A Killer Romance – Kritik

Den Schein wahren, bis eine Wahrheit durchscheint: In seinem Screwball-Krimi um die Affäre zwischen einem Fake-Hitman und seiner Fast-Auftraggeberin entlarvt Richard Linklater den Mythos des Auftragskillers und folgt umso lustvoller dessen realweltlichen Auswirkungen.

Hit Man heißt dieser Film im Original, nur um schon nach einer Viertelstunde klarzumachen, dass es keine Auftragskiller gibt, nie welche gab, vielleicht nie welche geben wird. Kurzzeitig in eine Doku zum Thema verwandelt sich der Film dann, präsentiert im Bild eine Art Mini-Kulturgeschichte des Kino-Killers, während er auf der Tonspur erklärt, dass die Figur des Hitman, der sich für Morde jeder Art anheuern lässt, so Preis und Umstände stimmen, jene Figur also, die David Fincher gerade erst noch einmal in eine klinische Filmform kondensiert hat, dass diese Figur eine reine Erfindung des Kinos, eine Fantasie ist.

Realität des Mythos

Diese Geste der Entmythisierung steckt schon im Text, dem Richard Linklater den Stoff für seinen neuen Film entnommen hat: Skip Hollingsworths Reportage im Texas Monthly über einen gewöhnlichen Philosophiedozenten mit einem ungewöhnlichen Nebenjob, nämlich im Auftrag der Polizei als Fake-Hitman Verabredungen mit Auftraggeber:innen zu machen, deren Mordwunsch möglichst eindeutig und explizit auf Tonband aufzunehmen und die Getäuschten schließlich zu überführen und verhaften zu lassen.

Es geht in A Killer Romance also weniger um die Realität hinter dem Mythos als um die Realität des Mythos. Die Mythen mögen nur Mythen sein, sie bestimmen deshalb nicht minder unsere Vorstellungswelt – und der Mythos des Auftragskillers laut Text und Film so sehr, dass sich immer genügend Leute finden, die diese oder jenen aus dem Weg schaffen wollen. Wenn die Polizei davon Wind kriegt, erweckt sie also den Mythos zum Leben und schickt einen Undercover-Agenten los.

Killer Drag Show

A Killer Romance beginnt mit einem Vertretungseinsatz: Weil der abgezockte Badass-Cop Jasper (Austin Amelio), erfolgreichster Fake-Killer des New Orleans Police Department, wegen unzulässiger Gewaltanwendung kurzzeitig suspendiert wird, springt Gary (Glen Powell) ein. Der war bis dato und scheinbar völlig zu Recht hinter den Kulissen geblieben, weil er mit seinem Dozentenjob und seinem Junggesellenleben, in dem ansonsten nur die Katzen Ego und Id und gelegentlich seine wohlmeinende bis mitleidige Ex-Freundin auftreten, das Klischee eines Mannes ist, der nichts so wenig sein möchte oder sein kann wie ein echter Mann.

Unvorbereitet wird Gary nun zu Ron, dem toughen Auftragskiller, und A Killer Romance zu einem Linklater-Film, auch wenn die Tonlage erstmal eine untypische ist, so luftdicht und autoritativ wird die Sache in den ersten Minuten etabliert. Ohne dass wir uns wehren könnten, werden wir bei der Hand genommen, steigen per Voice-over in Garys Gedankenwelt ein, lernen die Haupt- und Nebenfiguren mitsamt ein paar für die weitere Handlung wichtigen Eigenschaften kennen, und als Gary dann endlich auf die Welt losgelassen wird, gibt’s eine klamaukige Montage, in der Glen Powell aufblühen darf: Jedem vermeintlichen Klienten passt sich der frischgebackene Fake-Killer klamotten-, frisuren- und dialekttechnisch an, macht aus seinem neuen Job eine Drag Show, bedient jeweils genau die Hitman-Fantasie, die das Gegenüber zu brauchen scheint, um sich davon überzeugen zu lassen, es mit dem Real Deal zu tun zu haben. Für einen Linklater-Film ist das alles erstaunlich clean und straightforward.

Romantische Sabotage

Doch in dem Maße, wie Gary Gefallen an seinem Alter Ego findet, stehen Fragen im Raum, die Linklater seit jeher interessieren: Können wir aus dem Haufen von Erfahrungen, den wir als unsere Identität (miss?)verstehen, eigentlich auch rauskriechen, wenn wir ein geeignetes Schlupfloch finden; können wir, wenn die Umstände es möglich machen, eine bessere, sexyere, schlagfertigere Version unserer selbst werden? Es geht um alternative Lebenswege, das Verhältnis von Realität und Fiktion und um die Rollen, die wir füreinander spielen. Die Fallhöhe dieser Fragen steigt, als Madison (Adria Arjona) den Film betritt, die Ron engagieren will, um ihren gewalttätigen Mann loszuwerden. Ron spielt nicht mit, möchte eine solche sympathische, schöne Frau in Not nicht in den Knast bringen, und überzeugt sie zum Ärger seiner Vorgesetzten davon, den Mord nicht in Auftrag zu geben.

An diesem Punkt endet der Texas-Monthly-Artikel, und der Film beginnt so richtig, denn wie der englischsprachige deutsche Titel schon andeutet, haben wir es bald mit einer romantischen Komödie zu tun. Ron und Madison beginnen eine Affäre, von der jene Kollegen nichts wissen dürfen, die von Rons tatsächlicher Identität wissen, von der wiederum Madison nichts wissen darf. Mit links gelingt Linklater eine der besten Screwballspiele der letzten Jahre: Das Drehbuch, an dem auch Hauptdarsteller Powell mitgeschrieben hat, sorgt dafür, dass die Konstellation fortwährend komplexer und der Plot twistreicher wird, ohne dass es knarzt. Den Höhepunkt der Spannungskurve bildet eine Sequenz, in der polizeilicher Abhörvorgang und neue Smartphone-Welt so unmittelbar mit Blicken und Sätzen, mit romantischen Enttäuschungen und der Hoffnung auf den großen Getaway verschaltet sind, dass es eine Freude ist.

Gefährliche Fantasien

In den gleißenden Bildern des Films offenbart sich aber auch eine Dunkelheit. Nicht weil die USA hier als Land gezeichnet sind, in dem man schnell auf die Idee kommt, ein Mord könne alle Probleme lösen; das erscheint im bunten Reigen der Auftraggeber:innen fast als anthropologische Konstante. Sondern weil Linklater uns ein Happy End vorsetzt, das auch die romantische Komödie als eine große Fantasie entblößt, eine Fantasie, die uns derart verführt, dass wir Leute anfeuern, die vielleicht nicht sonderlich gute Menschen sind. Niemand mit gut integrierter Persönlichkeit, Erfolg im Beruf und einem glücklichen Eheleben hat nicht auch ein paar Leichen im Keller, gibt A Killer Romance uns mit zwinkerndem Pokerface mit auf den Weg, und wenn wir das glauben, dann glauben wir wohl auch an Auftragskiller.

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