Universal Language – Kritik
In Kanada sprechen plötzlich alle Persisch. Rod Stewart macht Karriere als Immobilienhändler. Und Truthähne klauen Brillen. Mit Universal Language ist Matthew Rankin eine der besten Komödien des Jahres gelungen.

Das Tourismusbüro von Winnipeg hat es auch nicht leicht: 2007 machte sich Kult-Regisseur Guy Maddin auf in seine Heimatstadt, um seine Mutter zu suchen – und inszenierte Winnipeg dabei als in ewiger Dunkelheit und Kälte gefangene „traurigste Stadt der Welt“. 17 Jahre später zieht es nun Matthew (gespielt von Regisseur Matthew Rankin, einst Assistent von Maddin) in denselben Ort, ebenfalls auf der Suche nach seiner Mutter. Anders als in seinem sehr von Maddins Stil geprägtem Debütfilm The Twentieth Century (2019) fühlt man sich in Universal Language immer wieder an Roy Andersson erinnert: In trostlosen, graubraunen Interieurs heulen Beamte, ohne dass andere Menschen sie beachten – oder apathische Händler verkaufen Taschentücher und Schlafmedikamente, während sie ausdruckslos „Das Leben ist lebenswert“ murmeln.
Feuerwerk des absurden Humors

Doch Universal Language ist keinesfalls ein deprimierendes Erlebnis, sondern ein Feuerwerk des absurden Humors: Das beginnt schon mit dem Verfremdungseffekt, dass der Film im dauerhaft verschneiten Kanada spielt, dort aber alle in schönstem persischem Singsang reden und die Fast-Food-Kette Tim Hortons – eine kanadische Ikone – iranischen Chai serviert. Auch sonst durchziehen diverse Running Gags die Handlung: allen voran Truthähne. Truthähne, die Kindern Brillen klauen, im Bus ältere Damen belästigen oder sich durch groteske Schlachterei-Werbespots gockeln. Hinzu kommt unter anderem ein Borat ähnelnder Tour Guide, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Besuchern die drögesten Orte dieser ohnehin drögen Eiswüsten-Stadt zu zeigen und dabei halbstündige „Gedenkminuten“ einzulegen. Ach ja, und niemand weiß so recht, wo zur Hölle dieses Winnipeg nun eigentlich liegt: in Alberta, den Rocky Mountains oder war es Manitoba?
Kanadischer Brutalismus im 16mm-Look

Der Plot wird einerseits von Matthews Suche nach seiner Mutter vorangetrieben, die ihn allerdings seit Jahren mit einem anderen Mann verwechselt – und von einem MacGuffin in Form eines unter Eis eingeklemmten Geldscheines, um den mehrere Figuren konkurrieren. Sie alle streifen durch eine Stadt, die Kamerafrau Isabelle Stachtchenko in so nahen Einstellungen (und desaturiertem, schön körnigem 16mm-Look) einfängt, dass man denkt, ganz Kanada bestehe aus brutalistischer, fensterloser Architektur in blassen Pastellfarben. Montréal, wo der Film beginnt, ist in drei farblich gekennzeichnete Bezirke eingeteilt: grau, beige und braun. „Meine Zeit hier war die mit Abstand neutralste Erfahrung meines Lebens“, versichert Matthew seinem Chef beim Abschied aus Québec.

Doch auf den Plot kommt es eigentlich gar nicht an. Nicht der Weg ist hier das Ziel, sondern all die kleinen Funde, die Rankin am Straßenrand einsammelt: Ähnlich wie Quentin Dupieux füllt er seinen Film mit One-Linern in wunderbar trockener Deadpan-Manier und völlig willkürlichen, rätselhaften non-sequiturs: Auf einem Schulhof treffen sich Groucho Marx und ein wiehernder Esel, auf einem Gemälde in einer verlassenen Mall betreibt Justin Trudeau Wirtschaftspropaganda und auf einer Straßenbank wirbt eine Anzeige für Rod Stewarts Dienste als Immobilienhändler – natürlich in Farsi. Wer Persisch versteht oder sich mit kanadischer Geschichte (insbesondere dem Zwist zwischen anglo- und frankophoner Kultur) auskennt, dürfte noch einiges an Dialogwitzen und Insider-Gags aufschnappen – doch auch ohne diese Zusätze ist die surreale Komik von Matthew Rankin immer wieder laughing-out-loud-funny. Lachen ist eben eine universelle Sprache.
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