The Smell of Us – Kritik

Neu auf DVD: Die Alten der Jugend zum Fraß vorwerfen: In seinem neuen Film The Smell of Us porträtiert Larry Clark eine Pariser Clique von Teenagern – und wäre am liebsten selbst die Nase, die in ihren Boxershorts schnüffelt.

Er selbst altert, nicht aber das Objekt seiner Begierde, das immer wieder erneuert wird, Generation für Generation, in einem unversiegbaren Strom. In The Smell of Us stehen wieder Jugendliche vor Larry Clarks Kamera, diesmal sind es Pariser Kids: Math (Lukas Ionesco), JP (Hugo Behar-Thinieres), Toff (Maxime Terin) und die anderen gehören einer losen Clique an; sie skaten, haben Sex, nehmen Drogen, einige gehen der Prostitution nach. Als Revier schenkt ihnen der Regisseur die unmittelbare Nachbarschaft des Palais de Tokyo, jenes bekannten Pariser Gebäudes, das zeitgenössische Kunst beherbergt. Dass The Smell of Us gleichgültig den Blick von den dort ausgestellten Werken abwendet, dass der Palast nichts anderes als Hintergrund ist, entspricht genau Clarks Vorhaben. Dieses ist, zum einen, bestimmt von der Idee der Jugend als purer Bewegung und Gegenwart, als etwas, das sich nicht einfangen, einordnen, einmauern, ausstellen lässt. Wenn Clark seine jungen Darsteller vor dem Palais skaten lässt, erhebt The Smell of Us diese Teenager zum Modernsten, zum Avantgardistischen, was es gibt; lässt den Palais wie die Ruinen einer antiken Stätte wirken, in der längst neues Leben gesprossen ist.

Jugend ohne Gott

Es geht aber nicht nur darum, diese Überholung in Szene zu setzen, sondern auch die Verachtung, die dieses neue Leben für das bestehende hat. In der allerersten Szene des Films benutzen die jungen Skater den reglosen Körper eines Penners als Hindernis. Es ist der Körper des Regisseurs selbst, und wie mit ihm umgegangen wird, gehört zum Prinzip dieses Films: der Jugend mit dem perfekten Körper den gealterten Körper wie abscheuliches Fraß vor die Füße zu werfen, auf dass sie ihn – wenn sie ihn denn eines Blickes würdigt – ausnutzt, demütigt, schändet. The Smell of Us: Wo es ein „wir“ gibt, gibt es die, die nicht „wir“ sind, gibt es die anderen. In The Smell of Us verläuft die Trennung messerscharf: auf der einen Seite die Jugend, der jugendliche Körper; auf der anderen das Alter, der alte Körper. Die Kamera rückt beiden ähnlich nah auf die Pelle. Bei ersterem kommt das einer Ehrerbietung gleich, einem Niederknien vor der straffen Haut, der unbändigen Kraft; bei letzterem einer Abwrackschau.

The Smell of Us montiert aber nicht einfach zwei Lebenswelten gegeneinander, verdichtet in den Körpern, die für sie stehen. Der Film ist ganz bei den Jungen, öffnet einen Raum, der nur ihnen gilt, interessiert sich nur für sie. Dass immer wieder alte Körper durch diesen Raum torkeln, liegt daran, dass diese Körper – genau wie der ganze Film – nach den Jungen lechzen: „Rockstar“ (Larry Clark), der Penner, sucht die Gesellschaft der jungen Skater; die Freier zahlen für die sexuelle Gunst von Math, JP und den anderen; in ihrem einzigen Auftritt treibt selbst Maths Mutter (Dominique Frot) inzestuöse Begierde nach dem perfekten Körper ihres Sohnes. In The Smell of Us treten Erwachsene lediglich als gierige Vampire auf, durstend nach etwas, das sie nicht mehr haben können. Als Garanten oder gar Gestalter einer Ordnung haben sie längst ausgedient. Die lose Clique in The Smell of Us lebt nach ihren eigenen Regeln, treibt ihr Unwesen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Jugend ohne Zeit

Das Vergnügen, diese Teenager ungestraft gewähren zu lassen, steht Clarks Film ins Gesicht geschrieben, ebenso das Vergnügen, sie sich in ihren eigenen Räumen bewegen zu lassen. The Smell of Us meidet Schule und Elternhaus, meidet aber auch jede andere Einordnung in Systeme, die zeitlich über die eigene Person hinausweisen. In The Smell of Us scheinen die Dinge auf ewig festgefahren, spricht man nicht über die Zukunft, über das, was „danach“ kommt. Denn es gibt hier kein „danach“, obwohl – zum einen – „danach“ in Gestalt all der alten Vampire lugt und – zum zweiten – genau dieses „danach“ in fast jeder Szene hypothekarisch belastet wird: Clarks Film ist eine lange Aneinanderreihung selbstzerstörerischen Verhaltens, vom Alkohol über Drogen bis hin zur Prostitution, die in diesem ein wenig nihilistischen Film von einem der Beteiligten dann doch als belastend bezeichnet wird.

Kino aus dem Schritt

Dass dieses leinwandfüllende „Us“ im Titel über den unmittelbarsten der menschlichen Sinne angekündigt wird, einen Sinn, den das Kino allenfalls suggestiv bedienen kann, passt wunderbar zu einem Film, der so nah wie nur möglich an seinen jungen Darstellern sein will, am liebsten selbst die Hand wäre, die lässig in die Boxershorts rutscht und den Bund lüftet, am liebsten selbst die Nase wäre, die darin schnüffelt. The Smell of Us vergöttert den jungen, männlichen Körper. Mag das Alter in diesem Film durchweg gescholten werden – durch sein Auge erst wird die Schönheit dieser Körper hier zum Film.

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