The Retaliators – Kritik

Gegen das Schlechte in der Welt: Der Hardrock-Rachethriller The Retaliators wartet mit einer beeindruckenden Mischpoke berühmter Musiker auf Bild- und Tonspur auf. Die Frage, wann ein Mann denn nun ein Mann ist, beantworten Samuel Gonzales Jr. und Bridget Smith dagegen denkbar einfach.

„When do the sins of a good man make him bad?”, raunt eine körperlose Stimme, während die Kamera über die Baumwipfel eines grauen, stummen Waldes schwebt. Wann machen seine Sünden einen guten Mann zum schlechten Mann? Eine Frage, die an sich schon etwas unsinnig ist. Immerhin präsentiert uns The Retaliators damit schon früh seine drei wichtigsten Themen: „Sünde“, Moral … und „Mann“.

Schwäche oder Deeskalation?

Kurz darauf lernen wir den blutjungen Provinzpastor Bishop (Mike Lombardi) kennen, der an einem kühlen Adventstag mit seinen Töchtern Sarah (Katie Kelly) und Abbie (Rebecca Bishop) den lokalen Weihnachtsbaumverkauf besucht. Bishop ist seit dem Tod seiner Frau vor einigen Jahren alleinerziehender Vater. Der Verlust wiegt schwer auf der Familie; Sarah geht regelmäßig in Therapie, unter den wachsamen Blicken ihres Vaters, der seine Töchter um alles in der Welt beschützen will. Als Bishop kurz nicht aufpasst, reißt ein rücksichtsloser Macho seiner Tochter den sorgsam ausgewählten Weihnachtsbaum aus der Hand und beansprucht ihn für sich.

Wer tut so etwas?, fragen sich Bishop und das Publikum. Höflich spricht er den Fremden an, aber der stößt ihn gewaltsam von sich und stapft mit seiner Beute davon. Beschämt schaut Bishop zu seiner Tochter, enttäuscht schaut sie zurück. Schwäche, ruft der Film mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Bishop hinab. Deeskalation, würden andere dazu sagen. The Retaliators bricht die Frage danach, wie ein moderner Mann zu sein hat, auf zwei Möglichkeiten herunter: gottesfürchtiger Patriarch oder skrupellose Gewaltmaschine. Am Ende seiner blut- und testosteronschwangeren neunzig Minuten findet der Film seine Antwort: Warum nicht beides?

Zwischen Grindhouse und Christploitation

Dabei gibt es eigentlich eine Menge zu bewundern an diesem Film. Der Rachethriller aus der Feder von Darren und Jeff Allan Geare und unter der Regie von Samuel Gonzales Jr. und Bridget Smith ist offensichtlich mit sehr geringen Mitteln entstanden. Erstaunlich ist deshalb, wie groß und vielfältig die Welt ist, die der Film bespielt. Unzählige Orte, Zeitebenen und Milieus werden angerissen in einem Cocktail aus Ein Mann sieht rot (Death Wish, 1974) und Tarantino-Sprech. The Retaliators versteht sich als Hardrock-Film; dafür hat das Team eine beeindruckende Mischpoke berühmter Musiker angeheuert. Five Finger Death Punch und The Hu steuern zum Soundtrack bei, Jacoby Shaddix von Papa Roach spielt einen psychopathischen Mörder und in einer Szene streckt Tommy Lee von Mötley Crüe sein Gesicht in die Kamera. Das Gemisch aus geringem Budget und hohen Ambitionen verleiht dem Film eine Ästhetik, die irgendwo zwischen dem matschigen Neon des Grindhouse und der platten Sterilität amerikanischer Christploitation-Filme aus dem „christlichen Netflix“ Pure Flix liegt. Eigentlich verspricht The Retaliators also eine Menge trashigen Spaß.

Der Rachethriller legt denn auch so richtig los: Als unfreiwillige Zeugin eines Verbrechens wird Sarah von Gangbanger Ram (Joseph Gatt) im See ertränkt. Angetrieben von Trauer und Zorn, schwört Bishop, den Mörder seiner Tochter ausfindig zu machen. Das ruft den zwielichtigen Polizeiinspektor Jed (Marc Menchaca) auf den Plan, der seine ganz eigene Vorstellung von Gerechtigkeit hat: Im Keller seines Hauses hat er ein Folterverlies gebaut, in dem er seit Jahren den kriminellen Abschaum der Gegend einfängt und foltert.

Das Schlechte ist das Andere

Der zunehmend wirre Plot ist dabei sogar eine Stärke des Films, der seine zahlreichen Fäden mühelos in der Hand hält. Das große Problem hingegen ist sein erzkonservatives Weltbild, das immer wieder zwischen Stripperhaut und Devil Horns hindurchschimmert. Frauen sind hier entweder Prostituierte oder hilflose Maiden. Die wenigen, die einen Namen haben, sind Plot-Futter, um zuerst brutal ermordet und dann von Männern gerächt zu werden. Hätte Bishop seiner Tochter an jenem Abend nicht größere Freiheiten zugestanden, wäre sie ihrem Mörder immerhin gar nicht erst in die Arme gerannt. Ja, The Retaliators ist ein wenig wie Mandy (2018) für konservative US-Republikaner.

Wie kann der Mann seine Familie gegen all das Schlechte in der Welt schützen, fragt der Film. Das Schlechte ist in The Retaliators aber natürlich keine reale Instanz – nicht Polizeigewalt oder Armut, kein empathieloser Staat, keine Ungerechtigkeit oder Ausbeutung. Stattdessen schiebt der Film dieses Schlechte so weit wie möglich auf ein vages, gallertiges Anderes. Um die Vergeltungsschläge seiner Figuren zu rechtfertigen, zeichnen Gonzales Jr. und Smith ein Alptraum-Amerika, in dem es auf den Straßen vor Vergewaltigern wimmelt und Meth schnupfende Gangs sich in neonbeleuchteten Gassen die Köpfe einschlagen. Am Ende greift der Film schließlich in die Zombie-Kiste und lässt seinen Helden gegen die aus dem Folterkeller ausbrechenden Kriminellen als eine gesichtslose Horde antreten, die es mit Äxten und Macheten zu zerlegen gilt. Er legt den Sumpf trocken, könnte man auch sagen.

Jede ehrliche Frage des Films nach Ethik und Moral glitscht an seiner blutigen Oberfläche ab. Das muss eigentlich kein Problem sein – Filme dürfen prätentiös sein, sie haben ein Recht dazu! Aber wir leben nun mal in einer Gegenwart, in der politische und soziale Kräfte auf das Verwischen alter Fronten reagieren, indem sie Feindbilder fabrizieren und zur Selbstjustiz aufrufen. Da stößt es einem dann sauer auf, wenn ein Film behauptet, man begegne einer unwirtlichen Welt am besten, indem Mann noch fester zuschlägt.

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