There Is A Stone – Kritik

Steine springen lassen, Steine sammeln, Steine verlieren: Eine Frau und ein Mann vertreiben sich am Flussufer die Zeit. Geduldig verharrt der japanische Film There is a Stone bei scheinbar sinnlosen Gesten und eröffnet einen kontemplativen Blick auf die Welt.

Eine Frau kommt zu Fuß über die Landstraße in einem ländlichen Städtchen südwestlich von Tokio an. Sie erkundigt sich höflich nach Sehenswürdigkeiten, läuft ziellos umher und wird eher zufällig in den Umgang mit einigen wenigen Einheimischen verwickelt. Sie stammelt, ist nervös, vermeidet alles Direkte, führt oftmals ihre Bewegungen und Sätze nicht zu Ende, häufig bricht ihr die Stimme.

An einem Flussufer sieht sie einen Mann, der Steine übers Wasser hüpfen lässt – locker siebenmal pro Wurf und mit viel Routine. Als er sie bemerkt, läuft er geradewegs durchs Wasser auf sie zu – er hält das anscheinend für Höflichkeit – und zeigt ihr, wie es geht. Er ist ein bisschen plump und ebenfalls höflich und schüchtern bis zur Lästigkeit. Doch hin und wieder will er die Fremde beeindrucken, turnt auf den Steinen herum, wenn sie gerade schaut.
Zusammen verbringen sie den ganzen Nachmittag im kindlich-unschuldigen Spiel mit den Steinen, dem Sand und den herumliegenden Stöcken. Das Sprechen ist auf das Notwendige beschränkt, aber im bloßen Zusammenhocken drückt sich die Freude über diese unerwartete Beschäftigung aus.
Die Kamera folgt nie den Steinwürfen. Nur bei langsamen, menschlichen Bewegungen bequemt sie sich zum Mitgehen und blickt ansonsten minutenlang ruhig auf das sanfte Spiel.

Naturüppigkeit

Die Vielheit der Steine kennt jeder. Sie sind – von den offensichtlichen Ausnahmen abgesehen – ein tatsächliches Gemeingut, wir alle könnten so viele Steine haben, wie wir wollen und noch einige mehr. Die Orte, an denen wir sie einfach aufsammeln können, sind unzählig. Sucht man Steine, ist man mit der verschwenderischen Üppigkeit der Natur konfrontiert, wider alle Verluste und Mangelerfahrungen. Dass man Steine nicht im alltäglichen Sinne braucht, darf dabei erst einmal zweitrangig sein.

Wir kennen auch das Auserwählen und Aufsammeln: „Du bist der interessanteste Stein, dich nehme ich mit.“ Dasselbe gilt für Kastanien, Wanderstöcke, Blumen und so weiter. Und ist meistens ohne jedes Ziel, das Aufgesammelte wird mitgetragen und irgendwann wieder abgegeben.

Der Mann im Film wirft versehentlich einen von der Frau ausgewählten runden Stein ins Wasser. Ihr ist das egal, er geht ihn erbittert suchen. Regisseur Tatsunari Ôta erzählt davon, wie er selbst einmal den verlorenen Lieblingsstein eines Freundes suchen wollte und gerührt war von der Aussichtslosigkeit dieser Situation. Geduldig verharrt sein Film bei diesen sinnlosen Gesten; oder er löst viel mehr ihren Sinn auf, indem er sie mit ruhigen, aber erbarmungslosem Blick durchdringt.

Blickverschiebung

Dazu zeigt Ôta uns nicht einfach Naturidylle. Am Fluss läuft ein Betonsteg entlang, im Hintergrund hört man den Fernverkehr, Strommasten hängen überall, und die Frau ist hin und wieder in dem Zustand, den man „am Handy sein“ nennt. Es ist eine glaubwürdige Umwelt, die sich der Essenzialisierung entzieht.

Lesarten bietet der Film viele: Da ist die Flucht aus dem Produktivitätszwang, das Spiel als dessen Gegenentwurf, die Regression in die Kindheit, das verhalten-flirtende Miteinander neben dem absichtslosen Zeitverbringen, Fragen nach Freiwilligkeit, Höflichkeit und Streit. Alle werden aber höchstens angetippt, der Kern des Films ist die zugebrachte Zeit, die wir sehen.

Was im Film geschieht, ist banal, aber Ôta geht dem konsequent nach. Und diese kontemplative Haltung überträgt sich auf uns, There is a Stone ist gelungenes Slow Cinema: Wir nehmen das Gezeigte ernster, als es ist, durch die schiere Dauer und Konsequenz der Darstellung. Statt großer Erkenntnisse ist da ein Verschieben des Blicks auf die Welt. Man wird sich danach kaum die Schuhe binden, etwas aufheben oder jemandem winken können, ohne diese Bewegung in all ihren Fragmenten zu erfahren.

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