Wonder Wheel – Kritik

Im farbenfroh auf die Leinwand gemalten Vergnügungspark von Coney Island jongliert Woody Allen in Wonder Wheel sehr gemächlich und genügsam mit vertrauten Versatzstücken seines Werkes. Der Sohn der Hauptfigur will alles in Brand stecken.

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„Coney Island Washboard“ ist eines jener sanft gesäuselten, gern von knisternden Platten abgespielten A-Capella-Stücke, von denen man sich beim Hören schwer vorstellen kann, dass sie jemals neu gewesen sind – höchstens ein Film, der eine Vergangenheit lebendig macht, könnte das bewirken. In Woody Allens Wonder Wheel überziehen dieser und einige ähnliche Songs die in warmen Farben leuchtenden Bilder der Achterbahnen und Karussells, der Hot-Dog-Buden und Muschelrestaurants, der Strandpromenaden und Parkanlagen von Anbeginn mit einer musealen Patina. Und bis zuletzt bleibt der berühmte Brooklyner Vergnügungspark, in dem sich das nominell in den 1950er Jahren angesiedelte kleine Melodram abspielt, ein von Außenimpulsen isolierter Ausstellungsraum. Anders als in früheren nostalgischen Arbeiten des Regisseurs wie etwa Broadway Danny Rose (1984) oder Radio Days (1987) gibt es hier keinen wahrnehmbaren Standpunkt, von dem aus wehmütig oder ironisch auf etwas zurückblickt wird. So bleiben die Ironien und Wermutstropfen in den sofort vertraut klingenden Dialogen sich selbst genügende Leerformeln.

Around the world, around the block

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Die beiden weiblichen Hauptfiguren sind aus vermutlich besseren Vergangenheiten in Coney Island gestrandet; Ginny (Kate Winslet) ist eine unglücklich mit Karussellbesitzer Humpty (James Belushi) verheiratete Ex-Schauspielerin, die heimlich aus unter der Spüle versteckten Schnapsflaschen trinkt; Carolina (Juno Temple), Humptys abtrünnige Tochter, hat als Ex-Gangsterbraut mit Mitte zwanzig schon ein wildes Leben hinter sich und sucht nun auf der Flucht vor ihrem rachsüchtigen Gatten Unterschlupf bei ihrem Vater. Und dann wäre da noch Bademeister Mickey (Justin Timberlake, mit nacktem Oberkörper über den Strandbesuchern thronend und als typischer Woody-Allen-Erzähler zum Publikum sprechend), hauptberuflich Theaterstudent, heimlicher Lover von Ginny und bald offenes Love Interest von Caroline – was das Drama in Gang bringt und dank zwei aus den Sopranos herübergestolperten Gangstern für eine von ihnen gefährlich werden wird. Mickey war früher immerhin bei der Army, behauptet aber, im Unterschied zu Carolina noch nichts vom Leben zu wissen, sondern nur das Theater zu kennen. Sie darauf, entrüstet: „You’ve been around the world!“ Er: „But you’ve been around the block!“ So einer der Wortwechsel, die hier klingen wie aus dem Woody-Allen-Dialoggenerator ausgeworfen.

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Dass sich das alles gerade wie schon tausendmal gehört anhören soll, wäre ein beliebter Um-eine-Ecke-weiter-gedacht-Kniff, unbeantwortet bliebe dann aber noch die Frage, wozu das Ganze. Wenn Dramatiker Mickey seine Schwäche für Bigger-than-life-Figuren gesteht, kontrastiert das mit der fürs Melodram typischen Durchschnittlichkeit der Charaktere – auch eine sicher irgendwie beabsichtige Ironie, die sich aber unbeabsichtigt gegen den Film selbst richtet: Spränge der melodramatische Funke über, würden die Figuren vielleicht gerade in ihrer Durchschnittlichkeit für ein paar magische Momente bigger than life. Dass Micky wie Allen Theaterfan ist, beschert uns ansonsten vor allem Gequatsche über Tschechow und Hamlet bei Regen unterm Steg, und Ginny bekommt von ihm ein Eugene-O’Neill-Buch geschenkt.

Ein Pyromane, wenig Feuer

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Dank Kameramann Vittorio Storaro, dessen Film Wonder Wheel vor allem ist, ist das alles durchweg sehr schön anzuschauen; seien es die Sonnenstrahlen, die die Frisuren umfloren, um die die beiden Frauen einander beneiden; sei es das Schlafzimmer, hinter dessen Vorhängen die Lichter des Vergnügungsparks glimmen und wo offenbleibt, ob der langsame Übergang von tiefem Orange zu tiefem Blau einer Außenwirkung zuzuschreiben oder schlicht ein künstliches device ist, das den Stimmungswechsel zwischen Ginny und Carolina illustrieren soll. Aber was sich in diesen so stimmungsvoll ausgemalten Räumen abspielt, bleibt blass und behäbig (so sehr Temple und vor allem Winslet sich ins Zeug legen; ihre männlichen Widerparts bleiben dagegen ziemlich gebremst). Ein in den Film hineingeschriebenes Leitmotiv ist Ginnys pyromanischer kleiner Sohn, der lieber ins Kino als in die Schule geht und im Laufe der Handlung hin und wieder ein paar Sachen anzündet. Aber Wonder Wheel entflammen kann auch er nicht.

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