Ganz Junge Kritik in Cannes - Bad Day to Go Fishing

Leg Dich nicht mit dem teutonischen Riesenbaby an

Semaine de la Critique 2009

Bergauf, bergab fährt der alte Reisebus –  irgendwo in Uruguay. Typische lateinamerikanische Gitarrenklänge dringen ans Ohr, mit denen die Hühner einiger Latinos um die Wette gackern. Zwei Personen allerdings stechen in Álvaro Brechners Debütfilm „Mal día para perscar“ aus diesem stimmigen Bild hervor – aber auch sie sind nur eine schlechte Karikatur. Mit Spitzbart und Armani-Anzug tut sich der „Principe“ Orsini als Mafioso-Manager wichtig. Er will respektiert werden wie Macchiavellis „Principe“ und trägt sicherlich nicht ohne Grund den Namen einer der ältesten italienischen Adelsfamilien. Dem typischen Italiener liegen natürlich auch Brot und Spiele. Als Gladiator zieht für ihn in diesem Film der andere Passagier des Busses, Jacob van Oppen, in den Kampf. Dieser Titan, mit blonder Löwenmähne und blauen Augen, gibt den Wrestler und scheint dabei ähnlich unbesiegbar wie der deutscheste Held aller Helden zu sein. Doch für Jacob gilt: hartes Äußeres, weicher Kern. Wie ein Riesenbaby tapst er oft durch den Film, kichert gern unkontrolliert und planscht auch mal im Dorfbrunnen wie ein verspieltes Kind. Die Vaterrolle übernimmt Orsini, der ihn mit heimatlichen Klängen des „Lily Marlene“-Lieds in den Schlaf singt, der wie ein stolzer Vater ein Fotoalbum von Jacobs Wrestlingerfolgen mit sich herumträgt und ihm zur Beruhigung, fast schon wie Muttermilch, Rum einflößt.

Diese beiden ulkigen Europäer fordern nun das uruguayische Dorf zum Kampf heraus. 1000 Dollar für denjenigen, der Jacob besiegt. Wurden die bisherigen Erfolge immer wieder geschickt geschmiert, so geht nun dem gerissenen Mafiosi Orsini das Geld beim Pokerspiel aus.

Bis hierhin ist der Film eine Beleidigung für jeden, der weiß, dass selbst Italiener auch mal etwas anderes essen als Spaghetti. Trösten kann dann nur der Schluss, der eine unerwartete Wendung nimmt, als Jacob die Wahrheit über sein erlogenes Heldentum erfährt und unvermittelt zu einem selbstbestimmenden Menschen wird, der aus eigener Entschlusskraft nun plötzlich auch gewinnen kann. Als gelungen kann man den Film dennoch nicht betrachten, da er den Zuschauer wie einen ungebildeten Hinterwäldler mit seinen Klischees und der unerträglichen Vorhersehbarkeit endlos strapaziert.

Kritik von Claudia Kück (Hölty-Gymnasium, Wunstorf)


Von kleinen Fischen und großen Hoffnungen

Semaine de la Critique 2009

Wenn du kein Glück hast – solltest du nicht fischen gehen.
Wenn du zu alt bist – solltest du nicht kämpfen.
Wenn du kein Geld hast – solltest du erst gar nicht anfangen zu spielen.

Zwei Männer stehen sich gegenüber. Jacob, ein deutscher Wrestler und Orsini, sein italienischer Manager, der sich selbst „il principe“ nennt. Sie reisen durch Südamerika und Orsini organisiert die Kämpfe für Jacob. Genau genommen zieht er im Hintergrund sämtliche Fäden. Sucht die Gegner aus, die Jacob im Ring niederstreckt und bezahlt sich im Voraus schon mal dafür, dass sie sich niederstrecken lassen. Beide verbindet eine besondere Beziehung: sie bilden eine Symbiose, eine  komplexe Vater-Sohn-Beziehung. Jakob, in sich gekehrt, kindlich. Orsini, dominierend, fürsorglich. Der Zuschauer geht fest davon aus, dass Jacobs Karriere zu Ende geht. Da ist ein Kampf vor dem Kampf, den das Tandem bereits verloren zu haben scheint: der Kampf gegen die Zeit. Umso überraschender die Wende: Die Charaktere erweisen sich als vielschichtig, sie entwickeln sich. Der nach außen hin betrügerisch wirkende Orsini zeigt gegen Ende Sensibilität und einen guten Kern, der schon immer in ihm steckt. Jacob der vom kleinen Kind, das in einen Brunnen springt und herum plantscht, zu einem  Kämpfer.

Jacob zeigt, dass es nicht auf das Alter ankommt, wenn man etwas erreichen will, sondern alleine der Wille muss groß genug sein – es ist nie zu spät.

Semaine de la Critique 2009

Der Regisseur Álvaro Brechner spielt mit den Stereotypen. Der Deutsche: Jakob, groß, blond, angelehnt an den Wikinger, den gewalttätigen Barbaren. Der Italiener: il principe, Macchiavelli, ausschließlich die Durchsetzung der eigenen Interessen im Blick. Auffällig sind die immer wiederkehrenden Motive, die auf den klassischen Western anspielen: eine verlassene, karge Landschaft, Casinos, Pferde. Und doch werden sich die Charaktere in einer überraschenden Wendung von ihren Klischees befreien. Die Protagonisten nehmen den Zuschauer mit auf ihre Reise. Ein Road Movie mit einem Silberstreif am Horizont, es gibt Hoffnung, auch für kleine Fische.

