The Report – Kritik
Auch Gefühle sind nur Fakten: Scott Z. Burns’ The Report dreht sich zwar um Folter und Gerechtigkeit, wird richtig emotional aber nur, wenn es um den Glauben an Institutionen geht.

Daniel Jones (Adam Driver) wird nahegelegt, keine Emotionen zu zeigen, als er von der demokratischen Senatorin Dianne Feinstein (Annette Bening) den Auftrag erhält, die Vorgänge im Gefangenenlager Guantanamo zu untersuchen. Die CIA, die Republikaner, jeder, der etwas gegen die Untersuchung hat, würde sich darauf stürzen. Er sei nicht sachlich, würde es dann heißen, nicht unparteiisch, seine Ergebnisse unbrauchbar. Im Laufe von Scott Z. Burns’ The Report werden sie aber stets im Mittelpunkt stehen: die Emotionen.
Gefühle und Tatsachen

Zuvorderst sind da Daniel Jones’ eigene Gefühle. Die Empörung gegenüber dem, was er da aufdeckt: die Gewalt, die Sinnlosigkeit, die Vertuschungen und Lügen, die Dreistigkeit derjenigen, die schuldig geworden sind. Die Folter, die von den Ausführenden zu „enhanced interrogation techniques“ umgetauft wurde, stellt sich bei der Untersuchung von Dokumenten und Mails der CIA als unnötig und ineffektiv heraus – nichts, was in Guantanamo geschah, führte zu Osama Bin Laden –, als verfassungswidrig zudem, als sadistischer Selbstzweck. Es sind Dinge, die einen nicht kalt lassen können. Weshalb es eben auch um unsere Gefühle als Zuschauer geht, die mit hochmoralisch aufgeladenen Tatsachen konfrontiert werden.

Erzählerisch macht The Report seinem Namen dabei alle Ehre. Im Mittelpunkt steht nicht die Moralisierung, sondern das Aufarbeiten. Recherchen, Besprechungen und Verhandlungen bilden das Rückgrat des Films; Büros, Akten und Computer den Hintergrund. Die Entstehung des tatsächlichen „Torture Report“ des tatsächlichen Daniel Jones wird nachgezeichnet. Und anders als zuletzt in Die Verlegerin (The Post, 2017) – in dem Spielberg den administrativen Kampf für das Gute in dramaturgisch und optisch hochgejazzte Entscheidungssituationen packte –, bleibt das Geschehen hier nüchtern. Sich ausdrückende Gefühle sind in diesem fast schon asketischen Procedural nur ein weiteres Ding, das in die Abfolge von Ermittlungen eingereiht wird.
Die USA als Utopie

In der ersten Hälfte des Films nehmen die Erkenntnisse der Recherche einen größeren Raum ein. Sie werden als Rückblenden dramaturgisch eingebettet. Da das Washington der Schreibtische und Kammern hier verlassen wird und es tatsächlich um Affekte geht, um schwer verdauliche Fetzen von Waterboarding und anderen Gewalttaten, sind die verknappten Fakten eines 7000-seitigen Berichts das Blumigste von The Report. Die zweite Hälfte konzentriert sich auf die Widerstände gegen die Veröffentlichung des Berichts, vor allem von Seiten der CIA. Hier wird zunehmend offenbar, dass der illegale und inhumane Vorgang in der Exekutive der USA sowie dessen verlogene Rechtfertigung, dass dieser ganze Aufhänger, der nichts unversucht lässt, den Zuschauer emotional zu binden, lediglich ein MacGuffin ist.
Mehrmals sehen wir Daniel Jones nachdenklich vor dem Senat, und auf der Tonspur sind die Trommelwirbel des Unabhängigkeitskampfes zu hören. Vor dem Abspann wird das Gesehene noch mit einem Zitat von George Washington kontextualisiert. Es geht um nicht weniger als um den Glauben an die USA als Utopie. Und damit geht es auch um die Demokratie an sich. Die Emotionalität, die The Report entwickelt, findet sich hier: in der Spannung zwischen Idealismus und Pragmatismus, zwischen dem Erkennen einer himmelschreienden Ungerechtigkeit, gegen die vorgegangen werden muss, und dem Wissen darum, dass in den zäh mahlenden Mühlen der Politik jeder Schritt schwer umkämpft sein wird.
Gerechtigkeit und Besonnenheit

