Universalove – Kritik

Thomas Woschitz macht Ethnokino ohne pädagogischen Impetus. Das Ergebnis ist Freiraum und Leerstelle zugleich.

Universalove

Den stärksten Moment kennen wir bereits aus dem Trailer: Ein junger Mann steht vor einem Bürogebäude. Er wartet, ist nervös. Die Einstellung wechselt in die Totale. Jemand verlässt das Gebäude, der junge Mann läuft mit schnellen Schritten auf ihn zu und schlägt ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Dann beugt er sich über den am Boden Liegenden und küsst ihn auf die Stirn. „Ich liebe dich. Aber du bist ein Idiot!“

Das Idiom, in das dieser Satz gefärbt ist, ist Lëtzebuergesch, die luxemburgische Nationalsprache. Es hätte auch Deutsch, Französisch oder Mandarin sein können, denn Universalove erzählt Liebesgeschichten ohne spezifischen kulturellen Hintergrund, höchstens mit nationalem Kolorit. Das Kosmopolitische ist aber, anders als man vielleicht zunächst vermuten könnte, kein politisches Statement. Woschitz denkt den Film eher vom Thema her und versucht, wie der Titel bereits ankündigt, das Allgemeingültige, das Universelle der Liebe freizulegen.

Universalove

Sechs jeweils gestückelte Episoden auf vier Kontinenten schildert Universalove. Zwischen den sehr unterschiedlichen Geschichten gibt es keine direkten Berührungspunkte. Die inhaltlichen Parallelen bleiben nur Andeutung. Ein eifersüchtiger Taxifahrer (Damian Smith) und seine Frau (Sri Gordon) in Brooklyn; ein einsamer Computertechniker in Tokio (Kyoichi Komoto) der sich unsterblich verliebt; eine Brautmodenverkäuferin in Belgrad (Anica Dobra), die nach Jahren der Unsicherheit endlich ein gemeinsames Leben mit ihrem Langzeitgeliebten (Dušan Ašković) will; ein junger Mann (Sascha Migge) und ein Familienvater (Daniel Plier), die sich im Hallenbad näher gekommen sind; eine junge Brasilianerin (Magda Gomes), die zufällig ihrem Telenovela-Schwarm (Erom Cordeiro) begegnet und sich unglücklich verliebt; und Julie (Liza Machover), die zwar glücklich verliebt ist, aber nichts davon weiß, dass ihr Freund Rachid (Samir Menouar) in großen Schwierigkeiten steckt. Jede Geschichte funktioniert für sich im Grunde wie ein eigener Kurzfilm. Dass alle um das Leitmotiv des Films – das Wesen der Liebe zu erforschen – kreisen, ist erst nach und nach zu erahnen. Explizit wird das Anliegen nie.

Universalove

Universalove konzentriert sich vielmehr auf Augenblicke. Wenn es in der Liebe einen Schlüsselmoment gibt – und das muss nicht der Moment des Verliebens sein –, so will der Regisseur ihn zeigen. Wir erfahren daher auch sehr wenig über die Figuren, weil das für den Film schlichtweg unwichtig ist. Die meisten bleiben namenlos. Woschitz verzichtet auch auf ausführliche Expositionen. Der Film setzt erst ein, wenn sich längst etwas bewegt und steigt dann unmittelbar nach der dramaturgischen Klimax wieder aus.

Wie bereits in Sperrstunde (2006), Woschitz’ erstem Projekt mit der österreichischen Indie-Band Naked Lunch, ist die Musik mehr als ein bloßer Katalysator des Gezeigten. Die Akzentuierung ist dennoch etwas anders. Während sich in Sperrstunde Musik und Bild ganz offensichtlich die Bälle zuspielen und sich so gegenseitig vorantreiben, sind diese beiden Komponenten in Universalove deutlicher voneinander getrennt. Der Soundtrack schafft einen atmosphärischen Rahmen, ohne dabei allerdings aufdringlich auf der sentimentalen Klaviatur des Gefühlskinos zu spielen.

Universalove

Woschitz’ zentraler visueller Zugang zum Stoff ist die Mimik der Schauspieler. Immer wieder ist die Kamera nah an den Gesichtern und sensibilisiert die Zuschauer so für jedes Stirnrunzeln, jeden schweren Atemzug. Kitschig oder sentimental ist das zwar nicht, aber eben auch nicht besonders kreativ, und so hat sich dieses Stilmittel selbst in den vergleichsweise kurzen 80 Minuten des Films irgendwann abgenutzt.Erst am Ende bietet er in einer kurzen Tagtraumsequenz in Rio de Janeiro und einem in seiner Bewegung vollständig eingefrorenen Marseille wieder zwei unkonventionelle Bilder an.

Der Grat zwischen interpretatorischem Freiraum und intellektueller Leerstelle ist schmal. In Universalove wird das ganz offensichtlich. Das lockere Konzept des Films, seinen Gegenstand nicht festnageln zu wollen, eröffnet zwar breite Möglichkeiten zur Assoziation, läuft aber zugleich ständig Gefahr, beliebig und selbstreferenziell zu werden. Der Stoff ist dann zwar in keine festen Deutungsmuster gepresst, aber ein Erkenntnisgewinn stellt sich ebenfalls kaum ein. So hinterlässt der Film nur einen atmosphärischen, unmittelbar flüchtigen Eindruck.

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