epos in einzelne Episoden, zwischen denen immer wieder eine penetrant störende Erzählerfigur zu vermitteln sucht.

Niemand weiß mehr so recht, wann es genau war, als das Wort Event auch den deutschsprachigen Raum befruchtete und viele kleine Komposita zeugte. Irgendwann in den Neunziger Jahren muss es gewesen sein, schon nach dem ersten großen Hype um Vietnamveteran und Skandalregisseur Oliver Stone (Platoon, 1986; Natural Born Killers, 1994), aber noch vor dem Durchbruch des Iren Colin Farrell in Joel Schumachers Vietnamfilm Tigerland (2000).
Nun haben sich beide zusammengefunden, um nichts Geringeres als einen Eventfilm auf die Beine zu stellen. Was man dafür benötigt ist zunächst einmal ein exorbitantes Budget, das unter anderem an etablierte und vor allem aufstrebende Stars des Kinos verteilt wird und ansonsten in enorme Kulissen, Effekte und vor allem Marketing investiert wird. Schließlich ist die Filmwerbung so omnipräsent, dass einem jedem suggeriert wird, er müsse an diesem Event teilnehmen, sonst habe er gesellschaftlich etwas verpasst. In Deutschland wird dieses Konzept für gewöhnlich mit einem Besuch bei Wetten, dass…? abgerundet.
Sollte die Strategie aufgehen, gibt es Folgeveranstaltungen, oftmals basiert das Konzept auch bereits auf mehreren Teilen, wie bei Harry Potter (2001-2004), oder, noch eklatanter, der Herr der Ringe-Trilogie (Lord of the Rings, 2001-2003). Beides sind Beispiele, bei denen Hollywood-Produzenten und Studiobossen die Augen glühen, doch immer häufiger werden die Event-Movies am Rande der wirtschaftlichen Vernunft kalkuliert und treiben die geldgebenden Studios an den Rande des Ruins: Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen (The League of Extraordinary Gentlemen, 2003) und Lara Croft Tomb Raider: Die Wiege des Lebens (Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life, 2003) sind zwei Extrembeispiele, aber selbst ein international recht erfolgreicher Film wie Master and Commander (2003) schrieb im Endeffekt rote Zahlen. Nimmt man das bisherige Einspielergebnis Alexanders in den USA als Gradmesser, bahnt sich ein weiterer Flop an. Wer den Film sieht, versteht dies.

Das groß angelegte Schlachtengemälde beginnt wie Schulfernsehen: Sir Anthony Hopkins erzählt vor allerlei Graphiken und in historischer Kulisse von der geschichtsträchtigen Figur Alexander, die mittlerweile gleichwohl zum Mythos emporgestiegen ist. Er selbst verkörpert Ptolemaios, einen ehemaligen Weggefährten des mazedonischen Führers, der mittlerweile zum Pharao aufgestiegen ist. Immer mal wieder, scheinbar beliebig und seltsam rhythmisiert, greift der bedächtige alte Mann kommentierend in das Geschehen ein, wodurch der Erzählfluss jedes Mal erneut gebrochen wird.
Gerade als der Film das erste Mal einen wirklichen Konflikt, nämlich den scheinbaren Bruch zwischen Alexander und seinem Vater (Val Kilmer), etabliert, kühlt Ptolemaios die Emotionen ab und greift der Geschichte vor. Irgendwann gegen Ende reicht Stone die ausgesparten Passagen dann in Rückblenden nach. Zu diesem Zeitpunkt sind die Gefährten Alexanders bereits ermüdet und mit ihren Kräften am Ende, wollen nur noch nach Hause. Zu ihrem Ungemach wird ihr Anführer jedoch von Colin Farrell mit Inbrunst verkörpert und der sucht exakt nach dem Titel seines letzten Filmes: Ein Zu Hause am Ende der Welt (A Home at the End of the World). Wie in jener Independent-Produktion, so spielt Farrell auch hier eine Figur, die nicht in sexuellen Kategorien wie homo- oder heteroerotisch denkt. Dieser Umstand bereichert einige Szenen des Films, die inhaltlich innovativ auf klischeehafte Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe verzichten und den Diskurs sehr ernst nehmen.

Darüber hinaus bietet das Epos eine Unzahl an abenteuerlichen Episoden. Stone entschied sich, jede einzelne in unterschiedliche Farbgebungen zu tauchen und verschiedenste Dekors in differierenden Einstellungen, gar mit wechselndem Filmmaterial zu inszenieren. Doch dabei entschwindet ihm der Erzählfluss so sehr wie seinem Helden der Realitätssinn. Fast scheint es, als habe sich der Regisseur mit seinem Projekt ähnlich übernommen, wie der Völkervereiniger einst selbst. Als dann auch noch die Elefanten ins Bild trampeln, ist man an Scorseses Detailwahn und Gigantomanie erinnert, die Gangs of New York (2002), ein ebenso lang gehegtes Herzensprojekt wie Alexander, auch künstlerisch scheitern ließen.
Allerdings sind gerade diese Szenen im indischen Dschungel die stärksten des Films: es ist, als kehre Stone zu seinen Vietnamwurzeln zurück: der Kampf wird zum Guerillakrieg, das exotische Gelände ist ebenso unwägbar wie die Feinde mit Heimvorteil. Hier droht das zahlenmäßig und technisch überlegene Heer erstmals zu verlieren, der Siegeswille bricht. Doch Alexander ist noch nicht am Ende, mit gleichermaßen Charisma und Todesmut gibt er dem Gefecht die entscheidende Wendung. Wie er die miterlebt, das ist die erstaunlichste und innovativste von Stone und seinem Kameramann Rodrigo Pietro (Amores Perros, 2001; 25 Stunden, 2002; 21 Gramm, 2003), einem jungen Meister seines Metiers, geschaffene Sequenz.
Doch zu diesem Zeitpunkt ist der Zuschauer bereits ebenso erschöpft wie Alexanders Anhänger, mit demselben Wunsch: zurück nach Hause. Die Gefährten verraten ihren Helden, doch die Rache der Zuschauer wird vermutlich ebenso fatal sein: sie werden von diesem Spektakel abraten. Dann doch lieber zu einem anderen Event.
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Kommentare
Schtifft
Also ich finde diesen film absolut spitze. Ich finde es schade das er auf dieser und anderen seiten so schlecht gemacht wird.
1 Kommentar