The Saint Bernard Syndicate – Kritik
Filmfest München 2018: Der Doku-Satiriker Mads Brügger kehrt nach sieben Jahren Pause mit der semi-fiktionalen Komödie The Saint Bernard Syndicate zurück. Darin reisen zwei Dänen nach China, um der wachsenden Mittelschicht Bernhardiner schmackhaft zu machen.

In China essen sie keine Hunde. Jedenfalls nicht in jenen Kreisen, in die Taugenichts Frederik (Frederik Cilius Jørgensen) und Matratzenverkäufer Rasmus (Rasmus Bruun) vorstoßen wollen. Beim Einstellungstest in Chongqing lassen sie eine junge Frau, die sich als Übersetzerin bewirbt, gleich mal einen Brief an den chinesischen Präsidenten schreiben. Die sabbernden Bernhardiner – auch „Pandas of the West“ genannt – wollen sie ihm und anderen wohlhabenden Chinesen nicht als Hauptgericht präsentieren, sondern als Prestigeobjekt. „Big – Royal – Cute“, so steht es in der Hochglanz-Broschüre, die Frederik und Rasmus verteilen. Das Problem: Die beiden brauchen einen chinesischen Investor für ihre angedachte Zuchtfarm, haben aber leider weder Ahnung von Hunden noch von Betriebswirtschaft oder Marketing. Außerdem können sie einander nicht ausstehen, das Geld ist knapp, und bislang haben sie nur einen einzigen Bernhardiner in ihrem Besitz – einen geklauten.
Zwischen Lakonie, Klamauk und Tragik

Eine Buddy Comedy ohne Buddys, so bezeichnet der dänische Regisseur Mads Brügger The Saint Bernard Syndicate. Schließlich hat Frederik seinen Mitschüler Rasmus früher im Internat gemobbt – und auch 30 Jahre später kommen Großkotz Frederik und der etwas gehemmte Albino Rasmus nicht miteinander klar. Angesichts von zwei Dänen in China könnte man natürlich auch von einer „Fish-out-of-water-Comedy“ sprechen – und eigentlich ist Brüggers dritter Film zugleich ein verzögertes Coming-of-Age-Drama über zwei Männer, die zwar älter, aber nie so recht erwachsen geworden sind. Der Film lebt über die gesamte Spielzeit von seiner Situations- und Dialogkomik, verlagert aber mehrfach seinen atmosphärischen Schwerpunkt: In der ersten Hälfte dominiert lakonisch-schwarzer Humor, während der zweite Teil Klamauk und Tragik vermischt. Gerade das tragische Moment wirkt mitunter etwas deplatziert – als habe Brügger sich erst mitten in der Produktionsphase an die alte Weisheit erinnert, dass fast jeder guten Komödie Tragik innewohnt. Zudem ist so manchem Witz anzumerken, dass er mit unbedingtem Provokationswillen gescriptet wurde.
Der Stuntman unter den Regisseuren

Wesentlich stärker waren Brüggers bisherige Filme: zwei Dokumentationen, in denen er situationsbedingt deutlich weniger Einfluss auf den Verlauf und die Dialoge hatte als in The Saint Bernard Syndicate. Für The Red Chapel(2009) war er mit zwei koreanischstämmigen Dänen durch Nordkorea gereist, um bizarre Theaterstücke aufzuführen, die Vertreter des humorlosen Regimes in Pjöngjang auch noch brav beklatschen mussten, weil Kameras den Besuch der Ausländer begleiteten. Im grandiosen Film The Ambassador (2011) begab sich Brügger gar in Lebensgefahr, indem er dem Staat Liberia einen Diplomaten-Titel abkaufte, um mit versteckter Kamera – und umgeben von skrupellosen Schwerkriminellen und Kriegsverbrechern – den Handel mit Blutdiamanten zu dokumentieren. Beide Werke sind stark von einem Making-of-Charakter geprägt: Sie erlauben dem Publikum, bei hochriskanten Produktionen hinter die Kulissen zu schauen – das Filmhandwerk wird selbst zum Gegenstand des Films.
Guerilla-Taktik in China

Im semi-fiktionalen The Saint Bernard Syndicate ist nun allein die Handlung zu sehen. Dabei wäre auch hier der Blick hinter den Vorhang mindestens genauso interessant gewesen, denn Brügger hat den Dreh „guerilla style“ umgesetzt – ohne Genehmigungen. Um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf dieses gewagte Experiment zu ziehen, blieb der Regisseur in Dänemark, ließ sich die Aufnahmen jeden Tag online zuschicken und besprach das weitere Vorgehen über (das inzwischen in China verbotene) Skype mit seinen zwei Schauspielern und dem Kameramann. Der Großteil der restlichen Beteiligten war hingegen nicht eingeweiht – ihnen wurde vorgegaukelt, dass Frederik und Rasmus tatsächlich in den Bernhardiner-Handel einsteigen wollen und von einer Kamera begleitet werden, damit sie ein Corporate Video erstellen können. Diese Täuschung kann sehr amüsant sein, etwa wenn eine groß angelegte Eröffnungsfeier mit Show-Einlagen vor realen Besuchern grandios scheitert.

Problematisch wird das Ganze aber immer dann, wenn chinesischen Bürgern möglicherweise Repressalien wegen ihrer unwissentlichen Teilnahme an einer satirischen Produktion drohen – oder wenn zwei junge Frauen von Frederik und Rasmus gefeuert werden und das eben nicht nur im Film geschieht, sondern ganz real. Wie schon in The Ambassador rechtfertigt sich Brügger nie für seine moralisch mitunter fragwürdigen Aktionen, sondern überlässt die ethische Bewertung dem Publikum. Bei den zwei vorherigen Werken stand sein gelegentlich dubioses Vorgehen allerdings noch im Dienst politischer Subversion – in The Saint Bernard Syndicate jedoch werden mehrere Chinesen rein zu Unterhaltungszwecken zu Spielbällen des Regisseurs.
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