A Thought of Ecstasy – Kritik

RP Kahls A Thought of Ecstasy zeigt wie Hitchcocks Vertigo einen Mann, der Opfer seiner Wünsche und seiner Lust wird, und lotet in einem assoziativen Fluss die Potenziale seiner Begierde aus – mit einer gewissen Freude am Flutschigen und Drastischen.

Who are you? Nachdem sich Frank (RP Kahl) das erste Mal wirklich damit auseinandergesetzt hat, wer ihm da gegenübersteht, folgen Aufnahmen von Hochhäusern in der Nacht. Davor hatte vor allem das Death Valley mit seinen lyrischen Felsformationen und seiner kargen Wüstenlandschaft den Hintergrund der Handlung gebildet. Statt einer kahlen Leinwand, auf die Frank seine Fantasie warf, sieht er sich nun klaren Strukturen und Tausenden dunklen und illuminierten Räumen gegenüber. Es ist der Moment von A Thought of Ecstasy, wo eine obsessive Suche endet und eine Illusion gegen eine manifeste, brutale Realität/Identität eingetauscht wird.

Betrachtet man A Thought of Ecstasy als Metafilm – bei den vielen bedeutungsschwangeren Dialogen und Off-Screen-Monologen fällt das nicht schwer –, dann ist das der Augenblick, wo das Geschichtenerzählen seinen Reiz verliert. Die Zeit des anreichernden Fabulierens ist vorbei, die Geschichte wird zu Ende gebracht und die Spannung abgelassen. Franks Fantasieren endet, und er muss seinen Blick voller Ernüchterung darauf richten, was er geschaffen, was er angerichtet hat.

Potenziale der Begierde

In Hitchcocks Vertigo versucht der Protagonist Scottie einer Frau die Identität einer anderen einzuschreiben. Er zwingt ihr neue Kleidung und eine neue Frisur auf, damit sie einer verstorbenen Geliebten gleicht und seinen Obsessionen entspricht. Judy ist für ihn lediglich die Leinwand, auf der er Madeleine wieder zum Leben erweckt. A Thought of Ecstasy begleitet Frank auf seiner Reise durch Kalifornien und Nevada, bei der er Ähnliches vollführt. Den Stationen eines als Roman veröffentlichten Tagebuchs folgt er, da er in der Autorin eine ehemalige Geliebte zu erkennen glaubt und sie wiederzufinden hofft. In Scotties Fall haben wir die Vorgeschichte und das Erwachen der Begierde gesehen. Frank hingegen lernen wir erst auf seiner Reise kennen. Wir müssen ihn erst finden.

Wo Hitchcocks Film das manische Treiben also in reueloser Eleganz abbildet und zu einem konzentrierten Blick in den Abgrund macht, da sehen wir hier einen Mann, der sich und seinen Blick schweifen lässt, bis sich die Impressionen seiner Reise zu Ereignissen verdichten – wobei nie abgesichert wird, was Fantasie und was Realität ist – und wieder zu Impressionen zerfallen. Statt also den inneren Zwängen seiner Hauptfigur ihren klaren Ausdruck zu geben, wirft uns A Thought of Ecstasy in einen assoziativen Fluss, in dem die Potentiale von Franks Begierde ausgelotet werden.

Gleich zu Beginn, wenn die Kamera dem Scheinwerferkegel eines Autos folgt und eine vorbeischnellende Straße in der Dunkelheit zeigt – eine von vielen Reminiszenzen an David Lynch –, spricht Frank aus dem Off davon, dass er sich gerne die Finsternis ausmalt und selten bedenkt, wie banal die Wirklichkeit in ihr meist ist. Wo Scottie der Akteur seiner Begierde ist, da macht sich Frank zu ihrer Marionette. Nach dem ersten Durchlauf des Musters, das die Struktur des Films bildet und wo eine lose Suche wiederholt in Sexfantasien endet, betritt die Verlegerin des Tagebuchs (Deborah Kara Unger) den Film. Sie beauftragt eine junge Frau (Ava Verne), genau das zu inszenieren, was Frank in der Wüste zu finden gedenkt. Zuvorderst also Marie (Lena Morris). A Thought of Ecstasy zeigt dabei nicht nur einen Mann, der Opfer seiner Wünsche und seiner Lust wird, sondern doppelt das Ausgeliefertsein noch durch dieses Komplott.

George Bataille steht Pate

Und dann ist da der leere Blick Franks/Kahls, wenn er wieder in der Wüste ist und in Hotels und Bunkern expliziten Inszenierungen von Selbstbefriedigung, SM-Praktiken oder Prostitution gegenübersteht. In diesen Blicken steht die Fesselung des Voyeurs ebenso geschrieben wie die Ratlosigkeit/Faszination des Unbedarften. A Thought of Ecstasy merkt man durchaus einen gewissen Genuss am Flutschigen und am Drastischen an. Nicht nur weil Genitalien zu sehen sind und teilweise wie vom Kaninchen vor der Schlange angeschaut werden, sondern weil die Worte, mit denen eine einfache Handlung versucht wird zu transzendieren, nicht sehr subtil sind. Über Träume, Fantasien und Fata Morganen, über Begierden, Fremdheit in der eigenen Geschichte oder im eigenen Sein und über mögliche Auslegungen, dass dies alles nur ein Film über das Finden einer Geschichte ist, wird so offensiv gesprochen, dass die A Thought of Ecstasy herangetragenen metatextuellen Konzepte offensichtlich werden.

Ohne Dezenz wird eine Ebene in den Film getragen, die Sex nicht nur mit Schrecken verknüpft, sondern auch mit den identitätsauflösenden oder -stiftenden Eigenschaften der Tabuüberschreitung, wenn die Bahn dessen verlassen wird, was wir über uns wissen. Georges Bataille wird hier als weiterer Pate dieses Werks offenbar … und wie durch Zauberhand scheint Michel Foucault von A Thought of Ecstasy zu sprechen, wenn er in seiner Vorrede zur Überschreitung schreibt: „Batailles Sprache […] vernichtet sich ständig im Inneren ihres eigenen Raums und legt in der Trägheit der Ekstase das Subjekt bloß, das versucht hat, sie zu unterstützen, doch von ihr verworfen wird und erschöpft auf dem Sande des Unsagbaren liegt.“

Andererseits entsteht durch diesen leeren Blick Franks/Kahls eine gewisse Brüchigkeit, wird die Bildsprache unkonzentriert und fahrig. Etwas Naives, Unfertiges wird mit ihm in den Film getragen. So wie Kahl sein Englisch mit einem dicken deutschen Akzent spricht, so ist auch sonst nichts poliert und in eine fertige, abgesicherte Form gebracht. Von unterschiedlichen Ausprägungen von Macht zwischen den Geschlechtern wird erzählt, vom Ausgeliefertsein, vom Ringen darum, wer hier der Erzähler und wer der Erzählte ist, aber vor allem wird sich darüber gewundert. Darüber, wer man ist. Und noch mehr: darüber, warum das Gegenüber hinter diesen vielen Schichten von Imagination verschwimmt.


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Kommentare


A Thought of Ecstasy

Kleine Korrektur: DVD, Blu-ray und Special Edition sind alle Uncut, also FSK18. Die kürzere FSK16-Fassung ist der Special Edition als Bonus beigefügt. Und die VOD-Amgebote sind ebenfalls in der kürzeren Fassung, FSK16.


Katja

Das sieht aus und klingt wie eine Kopie von Twentynine Palms von B. Dumont






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