A Quiet Place – Kritik

Die Erde wird in A Quiet Place von Monstern mit empfindlichem Gehör bevölkert. Einer Familie, die sich häuslich niederlassen will, bleibt somit nur das Schweigen.

„They can hear you“ steht als Schlagzeile auf einer alten Zeitung, die im Wind flattert. Während die Familie Abbott durch eine Untergangskulisse aus leeren Straßen und geplünderten Supermärkten läuft, streut A Quiet Place schon Hinweise auf sein Alleinstellungsmerkmal im aktuellen Horrorkino. Wir befinden uns in einer nicht näher bestimmten Zukunft, in der menschenfressende Monster auf der Erde hausen. Allerdings zeigen sich die schleimigen Wesen mit großen Ohren nur dann, wenn ein ungewöhnlicher Klang die natürliche Geräuschkulisse stört. Aus dieser Ausgangslage entwickelt der Film eine Situation, in der die Figuren nicht nur übervorsichtig herumschleichen, sondern auch dazu verdammt sind, fast vollständig auf Sprache verzichten.

Häuslich niederlassen im Elend

Immer wieder führt Vater Lee (John Krasinski) seinen Zeigefinger zum Mund, um die anderen zur Ruhe zu gemahnen. Kaum ist die Familie in einer ländlichen, von Maisfeldern umgebenen Idylle angekommen, sind die Abbotts auch weit und breit die einzigen Lebewesen. Und weil man als Zuschauer nie genau weiß, wo sich die mysteriösen Wesen verstecken und ob sie etwa das Klirren eines heruntergefallenen Glases auch wirklich gehört haben, befindet man sich in jenem permanenten Zustand der Hilflosigkeit, der A Quiet Place letztlich so spannend macht. Die trügerische Ruhe, die den Film beherrscht, trägt immer die Möglichkeit in sich, jederzeit in ein blutiges Massaker umzuschlagen.

Kennt man den Gimmick des Films, ist damit noch nichts viel gespoilert. Überhaupt ist Hauptdarsteller Krasinskis dritte Regiearbeit nicht darauf ausgelegt, mit spektakulären Wendungen oder Enthüllungen zu überraschen. Statt an einen Sehnsuchtsort zu gelangen, wollen die Abbotts nicht mehr, als sich inmitten des Elends häuslich niederzulassen. Was sie gegen die Monster zu verteidigen versuchen, ist lediglich ihr Alltag. Mit seinem überschaubaren Handlungsort und den klaren Bedingungen wirkt der Film dabei ein bisschen wie ein Computerspiel. Kaum sind in den ersten Minuten die besonderen Regeln, die hier herrschen, erklärt, bleibt die restliche Zeit, um sich durch verschiedene Levels mit diversen lebensbedrohlichen Situationen zu zocken.

Zwischen den zusammengezimmerten Überwachungskameras der Abbotts kleben dann auch wie auf dem Silbertablett präsentierte Zettel, auf denen mit Edding noch einmal die Eigenheiten der Monster aufgelistet sind – sowie die einzige noch zu beantwortende Frage: „What is their weakness?“ Man hat also eine Spielfläche, die vom Haus bis zum Fluss und von dort zum Getreidespeicher reicht, eigens geschaffene, besonders geräuschlose Wege, die natürlich auch irgendwann verlassen werden müssen sowie weitere Schlupflöcher und Gefahren, die zunächst nur nebenbei etabliert werden, um sie später dann doch noch dramatisch auszukosten.

Bedeutungsvolle Wehleidigkeit

Leider gibt sich A Quiet Place nicht ganz dem virtuosen Bedienen seiner Spannungsmechanik hin. Zu stark ist dann doch der Drang, noch von etwas Wichtigem zu erzählen. Und so wird das Schweigen innerhalb der Familie auch zum Symbol einer gestörten Kommunikation zwischen Lee und seiner gehörlosen Tochter Regan (Millicent Simmonds). Überhaupt müssen die mit ihren Strickjacken und gemusterten Wollmützen schwer nach gediegenem Öko-Bürgertum aussehenden Abbotts dafür herhalten, archaische Gefühle wie elterliche Liebe zu transportieren – die in so einer Ausnahmesituation nochmal besonders herausgefordert werden. Im schlimmsten Fall sieht man dann Krasinski zwischen den Maisfeldern sitzen und gequält nachdenklich in die Ferne schauen, während Komponist Marco Beltrami dazu melancholisch die Streicher fideln lässt.

Gerade erst hat Trey Edward Shults mit It Comes at Night gezeigt, wie leicht man sich mit einem ambitionierten Indie-Horrorfilm verrennen kann, wenn man die Wirkungskraft von Genremustern unterschätzt. Shults, der ebenfalls von einer Familie inmitten einer ländlichen Dystopie erzählt, beschwört zwar eine beklemmende Atmosphäre herauf und spielt auch gekonnt mit der Neugierde des Publikums, lässt sie am Schluss aber mit einer vulgärphilosophischen These über die Natur des Menschen auflaufen. Vielleicht haben wir es Blockbuster-Zampano und Produzent Michael Bay zu verdanken, dass A Quiet Place seinem Durst nach Relevanz schließlich selbst misstraut. Denn wenn die Intervalle zwischen den Angriffen immer kürzer werden, haben die Figuren auch irgendwann keine Zeit mehr, sich ihrer bedeutungsvollen Wehleidigkeit hinzugeben – und konzentrieren sich stattdessen auf das, was sie am besten können: spielen.

Neue Kritiken

Trailer zu „A Quiet Place“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.