They See You – Kritik
Vier Menschen landen in einer Waldhütte und müssen sich beobachten lassen. Ishana Shyamalan hat in Irland einen materialreichen und gekonnten Feenhorrorfilm gemacht, der sich für seine zentrale Metapher erstaunlich wenig interessiert.

Dakota Fanning ist sofort im Fokus, die Welt um sie herum sanft und diffus. Mina, die um ihre Mutter trauert und in einer Zoohandlung aushilft, wird beauftragt, einen seltenen Papagei zu überbringen. Mit dem Vogel strandet sie in einem Wald, der seine eigenen Gesetze schreibt. Natur wird hier in strengen Ritualen verstanden: ein Korridor aus Krähen, der durch den Wald schneidet; ein Erdgrollen; Monster, die wachen. Mina flüchtet, mit dem Käfig in der Hand, und findet Unterkunft in einem brutalistischen Haus, in dem zuvor schon Ciara (Georgina Campbell), Madeline (Olwen Fouéré) und Daniel (Oliver Finnegan) Unterschlupf gefunden haben.

In dem Haus ist ein großer Raum mit Betten, einem Tisch, ein Röhrenfernseher und ein Eimer für das Nachtgeschäft. Die rechte Wand ist vollständig verglast, die Innenseite verspiegelt und raubt den Blick nach draußen, macht die Bewohner zum Material für Studien, an denen sich Leben lernen lässt. Beobachtet werden sie dabei von den sogenannten Watchers, das sind Wesen, mit denen die Bewohner in einer brüchigen Harmonie stehen. Solange sie sich von ihnen beobachten lassen, dürfen sie überleben. Tagsüber dürfen sie auch das Haus verlassen, aber wer es bis Sonnenuntergang nicht zurück schafft, stirbt.

Ishana Shyamalan interessiert sich wenig für die soziologischen Aspekte dieser Konstellation. Die Rollen sind fest verteilt, die Bedürfnisse der Figuren auf zwei Stichpunkte runtergebrochen, werden mit nonchalanter Direktheit kommuniziert. Die Kamera ist konstant in Bewegung, changiert zwischen etwas übertriebenen Subjektiven und einer Eskalation der Handlung. Was sich hier an Zweckfamilie bildet, bleibt Oberfläche, die durch den konstanten Blick von außen in Spannung gehalten wird.

Shyamalan erzählt straight, konzentriert sich auf Plotmechanismen und bereinigt vor allem terminologische Unschärfen. So ist They See You (The Watchers) ein Film, der es mag, sich zu erklären, in Expositionsschüben und mit Videotapes. Die Watchers sind die Nachkommen von Feen, die einst von den Menschen in den Untergrund verbannt wurden, nachdem sich die beiden Geschlechter miteinander vermischten und sogenannte Halblinge bildeten. Im Wald konnten die Feen lernen, menschliche Körper- und Verhaltensmuster zu kopieren und ihren Platz wieder zu erkämpfen.

Trotz all der detaillierten Mythologie begreift der Film diese nicht auf einer größeren allegorischen Ebene. Man sehnt sich fast nach mehr zentraler Metaphorik, auch wenn es über zehn Jahre gedauert hat, um den Trend des elevated horror zu exorzieren. They See You zeichnet eine Offenheit aus, die dem Zuschauer die Freiheit gibt, einfach seine persönliche Lesart zu wählen, aber dann stößt man sich doch an dem sehr konkreten Setting in Irland.

Hatte Lanthimos für seine Adaption von Poor Things noch bewusst alle Referenzen zu Glasgow oder der schottischen Geschichte ausgeklammert, schwingen diese bei Shyamalan unterschwellig mit, kreiert der Film aus seiner Dissonanz zwischen Mensch und Fee eine interne Spannung (Irland – Nordirland), die sich in ein brüchiges Panoptikum übersetzt. Horror, der sich am Ende nicht auf die Vernichtung des Andersartigen, sondern auf dessen soziale Eingliederung zielt: „I hope you find what you are looking for!“
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Kommentare
ThomasM
Typo: zentraler Metapher -> zentrale Metapher
Michael
Danke, ist geändert.
2 Kommentare