Mittels eines Zerrissenen erzählt Burns von dieser Spannung. Daniels Sinn für Gerechtigkeit möchte nämlich alles so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit bringen. Der enorme Widerstand dagegen lässt ihn verstärkt mit dem Gedanken spielen, Whistleblower zu werden. Seine Besonnenheit möchte hingegen alles richtig machen, möchte sich nichts zuschulden kommen lassen, möchte seinen Report nicht durch eigene Fehltritte wirkungslos werden lassen. Gefühle entwickelt The Report folglich nicht in Wutreden und bedrohlichen Situationen, sondern in Momenten des Zweifels, der noch die überzeugteste Tat Daniels befällt. Wenn sich die Kamera beispielsweise auf Daniels versteinertes Gesicht konzentriert, als ein CIA-Dokument in einer Anhörung auftaucht und alle, die wissen, dass es nur von ihm kommen kann, sich nach ihm umdrehen.
Burns unterstreicht nicht, sondern häuft an. Der Film befindet sich in ständiger Anspannung und zeigt dabei ein Washington, das starr und umkämpft ist. Wo alles zu versacken droht. Wo noch die dreisteste Lüge Gewicht hat. Wo sich Verbrecher hinter ihrer Macht und dem Grundsatz verschanzen können, dass jeder unschuldig ist, bis das Gegenteil bewiesen ist. Demokratie ist in The Report eine enervierende Sache, weil Gewaltenteilung hier heißen muss, dass nicht das Individuum entscheidet, egal wie sehr es sich im Recht fühlt.
Grau in Grau mit säuselnder Musik

Schon zu Beginn in einem Bewerbungsgespräch Daniels bekommen wir zu hören, wie die Mitarbeiter das reparieren müssen, was Präsident Bush und Dick Cheney anrichten. Voller gegenseitiger Blockaden ist das Geschehen. In Zeiten eines impulsiven Präsidenten mit zuweilen absurden Einfällen erweist sich aber auch als Segen, dass das Handeln der Einzelnen gegenseitiger Kontrolle unterliegt. Der dem zugrunde liegende Idealismus findet sich nicht in der Kraft der Vergeltung oder der Schaffung einer perfekten Welt. Am Ende geht es in The Report nicht um die Bestrafung der „Bösen“, nicht um die Vertreibung der Verantwortlichen aus Amt und Würden, sondern darum, den Institutionen der USA zu vertrauen. Das Ideal: es nicht denen gleich zu tun, die das Unrecht verantworteten und sich über die Gewaltenteilung erhoben haben, sondern eben diese Gewaltenteilung zu stärken. Womit The Report trotz seiner Ansammlung von Desillusionen nicht zynisch wird, sondern sich in viele Filme des klassischen Hollywoods (Mr. Smith Goes to Washington beispielsweise) einreiht, die von der demokratischen Utopie der USA kündeten.
Hier kommt die andere ständig auftauchende Form von Emotionen ins Spiel. Diejenigen, welche der Bericht angeht, die, vor denen Daniel keine Emotionalität zeigen soll, sie lassen keine Chance aus, selbst emotional zu werden. Wie in einem Reflex stürzen sie sich ins Pathos. Alles was sie taten und tun, es diene nur der Gerechtigkeit für die Opfer vom 11. September. Wie ein Schutzschild tragen sie diese Einforderung von Gefühlen mit sich herum. Doch nach und nach, wie nebenbei, offenbart sich, welche Angst und Schuld sich dahinter befindet – und dass die sadistischen „enhanced interrogation techniques“ eben nur blinder und emotionaler Aktionismus waren.
The Report ist deshalb größtenteils so grau in grau, weil das Ideal in der harten, bodenständigen Arbeit liegt und nicht in den großen Taten. Diese aber wiederum sind das einzige, das Burns nicht einfach dokumentiert. Der selbstnegierende Kampf für das Richtige durch alle Instanzen wird vielmehr voller Pathos dargestellt, mit säuselnder Musik und gefühligen Gesten. Hier möchte The Report Helden verstanden wissen.
Neue Kritiken

The Mastermind

Tron: Ares

Chained for Life

A House of Dynamite
Trailer zu „The Report“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (9 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.