The Souvenir – Part II – Kritik

Verarbeiten, um wieder arbeiten zu können. Arbeiten, um zu verarbeiten. Im zweiten Teil von Joanna Hoggs autobiografischem The Souvenir muss die Heldin nach dem Tod ihres langjährigen Partners einen Abschlussfilm drehen.

„You’re a human being with a life to live, that’s your job“, sagt die Therapeutin. Es geht ums Arbeiten und ums Verarbeiten im zweiten Teil von The Souvenir. Verarbeiten muss Julie (Honor Swinton Byrne) den Tod von Anthony (Tom Burke), ihrem langjährigen Partner in jener manchmal liebevollen, meistens aber eher selbstzerstörerischen Beziehung, die im Zentrum des ersten Teils stand. Arbeiten muss Julie an ihrem Abschlussfilm an der Filmhochschule.

The Souvenir Part II erzählt von Julies Versuch, diese beiden Dinge miteinander kurzzuschließen. Verarbeiten, um wieder arbeiten zu können. Arbeiten, um zu verarbeiten. Keinen Film über das Industrieproletariat von Sunderland will sie mehr drehen, sondern einen Film über ihre Beziehung zu Anthony. Die drei Professoren mit grauen oder gar keinen Haaren rümpfen die Nase über den Sinneswandel, und der Dreh gerät tatsächlich auf die schiefe Bahn. Cast und Crew sind zunehmend genervt von Julie, die ihr Innerstes zu veräußerlichen sucht, die ihren Schmerz umstandslos in Regieanweisungen übersetzt. Auch so eine Frage, die dieser Film stellt: Wie kommt das Leben ins Kino? Eine Antwort, die er findet: niemals unvermittelt.

The Souvenir Part II erzählt also nicht zuletzt vom ersten, gescheiterten Versuch, The Souvenir zu drehen. Der Film setzt den ersten Teil fort, kommentiert ihn aber auch. Mehr als dreißig Jahre liegen zwischen diesen 1980ern und der Gegenwart, in der Joanna Hogg das autobiografische Vorhaben glückt. Weil so ein Vorhaben vielleicht einfacher ist, wenn man schon längst eine andere ist, die Orte der Vergangenheit ohnehin nur noch Kulissen, die Menschen der Vergangenheit ohnehin nur noch Figuren.

The Souvenir, den man schließlich als einen Film mit zwei Teilen betrachten wird, ist wohl auch deshalb so großartig, weil eine Filmemacherin hier nichts mehr verarbeitet, sondern die Erinnerung an Erleben und Verarbeitung selbst in einen Film verarbeitet. Und dabei ganz beiläufig nachzeichnet, wie sie selbst zu der Filmemacherin geworden ist, die diesen Film machen konnte und wollte.

Ein Film à la Annie Ernaux: die eigene Geschichte nicht einfach gestehen, sondern zum Anlass nehmen, sich die Welt anzusehen.

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