Kritik von Esra Kacan und Julia Balla (Ottheinrich Gymnasium, Wiesloch)


Semaine de la Critique 2009

“Bad Day to Go Fishing”- Good times at the movies?

In einem rumpelnden Bus, der durch Uruguay fährt, befindet sich allerhand zusammengewürfeltes Landvolk. Einige Musiker, die vorne im Bus melancholische spanische Lieder singen, ein junger Bauer, der seine Hennen krault, und ein stilles Mädchen, das das ganze lebhafte Geschehen mit großen Augen beobachtet. Ein Film über das Leben dieser uns fremden Figuren hätte interessant werden können, doch in Álvaro Brechners Film „Bad Day to Go Fishing“ (Mal Día Para Pescar) nehmen sie leider nur die Rolle von Statisten ein.

Die einfallslosen Protagonisten, ein zu alter Wrestler, ein verlogener Charmeur, der zwar aussieht wie ein Sheriff, sich aber Prinz Orsini nennt, und eine verbissene Schwangere, die ihren 4-Zentner-Ehemann wie einen Kampfhund einzusetzen vermag, wirken stereotyp und machen im Laufe des Films keinerlei Entwicklung durch.

Semaine de la Critique 2009

Es sind die Geldprobleme, die diese Figuren in die Enge treiben. Aus der prekären Situation kann nur ein Gewinner hervorkommen, der zwar ein wenig Geld gewinnt, dabei aber seine Ehre verliert. Der Geschlagene wird brutal in die Ecke des Boxrings gedrängt, wo er zugrunde geht. Die anfängliche Oberflächlichkeit dieser Protagonisten hätte man noch ertragen können, wäre die Entdeckung einer authentischen, zweidimensionalen Persönlichkeit eingetreten. Da der Zuschauer sich mit diesen wenig glaubwürdigen Figuren weder identifizieren noch von ihnen lernen kann, bleibt am Ende nur Frustration.

Nicht weniger monoton ist auch das Setting, das zwar anfangs durch eine desolate, zwielichtige Atmosphäre Interesse weckt, welches wegen mangelnden Kontrastes aber schnell schwindet. Da die abgedroschene Story eine schlechte Voraussetzung für den Aufbau von Spannung bietet, muss diese durch pathetische Musik und eine zwar gekonnte, aber wenig originelle Kameraführung erzeugt werden.

Mit dem Erscheinen des Abspanns fragt sich so mancher Zuschauer: Was soll man von diesem Film wohl mitnehmen? Er kann guten Gewissens aufhören, verzweifelt nach einer Aussage zu suchen, und muss sich damit abfinden, zudem noch schlecht unterhalten worden zu sein. Die Heimfahrt im Bus wird wahrscheinlich abwechslungsreicher ausfallen.

Kritik von Nora Heidorn und Julia Parizo (John F. Kennedy Schule, Berlin)


Semaine de la Critique 2009

Selbstverwirklichung durch Andere

Ein Prinz hat Privilegien: Er ist "besser" als andere, er ist stolz, er hat das Recht über andere zu bestimmen! Das ist eine Aussage die man in "Mal dia para pescar" von Alvaro Brechner zu hinterfragen beginnt.

Ein grundverschiedenes Duo von einem Wrestler und seinem Manager, der sich "Prince" nennen lässt, versucht in Südamerika die Fortsetzung einer längst verstrichenen Wrestlingkarriere durchzusetzen. Mit Betrug und Hinterlist hält "Prince" sich und seinen Kämpfer über Wasser. 1000 Dollar sind der Preis für denjenigen der im Ring dem "Champion" drei Minuten lang nicht unterliegt. Eine junge Frau drängt ihren Verlobten zur Teilnahme ohne die tödliche Gefahr ernst zu nehmen.

Semaine de la Critique 2009

Dieser Film zeigt die Folgen der Manipulation anderer Menschen zum eigenen Nutzen. An diesem Punkt ist eine Parallele zwischen Prince und Champion und dem Liebespaar zu erkennen. Der Prince, sowie die junge Frau treffen beide eigenhändig eine wichtige Entscheidung für ihren Partner. Intelligenz wird benutzt um körperliche Kraft auszunutzen.

Eine geniale Musikauswahl von Source-Music bis zu banalen deutschen Schlagern macht jede einzelne Szene authentisch und spielt mit den Gefühlen des Zuschauers. Einiges an Originalität wird dem Film auch durch ein interessantes Spiel zwischen Licht und Schatten sowie au?ergewöhnlichen Kameraeinstellungen gegeben. Ausschnitte eines Zimmers durch die Türe sind nur ein Beispiel dafür.Gary Piquer überzeugt mit eindrucksvollen schauspielerischen Leistungen und sticht so aus dem Ensemble hervor.

Einseitige Entscheidungen und Fehleinschätzungen trennen am Ende beide Partnerschaften. Hat ein Prinz also wirklich das Privileg?

Kritik von Lena Scheiterbauer und Andreas Eibelshäuser (Rudolf Steiner Schule, Gröbenzell)

Diese Kritiken sind entstanden im Rahmen von La Toute Jeune Critique
Semaine internationale de la Critique de Cannes 2009.



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