The Tsugua Diaries – Kritik

Neu auf MUBI: Im Spätsommer 2020 haben Miguel Gomes und Maureen Fazandeiro mit drei Schauspielern gegen die Pandemie angedreht. The Tsugua Diaries bekämpft die Monotonie und feiert den Zusammenbruch.

„I believe in film being necessary every day. Monet did his haystacks and I have done the gazebo in the backyard.“ (Anne Charlotte Robertson im Gespräch mit Scott MacDonald)

Wir haben August und September 2020. Pandemie. Miguel Gomes und Maureen Fazendeiro drehen einen Film mit Carloto Cotta, Crista Alfaite und João Nunes Monteiro. Der Film spielt in einer Finka mit großflächigem Garten in der Nähe von Lissabon. Das Haus gehört dem Onkel eines der Produzenten. Früher wurden dort Hühner gezüchtet. In dem Film baut man ein Schmetterlingshaus. Am Ende wird getanzt (zu The Night von Frankie Valli & The Four Seasons), und es gibt einen Kuss. Ein Film, der an sich angenehm wenig zu erzählen hat, aber das rückwärts und am meisten über sich selbst. Ein Film über 22 Tage. Ein Film, der The Tsugua Diaries heißt. Dauer 1:41:20 (1:38:36 ohne Abspann).

Maureen ist schwanger, muss zum Doktor und kann bald nicht mehr am Dreh teilnehmen. Man diskutiert viel, streitet manchmal. Es ist häufig ein Hund im Bild. Im Hintergrund heult eine Katze oder wenigstens der Soundeffekt einer Katze. Für einen Tag übernehmen die Schauspieler die Regie und filmen sich in der Badewanne. Was gezeigt wird, ist immer Arbeit: Arbeit am Film, Arbeit mit Film, Arbeit im Film und Arbeit, die gefilmt werden muss. Pools werden geputzt und gefüllt, Hunde gewaschen, verloren und gesucht, Kartoffeln für den Fischeintopf geschält. Wahllos, aber niemals ungeformt. Gedreht auf 16 mm und verliebt in das Granulare dieser Bilder. Farbfilter dominieren. Eine langsam faulende Quitte wird zum natürlichem Zeitmesser. Im Kino läuft die Zeit anders als im Leben, und doch gleicht sie sich an, wird das ständige Verharren und die Statik der Pandemie spürbar. Ein Film über Bewegungen und Stimmungen, während einer Zeit, in der alles stillstand und jeder weinte.

Vielleicht sollte man statt Stillstand lieber auf das Konstante zurückgreifen. Den Fokus auf das richten, was gleich bleibt, und es als Qualitätsmerkmal lesen: etwa Gomes’ Vertrauen in das Kino und sein Drang, die eigene Produktion zu hinterfragen. Film als ein ständiges Zurückkehren und sich erst in dieser Bewegung und Wiederholung selbst verstehend. Our Beloved Month Of August (2008) als Raum, in dem Formen („der ethnographische Film“) verhandelt werden, der mehr und mehr das „Reale“ in das Bild zerrt, um es zu fiktionalisieren. 1001 Nacht (2015) als Agitprop-Fassade, die sich schnell entpolitisiert, um die Lust am Fabulieren mit nach oben offenem Budget zu entdecken. The Tsugua Diaries nun als ein Film gegen die Monotonie und für den Zusammenbruch. Sobald man versteht, was und wie hier gespielt wird, verflacht das Ganze etwas, und man vermisst eine gewisse dramatische Konsequenz, die Gomes allerdings auch selten interessiert. Kino hat schon weniger versucht und höher verloren.

Den Film kann man bei MUBI streamen.

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