Yung – Kritik
Sie nehmen G und Ecstasy und Koks und Speed. Sie bereiten es her und strecken es, sie verkaufen es, sie verkaufen sich. Henning Gronkowskis Yung sucht das Unmittelbare und den Exzess in der Berliner Gegenwart.

Auf Drogen küsst es sich anders, leichter, schneller und auch mal das andere Geschlecht, also das Geschlecht, das frau sonst nicht küsst. Die Anziehung der Frau für Frauen weiter erforschen, oder den Mann mal ausnahmsweise nicht ablehnen. Wer könnte etwas dagegen haben? Yung jedenfalls ist so offen für das Experiment, für die Forschungsreise Jugendlicher, dass der Exzess, der verschwimmende Alltag, die Partys ohne Ende zu einem Wesenszustand werden, zur Normalität, die nicht bewertet werden muss, sondern erstmal einfach ist. Tragen nicht schon die Zuschauer so viele Bewertungen in sich, dass das Kino nicht noch welche drauflegen muss?
Der ganz normale Exzess

Ab und an bricht so etwas wie Ordnung hinein in das Leben der jungen Frauen, die gerade volljährig oder es auch knapp noch nicht sind. Eine Mutter fragt durch die Tür nach den Hausaufgaben, während die Tochter im Zimmer sich vor der Webcam auszieht. Anonyme Chatter fragen nach privaten Treffen für mehr Geld. Ein Partyleben will verdient werden. Janaina (Janaina Liesenfeld) macht sich Sorgen um ihre beste Freundin Emmy (Emily Lau). Die kneift ihre Augen zu oder kriegt sie kaum auf, wischt alle Bedenken weg, stürzt sich ins Vergnügen, in die neue Bekanntschaft, in den Flirt. Und wenn G bei ihr tagtäglich zum Einsatz kommt? Jeder hat seine Laster.
G lässt sich ziemlich einfach selbst herstellen, wenn man den Tutorials im Netz glauben darf, aus frei verkäuflichen Zutaten. Yung weiß das. Yung weiß vieles von dem, was passiert, wenn Feiern im Mittelpunkt steht. Yung weiß vor allem, dass Partys eine Normalität sein können, die den von außen wahrgenommene Exzess abfedert, ja beinahe verschwinden lässt, weil er sich nicht mehr absetzt von etwas anderem. In diese Blase einzutauchen, das ist die Verheißung. Es ist das Gegenteil der vielen Party-Filme, von So was von da zum Beispiel, bei dem das Feiern noch potenziert wird als Besonderheit, weil es Silvester ist und die letzte Nacht im eigenen Nachtclub. Viele Verwandte hat Yung im deutschen Kino nicht.
Vergnügen statt Authentizität

Ab und an sprechen die Protagonistinnen in die Kamera, die Jungs sind mitgemeint, doch das macht den Film nicht dokumentarischer, sondern betont eher noch die Inszenierung, weil diese Sequenzen, in denen die Mädels erzählen, was sie denken und fühlen, herausreißen aus dem Flow. Henning Gronkowski, der den Film ursprünglich mit Mike Ott (California Dreams) produziert hat, bevor Anatol Nitschke dazukam, nutzt wie Ott eine spielerische Hybridform, die offensichtlich gestaltet, um den Eindruck von Unmittelbarkeit noch zu verstärken. Dass die Mädels und Jungs vor der Kamera überwiegend Laien sind und sich oder eine Version ihrer selbst spielen, mündet nicht in einer verstohlenen Form von Authentizität, bei der Menschen etwas entrissen wird, das sie eigentlich nicht teilen wollen, sondern nutzt ihr Vergnügen am Spiel und ihre Unbeschwertheit.
Wenn alles ewig so weiterginge
Die zwei Freundinnen Janaina und Emmy fangen an, sich auch sexuell zu erkunden, während das mit der Sucht vielleicht doch mal zum Problem werden könnte. Joy und Abbie gucken, dass auch sie in den Fluss hineinkommen, sie fahren gemeinsam zum Festival, liegen aufeinander in der S-Bahn, genießen den Moment, bevor er verschwindet. Ja, klar, die Vergänglichkeit der Jugend schwebt über ihnen, die Kamera von Adam Ginsberg sucht ihre Haut ab, fast als wollte sie die ersten Zerfallserscheinungen entdecken, um sich rückzuversichern, dass das alles nicht ewig so weitergehen kann. Und was, wenn doch? Die Suche nach der nackten Haut, der geteilten Intimität, dem Einblick in ein Hier und Jetzt, das anders als im Film für viele nicht erlebbar ist, das hat auch etwas Bitteres, weil es gleichzeitig darauf verweist, was nicht ist, was noch nicht ist, was schon nicht mehr ist, was nie sein wird. Besser nicht urteilen.
