Whisky mit Wodka – Kritik

Andreas Dresen liefert eine melancholische Liebeserklärung an Film und Filmschaffende zugleich.

Whisky mit Wodka

Schauspiel ist sein Leben. Er hat nie etwas anderes gelernt. Nie etwas anderes gewollt. Vor der Kamera war er gut, bekam Ruhm und Anerkennung für seine Leistungen. Im Beruf der Erfolg, im Privaten die lieblose Leere. Sein Glück hat der in die Jahre gekommene Otto Kullberg (Henry Hübchen) nie gefunden. Unzählige Chancen hat er verstreichen lassen, immer Neues wollte er ausprobieren. Für zu viele fiktive Realitäten hat er währenddessen sein Gesicht hergegeben, um noch mit der eigentlichen Wirklichkeit umgehen zu können. Immer öfter greift er deshalb zum Alkohol und gefährdet damit auch sein neuestes Filmprojekt: An der Seite seiner ehemaligen Geliebten, Bettina Moll (Corinna Harfouch), jetzt Ehefrau des Regisseurs Martin Telleck (Sylvester Groth), spielt Kullberg einmal mehr den Frauenschwarm. Der Film im Film, Tango zu dritt, beleuchtet eine klassische Dreiecksbeziehung: ein Mann, zwei Frauen, die hier kurioserweise Mutter und Tochter sind.

Whisky mit Wodka

Als Ansporn für Kullberg, den Alkoholkonsum während der Dreharbeiten abzustellen, ordnet der Produzent an, alle Szenen mit einem zweiten, jüngeren Schauspieler doppelt abzudrehen. Diese belastende Situation liefert uns schon recht früh in Whisky mit Wodka ein Bild der Tragik. In  Nahaufnahme sehen wir Verletztheit durch Kullbergs Schauspielermaske hindurchschimmern, als er zusehen muss, wie seine Szenen mit dem Ersatzmann abgedreht werden. Der Konkurrenzkampf wird für Kullberg, sein Double Arno Runge (Markus Hering) und die gesamte Crew von Tag zu Tag unerträglicher.

Whisky mit Wodka

Ganz deutlich lassen sich in diesem Grundkonzept des Films Parallelen zu dem melancholischen Drama Die amerikanische Nacht (La nuit américaine, 1973) von François Truffaut erkennen. Auch er befasst sich mit der Zerbrechlichkeit seiner Schauspieler hinter der schillernden Fassade des Rampenlichts, die sich schon mal in verworrenen Liebesbeziehungen und übermäßigem Alkoholgenuss am Set äußert. Dresen und sein Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase lehnen sich an Truffauts humorvolle Leichtigkeit an und schaffen eine Tragikomödie par excellence, bei der die zweite Komponente jedoch stets die Oberhand behält. Wo Truffauts Melancholie schmerzt, wird die Nostalgie bei Whisky mit Wodka immer wieder, gerne auch zotenhaft, gebrochen. Kohlhaases Oneliner und wohl dosierte spitze Pointen provozieren unzählige Lacher, ohne dass die Charaktere mittels ihrer menschlichen Fehler ins Lächerliche gezogen würden. Durch dieses liebevolle Einfühlen und die gelungene Balance aus Tragik und Komik zollt Dresen seinen Kollegen und Schauspielern Respekt.

Whisky mit Wodka

Die komplexen Gefühlswelten jedes einzelnen Team-Mitglieds werden während des Films beleuchtet, vom großen Star Kullberg bis zum Kameraassistenten. Whisky mit Wodka präsentiert das Filmteam als große Familie. In ihrer Wohnwagensiedlung am Ostseestrand entsteht ein eigenständiges Universum, abgetrennt von jeglicher Außenwelt. Dabei schwappen die Liebesbeziehungen aus dem Film ins Leben über.

Der Blick dabei ist ein beobachtender. Genau, aber nie denunzierend. Die Kamera konzentriert sich auf die Figuren, zeigt sie in allem was sie tun, was die denken, was sie fühlen. Montagen von Gesichtern in Nahaufnahme auf der Hauptebene schaffen einen Kontrast zu den wesentlich beschwingteren Bildern des Film-im-Films.

Whisky mit Wodka

Mit Whisky mit Wodka variiert Dresen seinem semidokumentarisch anmutenden Stil, mit dem er durch Halbe Treppe (2002) so bekannt wurde. Statt Handvideokamera dreht er wie schon bei Willenbrock (2005) auf 35mm. Auch die Drehorte ändern sich: Während seine letzten Filme immer in Berlin spielten, geht man hier raus aus der Stadt, in die kleine Wohnwagensiedlung am Ostseestrand. Die Isolation der Gruppe wird somit nicht nur sozial, sondern auch räumlich deutlich.

Der auch in Sommer vorm Balkon (2005) und Wolke 9 (2008) spürbaren Faszination für die Stärken und Schwächen seiner Charaktere bleibt Dresen treu. Diesmal wird die Filmbranche als Mikrokosmos in den Fokus der Betrachtung gerückt. Dabei entsteht eine Liebeserklärung an das Filmemachen und die Menschen im Arbeitsumfeld des Regisseurs selbst. Es lebe das humoristisch-humanistische Kollektiv.

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Kommentare


Thomas

Grosses Kino!! Gut gemacht in allen Belangen, finde ich. Interessante Einblicke in die Welt der Filme-Macher, realistische Personen und Dialoge wie von Dresen/Kohlhaase gewohnt.
Sicherlich kann man sich nicht unbedingt einen der Darsteller als "sympathieperson" nehmen und mit ihm durch den Film gehen, nein, denn man ist als Zuschauer ja von vornerein schon "nicht zum Filmteam zugehörig". Aber man kann ja trotzdem wunderbar Allen zuschauen in dieser anderen, der Realität parallelen Welt mit seinen speziellen Lebensbedingungen, in denen aber doch jeder Mensch Liebe sucht. Vielleicht nicht findet, aber anscheinend trotzdem nicht dort heraus will. Ich finde: Dresesns bester Film, bis jetzt.






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