Werk ohne Autor – Kritik
Sollen sie doch Kunst machen, ich mache Kino. Florian Henckel von Donnersmarcks Werk ohne Autor ist immer überlegen, allem.

Traumata sind Traumata. Bisschen egal, was war. Hauptsache, es knallt in der Montage. Mit fetter Musik, krassen Kontrasten, schnellen Eindrücken, bumms, tot, bumms, tot, zwei Brüder weniger. Naziuniformen fallen um, Naziuniformen tragen weg. Beuys hatte zu wenig Traumata, aber immerhin Fett und Filz. Gerhard Richter hatte locker genug. Als Kind die Tante lieben, die Picasso mag. Nackt steht sie da, Aschenbecher in der Hand. Tisch einschlagen, Kopf einschlagen, Blut am Kopf, immer noch nackt. Der schöne Doktor lässt sich nicht erweichen, sie muss sterben. In der Gaskammer, zu klassischer Musik.
Noch ein Trauma, prima

Wie Kunst entsteht, kann man das filmen? Florian Henckel von Donnersmarck tut so, will das, glaubt an die Montagesequenz, die harte Arbeit, das Neuansetzen, das Klischee vom Geistesblitz und vom Zufall. Moderne Kunst muss ihm ein Graus sein. Werk ohne Autor guckt als Satire auf Künstler, die nach Ideen suchen, statt dem Handwerk zu frönen. Satire ist zu stark. Satire hat ’ne Haltung. Werk ohne Autor guckt drauf, es ist ihm nur eher egal. Stoff ist Stoff, wird zugerichtet, hingerichtet. Der Vater erhängt sich. Noch ein Trauma, prima. Die Kamera entdeckt es heimlich, schickes Bild, guter Effekt, die Musik weiß auch Bescheid.

Der Gerhard Richter, der hier anders heißt, aber Gerhard Richter meint und nutzt, könnte auch Chemiker sein. Wäre weniger glamourös, ja, Pathos ginge aber noch besser. Oder Kranke heilen, so ganz direkt, sicher besser als nur dieses andere „Heilen“. Von wegen Traumata. Aber kann man schon so machen, muss man etwas lauter schreien: Kunst heilt sie! Ist zwar abstrakt nur, braucht man Metaphern für, zum Beispiel ’ne Schwangerschaft, die lange nicht möglich war. Nackte Frau, Brust, Baby. F.H.v.D. in meinem Kopf: Sollen sie doch Kunst machen, ich mache Kino. Werk ohne Autor ist immer überlegen, allem.

Schnelle Führung durch die Düsseldorfer Kunsthochschule, Performance, wieder nackte Körper, eine Künstlerin darf machen, was sie macht, weil sie pralle Brüste hat. Kann man sich nicht ausdenken. Florian Henckel von Donnersmarck kann das. Runterschauen auf Frauen, das geht gut im Westen. Gibt ja Freiheit. Freie Zirkulation von Geld und fröhliche Vermehrung von Kapital. Ab mit der Liebesbeziehung in die Zwischenschnitte. Ein paar Szenen nachts, er an ihrem Busen. Ihre Kunst? Vielleicht nur ein Hobby. Who cares. Diktaturen vorbei, Hälfte des Films rum. Endlich ungeniert ich, ich, ich sagen.
Bloß keine Brüche

Sozialer Realismus ade, war ja eh alles albern. Jetzt wird’s trivial. Der Kringel auf der Leinwand, die Fußstapfen auf dem Gemälde, die Nägel im Tisch, alles nix. Außer es bringt Geld. Geld, um die Reichen zu überzeugen und die Armen sowieso. Wird ausgesprochen, belächelt, durchdekliniert. Etwas erlebt zu haben, das ist blöderweise etwas wert in den Augen mancher. Nicht in denen von F.H.v.D. Der weiß es besser. Schnell genau in Tom Schillings Gesicht gucken. Sein Blick verrät, er hat das Schlimme gar nicht erlebt. Ohnehin: Anstrengen muss man sich. Der Nazi-Doktor und jetzt Stiefvater von Schilling tut das auch. Sehr erfolgreich und immer mit durchgedrücktem Rücken! Ein bisschen Ehrfurcht kann da schon angemessen sein. Halbe Verurteilung bei gleichzeitiger Hochachtung: Film-Nazis sind perfekte Nazis. Die Dramaturgie hat verinnerlicht, was zieht. Bloß keine Brüche.
Immerhin waren alle dabei

Alles passt, alles sitzt, drei Stunden und acht Minuten, eins acht acht. Nein, die eins kann man da nicht wegdenken. Angesagt ist nur ’ne natürliche Führerschaft in der Familie. Freiheit, Erfolg, Hupkonzert. Schick! Das wird umjubelt! Sieht gut aus, geschmeidig, teuer, aufwändig, durchdacht, durchkomponiert, durchgetaktet, durchemotionalisiert, entkernt. Eine Ode an die Freiheit durch Geld, das geht auch ohne zu viel Charakter. Besser sogar. Und wenn der Regisseur wieder ’nen Goldjungen holt, dann war der Film ganz sicher ganz aufgeklärt. Dann gibt es wieder ein „wir“. Immerhin waren alle dabei. Alle waren dafür. Miteinander verbunden im Kino. Angebunden, festgebunden. Und kein Mitglied der Auswahlkommission des Festivals am Lido hat den Film als Geschwür des Wettbewerbs bezeichnet. Das wäre viel zu viel der Ehre.
Neue Kritiken

Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes

Kung Fu in Rome

Dangerous Animals

Versailles
Trailer zu „Werk ohne Autor“



Trailer ansehen (3)
Bilder




zur Galerie (11 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Andreas Thomas
Sehr schön frei und assoziativ, deine Kritik, Frederic! Hat mir viel gegeben! Danke!
fifty
Schließe ich mich gerne an. Schon bei "das Leben der Anderen" hätte man dem Regisseur dringend empfehlen sollen, seine Finger von historischen Stoffen zu lassen. Ich sehe hier ein weiteres Mal weder Gespür noch Haltung, sondern nur Klischees und Stereotypen, die man für den Export zusammengepappt hat. Sollte Künstlergenius hier der Frachter sein, er hätte bei dieser Ladung null Tiefgang.
Gerald Schmitt
Wunderbar!
Zu Richter empfehle ich Wolfgang Ullrich
Bilder auf Weltreise. Eine Globalisierungskritik. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2006
Artikel incl. sachfundierter Insider-Kommentare.
https://www.tagesspiegel.de/kultur/kontroverse-um-film-gerhard-richter-kritisiert-werk-ohne-autor/23149768.html
Claude Schmit
Eine Kritik ist auch nur eine Meinung. Es tut mir leid für den Kritiker, dass er für sich nicht mehr aus dem Film herausziehen konnte. Ich finde den Film großartig, ein paar Szenen in ihrer cinematografischen Qualität überragend, aber auch viele kleine Deteils, Andeutungen, Gegenüberstellungen. Viel Menschliches was der staatlichen Diktatur überlegen bleibt. Ich war erstaunt, dass der Film 3 h lang gedauert hat, er war mir nicht eine s zu lang. Ich fände es gut, wenn es auf critic.de zu jedem Film mehrere Kritiken geben würde, oder kontroverse Auseinandersetzungen mehrerer Kritiker zu einem Film.
4 Kommentare