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Kommentare
Beobachter
Ich fand diesen Clip hier irgendwie ganz interessant - nicht zuletzt weil er ein komplett anderes Bild von dem Filmemacher und schlussendlich auch von dem Film vermittelt.
https://www.youtube.com/watch?v=qpb7RdmIzIc&frags=pl%2Cwn
Frédéric
Danke für den Link. Welches Bild vom Filmemacher und vom Film vermittelt Dir der Clip denn?
Ich find es schade, dass in dem Clip lauter Urteile gefällt werden, es für sie aber kaum Argumente gibt ... nicht mal Ausschnitte aus dem Film, sondern am Anfang Vox Pop, um die eigene Meinung zu belegen, statt sie zu begründen. Insofern vermittelt es mir viel über die Macher des Clips.
Die Darstellung von sexueller Gewalt wird dann so als Pointe in den Raum gestellt, als Enthüllung, als käme es nicht darauf an, wie der Film das zeigt, sondern nur, dass er es zeigt.
Ich gehöre aber auch zu den Leuten, die glauben, dass der Film entscheidend ist und nicht Interviews mit Regisseuren.
hans wurst
ich finde das interview mit der dame vom filmfest enthüllt dass der junge mann nicht kritikfähig ist . entweder man feiert sein voyeuristisches werk oder er geht, beleidigt wie ein kleiner bub. scheint halt einfach nichts dahinter zu stecken, wenn man auf die einfachsten fragen nichts zu antworten weiss. wieder mal ein hohler versuch sogenannter deutscher filmemacher aus der generation instagram, einfach nur zu schocken um den so heissbegehrten "fame" zu erlangen. mehr ist das nicht
Frédéric
Interessante Setzung, jetzt steht also schon fest, dass sein Werk voyeuristisch ist? Natürlich wäre das Interview interessanter, wenn er ausführlicher antworten würde, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob er das nicht getan hat. Der Schnitt wirkt an der entscheidenden Stelle so, als sei da einiges ausgespart worden.
Ich fand den Film ja nicht schockierend, deswegen verstehe ich auch nicht die Einschätzung, das sei hohl oder stünde für die Generation Instagram (was auch immer das genau ist). Die Forderung, Filme müssten moralisch einwandfrei sein und für den Zuschauer die richtige Haltung vorkauen (die aus dem Interview m.E. spricht), finde ich grundfalsch. Es gehört just zum Effekt des Films, dass er eine Positionierung der Zuschauer einfordert. Ob ein Regisseur bei seinem Debüt schon bereit ist, auf alle Kritik zu antworten, find ich wenig entscheidend.
Beobachter
Ich habe mich vielleicht ein bisschen ungenau ausgedrückt. Generell sehe ich das ja genau wie Du: Ein Film steht zunächst einmal für sich. Trotzdem lenken die Aussagen eines Filmemachers immer auch die Rezeption. Ich habe den Film nicht gesehen, aber falls ich das irgendwann tue, werde ich dieses Interview im Kopf haben und der dumme und chauvinistische Angriff des Regisseurs auf die Fragestellerin wird mitschwingen.
Es geht auch natürlich nicht um das "Nichtbeantworten" von Kritik. Das wäre ja völlig legitim. Und zum Thema moralisch einwandfreie Filmen gebe ich Dir auch recht. In Anbetracht dessen, was da allerdings bei dem Interview passiert zu sein scheint und wie die Fragestellerin angegangen wurde (das Fragen und Antworten zudem im Nachhinein die Erlaubnis zur Veröffentlichung entzogen wurde - ich habe es so wahrgenommen als liegt daran der komische Schnitt), finde ich die "Thesen" und "Fragen" oder von mir aus auch "Pointen" die in dem Clip dann verbalisiert werden gerechtfertigt. Ist es doch genau dieses Verhalten und die Aussagen des Regisseurs die das nahelegen.
