Willkommen um zu bleiben – Kritik

Ein Zauberer übernachtet in einem abgeschiedenen Hotel und kann es plötzlich nicht mehr verlassen. Willkommen um zu bleiben ist eine surreale Reflexion über Freiheit, Einsamkeit und die Sehnsucht nach einer Welt, in der man keine Entscheidungen mehr treffen muss.

Selbst wenn niemand auf die Bühne schaut, muss das Geschehen dort weitergehen: Nach diesem Prinzip verläuft das Leben von Mr. K (Crispin Glover). Mr. K ist Zauberer, wenn auch kein besonders erfolgreicher. Er ist einsam und offenbar enttäuscht von seinem Beruf. Zu Beginn von Willkommen um zu bleiben reist er in ein Hotel, das ebenso wie er selbst von der Außenwelt scheinbar halb vergessen wurde, um sich dort auf seinen nächsten Auftritt vorzubereiten. An der Rezeption wird er von der Hotelleiterin empfangen, die ihm ausführlich von den Regeln und der Geschichte des Hotels erzählt, ganz so, als würde er sehr, sehr lange hier zu Gast sein. Mr. K versucht erfolglos, sie zu unterbrechen, um ihr zu erklären, dass er nur für eine Nacht bleiben wird. Er weiß noch nicht, dass es unmöglich sein wird, dieses Hotel wieder zu verlassen.

Man muss sich nicht besonders anstrengen, um sich zahlreiche Werke der Literatur- und Kinogeschichte ins Gedächtnis zu rufen, deren Handlungen sich in einem Hotel entfalten. Und das ist kein Wunder, ist doch das Hotel ein eigentümlicher Grenzraum: Einerseits stellt es ein Hinaustreten aus den gewohnten Räumen des Alltags dar, andererseits hat es immer auch etwas unerwartet Vertrautes, fast Heimisches. Es ist ein flüchtiges Zuhause – eines, von dem man von Anfang an weiß, dass man es bald wieder verlassen wird. Das Hotel ist ein Raum zwischen den Welten, der ganz eigenen Regeln folgt. Vielleicht eignet es sich gerade deshalb so perfekt als Handlungsort für absurde, surrealistische Geschichten wie Willkommen um zu bleiben, deren Hauptanliegen es ist, die gewohnte Struktur unserer Welt aufzubrechen.

Eine Festung für all jene, die den Kampf aufgegeben haben

Das Hotel in Tallulah H. Schwabs Film funktioniert nach festgelegten Regeln, doch sind diese Regeln den gewöhnlichen diametral entgegengesetzt: Verlässt du hier dein Zimmer, gelangst du in einen langen, verworrenen Gang, der nicht auf einen Aufzug oder eine Treppe zuläuft, sondern sich scheinbar ewig um sich selbst windet – irgendwann hast du dann genug vom Herumirren und gehst wieder zurück in dein Zimmer. Wenn du laute Musik näherkommen hörst, sei auf der Hut. Ein Orchester marschiert wie ein Eisbrecher durch die Flure, und der einzige Weg, einer Kollision mit ihm zu entgehen, besteht darin, wieder in dein Zimmer zurückzukehren. Und auch wenn du im Zimmer bleibst, solltest du wachsam sein. Denn hier kann es vorkommen, dass sich die Wände plötzlich immer näher zusammenziehen und du die Möbel, die nicht mehr ins Zimmer passen, in den endlosen Flur hinaustragen musst.

Mr. K ist auf diese Besonderheiten kaum vorbereitet und doch offenbaren sie bald einen persönlichen Zweck: Sie sollen Mr. K dabei helfen, aus seiner Schale und seinem gewohnten Verhalten auszubrechen. Gleichzeitig erzeugen sie beim Zuschauer den Eindruck, dass hinter den beängstigenden grünen Tapeten und dem Labyrinth der Hotelflure ein tieferer, metaphorischer Sinn lauert. Das Hotel erscheint nun nicht mehr einfach als eine vorübergehende Unterkunft – es wird zur Festung. Stark und zuverlässig schützt diese Festung alle Menschen, die sich in ihr befinden, vor den Widrigkeiten der Außenwelt, oft auch gegen deren Willen, indem sie sie einfach nicht hinauslässt. Das Hotel wird zum lebendigen Organismus, der lieber uneinnehmbare Mauern errichtet hat, als zu lernen, mit der widerspenstigen und manchmal grausamen Außenwelt umzugehen. Und zugleich ist es ein sicherer Hafen für jeden, der bereits bereit ist, den Kampf aufzugeben, und der sich nur mehr verstecken will – selbst wenn der Preis für diese innere Ruhe das eigene Recht auf Freiheit ist.

Eine widerständige Seele schlummert im Verborgenen

Damit ein Kunstwerk dem Zuschauer eine fremdartige Welt näherbringen kann, braucht es einen Vermittler, durch dessen Augen man das Geschehen beobachtet. In Willkommen um zu bleiben übernimmt Mr. K diese Rolle, eine in jeder Hinsicht ambivalente Figur: Einerseits ist er scheinbar perfekt geeignet als neuer Gast dieses Hotels, denn wie die anderen Gäste ist auch er erschöpft, einsam und auf der Suche nach Schutz und innerem Frieden. Doch gleichzeitig ist er der Einzige, der das Hotel noch verlassen will und der noch nicht bereit ist, die Hoffnung auf ein Leben als Teil der menschlichen Gemeinschaft aufzugeben. Mr. K ist ein „Auserwählter“ und doch kein Held. Er kämpft letztlich nicht für die Freiheit aller Hotelgäste, sondern nur für die eigene – er bleibt erkennbar ein Mensch, mit all seinen Ängsten, seinen Schwächen und seinen Momenten des Muts und des moralischen Rückgrats.

Tallulah H. Schwabs Film will das Publikum nicht sanft hin und her schaukeln. Der Film stürzt den Zuschauer vielmeh bereits in den ersten zehn Minuten mit voller Wucht in seine absurde Welt und bedient sich dabei zunächst bekannter surrealistischer Motive: In den endlosen Gängen öffnen sich zuvor nicht dagewesene Türen, in Schränken und unter dem Bett verstecken sich ungebetene Gäste – und alle Hotelgäste reagieren auf diese Merkwürdigkeiten, als wären sie etwas völlig Selbstverständliches. Doch nach diesem überhasteten Start reduziert der Film behutsam das Erzähltempo und reichert seinen Surrealismus mit kleinen, aber originellen visuellen Ideen an: Der schmerzhaft grünliche Farbton der Tapeten spiegelt sich in den Gesichtern der Hotelgäste und greift schließlich auf den gesamten Film über. Die eigentümliche Kleidung der Gäste und die altmodische Einrichtung der Zimmer verleihen dem Geschehen eine traumartige Zeitlosigkeit. Und das Gebäude des Hotels, dessen Fenster allesamt auf einen Innenhof hinausgehen, erinnert irgendwann an ein gefängnisartiges Panoptikum.

Willkommen um zu bleiben erzählt keine klassische Geschichte, sondern ist im Grunde eine Reflexion über eine philosophische Frage: Ist der Schutz vor einer bedrohlichen Welt, die einen nicht akzeptiert, den Verlust der persönlichen Freiheit wert? Mit abstrakter Eleganz entfaltet der Film dieses zentrale Thema und erschafft zugleich eine Atmosphäre des verzweifelten Wahnsinns, die den Zuschauer für anderthalb Stunden in die Erlebniswelt von Mr. K eintauchen lässt – eines kleinen Menschen, der irgendwo tief in seinem Inneren eine große, widerständige Seele trägt.

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