The Substance – Kritik
Neu auf MUBI: Nehmt Kotztüten mit. In The Substance wagt eine alternde TV-Moderatorin eine experimentelle biomedizinische Verjüngungskur. Coralie Fargeats Film kombiniert deftigen Body Horror mit enormer Kinetik und klaustrophobischen Effekten.

Es hallt viel Lachen durch den Kinosaal während der letzten halben Stunde von The Substance. Mit Komik hat dieses Lachen indes wenig zu tun. Es handelt sich eher um eine Abwehrreaktion, die Erleichterung schaffen soll, um vor diesen Bildern nicht aus dem Saal fliehen zu müssen. Diese Bilder begleiten die Wandlungen von Elisabeth Sparkle (Demi Moore), die gerade ihren Stern auf Hollywoods Walk of Fame bekommen hat und weiterhin im knappen, hautengen Swimsuit durch das TV-Studio ihrer Fitness-Show hüpft, obwohl sie steinalte 50 Jahre ist. Als ihr manischer Chef Harvey (Dennis Quaid) sie durch eine Jüngere ersetzen will, nimmt Elisabeth in ihrer Verzweiflung das Angebot einer zwielichtigen Firma an, die in einem slicken Werbevideo verspricht, mit einem Serum und etwas Bioengineering den Alterungsprozess nicht nur aufhalten, sondern gar umdrehen zu können – wenn man sich dabei an ein paar Grundregeln hält.
New French Extremity statt Cronenberg

Bald schon hält Elisabeth Spritzen, Schläuche und Behälter mit diversen Flüssigkeiten in ihren Händen – und kurz darauf sieht sie tatsächlich aus wie neu: Mit den ersten echten Schockeffekten des Films wird aus ihr Sue (Margaret Qualley). Deren Haut ist so glatt, der Hintern so straff und die Brüste so prall, dass Harvey die generalüberholte Elisabeth prompt zu ihrer eigenen Nachfolgerin macht – zum neuen, jüngeren, begehrenswerteren Stern am TV-Fitnesshimmel. Sues Aufstieg inszeniert Regisseurin Coralie Fargeat mit Einstellungen, die sich heute wohl kaum noch ein männlicher Regisseur trauen würde. Sie lässt die Kamera in Sues Schritt fahren, starrt von hinten zwischen ihre Beine, wenn Sue sich beim Tanz nach vorn bückt, gleitet in der Dusche genüsslich an ihren Kurven entlang und macht auch vor Schamhaaren nicht Halt – eine ziemliche Seltenheit bei Hollywood-Produktionen mit ansehnlichem Budget und großen Stars.

Mit diesem bewusst ausgestellten Voyeurismus entlarvt Fargeat den Male Gaze des Showbusiness – vor allem geht es ihr in The Substance aber um die Logik der Selbstoptimierung, die etwa dank Fitnesstrackern, Selbstüberwachung und Gamification längst in gesellschaftlicher Breite ihre Wirkung entfaltet: „Have you ever dreamt of a better version of yourself? Younger, more beautiful, more perfect“, raunt das Werbevideo der Bioengineering-Firma, deren Dienste Elisabeth in Anspruch nimmt. Der Weg zu diesem besseren Selbst führt über Spritzen und Kanülen zu penetrierter Haut, Narben, Eiter, sich vervielfachenden Iriden und Körperteilen, die dort wo sie wachsen, nichts zu suchen haben. Wenn später noch brutale Gewalt hinzukommt, wirken die jüngeren Werke von David Cronenberg im Vergleich mitunter wie ein Kindergarten. Der auf Englisch gedrehte Film der Französin Fargeat reiht sich eher ein in die jüngere Tradition der New French Extremity, die in den letzten 30 Jahren verstörende Body-Horror-Filme wie Trouble Every Day (2001), Inside (À l'intérieur, 2007), In my Skin (Dans ma peau, 2002), Irréversible (2002) oder Raw (Grave, 2016) hervorgebracht hat.
Flucht aus dem Saal oder ins Lachen

Fargeat verlässt sich aber nicht allein auf Schock und Ekel, sondern setzt ihrem Publikum auch stilistisch zu: Weit bevor das blutige Spektakel so richtig beginnt, beunruhigt sie die Sinne mit extremen Close-ups, bedrohlichen Untersichten, hektischen Schnitten und klaustrophobisch engen, fensterlosen Räumen. Der gesamte Film ist enorm durchgestylt: vom Prolog im Labor über ein laborartiges Badezimmer bis hin zu schier unendlichen, schrillen Fluren. Das wohlüberlegte Sounddesign beginnt mit erstaunlicher Ruhe, ehe es einen nach und nach mit Schmatzgeräuschen, auf den Boden knallenden Körpern und undefinierbaren Geräuschen von allerlei Körperflüssigkeiten malträtiert und zum Finale hin immer stärker eskaliert.
Lange Zeit gelingt Fargeat dabei die hohe Kunst der Selbstdisziplinierung, indem sie die Horror-Elemente und die feministische Frage, was das Altern mit der Eigen- und Fremdwahrnehmung von Menschen im Allgemeinen und Frauen im Besonderen macht, gleichrangig behandelt (allerdings entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die Rolle der 50-jährigen Elisabeth mit Demi Moore besetzt wurde, der ihre mehr als 60 Jahre nicht anzusehen sind). Nur in den letzten 30 Minuten schraubt die Regisseurin den Exzess-Regler auf Stufe 14 von 10, sodass mancher den Weg zum Ausgang oder den Griff zur Kotztüte suchen dürfte. Doch insgesamt ist es ein seltenes Kinoerlebnis, wie The Substance einen mit enormer Bildgewalt durchschüttelt wie nur wenige andere Horrorfilme der letzten Jahre. Da hilft manchmal nur noch lachen.
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Kommentare
Grace
Der letzte Schrott!!!
Kategorie: Filme, die die Welt überhaupt nicht braucht!!!
Das Thema war spannend, jedoch völlig übertrieben und einfach nur EKELHAFT umgesetzt.
Der Magnet ist leider Demi, die sich jedoch mit dieser Rolle keinen Gefallen getan hat.
Sie hat mal gute Filme gedreht - ihr Niveau ist offensichtlich massiv gesunken.
Spart euch die Zeit und das Geld. Ich bin fast schon wütend beides für diesen Mist vergeudet zu haben!
Philip
Gestern gesehen und hallt immer noch nach. Für alle, die ihre Sehgewohnheiten herausfordern möchten. Absolut sehenswert. Verstörend und witzig.
tom pisa
Maximale Langeweile. Maximal und extrem schlecht zusammengeklaut (nie zitiert) von u.a. Carpenter, Refn, Cronenberg, Jackson.
Gut nur, dass man beim Streaming auch vorwärts spulen kann.
Was für ein öder Murks. Komplette Zeitverschwendung.
3 Kommentare