Frédéric
Einverstanden, da scheint etwas im Argen zu liegen. Ich sehe das vor allem durch die Brille desjenigen, der den Film gesehen hat und deswegen die Urteile der Interviewerin für vorschnell und ungenau hält. Nicht weil man den Film nicht anders sehen kann als ich, eh klar. Ihr Unwohlsein finde ich legitim, es müsste aber in Fragen münden (zum Beispiel in der Auseinandersetzung mit der gewählten Ästhetik), nur hat sie kaum Fragen, sondern äußert oberflächliche Kritik. Mir ist klar, sie ist Studentin und es ist nicht ihr Metier, offen mit Werken umzugehen und Interviews zu führen und Beiträge zu machen. Allerdings hat sie durchaus die Karten in der Hand und kann den Beitrag bauen, schneiden, auswählen etc. und hat deshalb auch die Möglichkeit, den Regisseur dumm da stehen zu lassen, was sie auch tut - mit seiner Hilfe, klar, wohl auch um damit umzugehen, dass er einen Teil des Interviews nicht autorisiert hat. Keine glückliche Situation. Mir gefällt vor allem nicht, dass er nahelegt, sie könne "frigide" sein. Ich finde das falsch, weil sie zwar möglicherweise (enge) vorgefasste Erwartungen hat, was Darstellungen von Sex angeht, aber das sollte keinen Schluss auf ihre Sexualität erlauben. Wenn dann ginge es um Prüderie, aber auch das wäre schon zu stark. Insgesamt würde ich das verbuchen unter: Umgang mit Medien musst noch geübt werden.
Mike
Amazing to see people critiquing a film they haven't even seen and on top of that, acting offended by an interview a first time filmmaker gave at his premier. I thought this shit just happened in America, not by European intellectuals. Also funny using the term "Instagram generation" when what is more "Instagram generation" than leaving callow comments on a thread of a film you haven't seen. I hope the people posting such things are actually 14 years old... because if not, that's much more "shocking" than anything in the film.
If you are truly that offended by the film or the interview, I'd suggest you take Godard's advice of, "the best way to critique a film is to make a film." But maybe in this lazy PC culture it's much easier to sit behind your computer and never create anything instead just sit behind your computer and bitch. Yes, I wrote bitch. I'm sure you're offended by that too.
Paulina
Ich hab Männer so satt, die Geschichten darüber erzählen (oder sehen) möchten, das Frauen durch sexy-sein und begehrt-werden Macht haben oder dass Frauen sich durch Sex emanzipieren. Denkt euch mal ein neues Frauenbild aus! Der größte Scherz war (bei Blickpunkt:Film http://beta.blickpunktfilm.de/details/441284) zu Sehen, wer diesen Film über die Freundinnen, die sich sexuell erkunden, die nackte Haut suchen ins Kino bringt.
Aber ich kann mir natürlich auch gut vorstellen, dass es als Mann sehr leicht fällt bei solch einem Film das unmoralische herauszustellen oder zu loben, dass er "Galaxien weit entfernt ist von den Feminismusdebatten" SZ. Wir sind anders konfrontiert und betroffen von solchen Männern, die mit solchen Themen nicht sensibel umgehen bzw. noch nicht einmal reflektieren können, dass eine Vergewaltigungsszene in solch einem Kontext frauenverachtend ist.
Frédéric
Paulina, bezieht sich der Kommentar auf eine Sichtung des Films oder nur auf die Reaktionen?
Paulina
Ich sah YUNG letzte Woche im Moviemento.
Frédéric
Ah ok, das wurde aus dem Kommentar nicht klar. Nachdem sich so viele Leute über den Film aufgeregt haben, ohne ihn zu sehen, habe ich das hier fälschlicherweise angenommen. Ich bin in einer Zwickmühle: Ich fühle mich nicht angesprochen von deinen Urteilen über Männer - und bekomme sie auch nicht zusammen mit meiner Erinnerung an den Film. Aber ich nehme an, der Kommentar ist dennoch an mich als Autor der Kritik gerichtet? Also, wenn es darum ging, einen Austausch dazu zu beginnen, würde ich mich über eine Hilfestellung freuen.
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