The Proposition - Tödliches Angebot – Kritik
Zwei Brüder sitzen im Sonnenschein vor einem öden Land. „I know why you have come back“ sagt einer zum anderen. Der Tod liegt in der vibrierenden Luft. Am Ende sitzen die beiden Brüder wieder zusammen.

Völlig unerwartet durchbohrt der Pfeil eines Eingeborenen sein Opfer. Im nächsten Moment wird dem Bogenschützen das Gehirn weggeschossen.
Gewalt im Film hat ihre Wurzeln im frühen amerikanischen Western. Der Gangsterfilm Bonny und Clyde (Bonny and Clyde, 1967) und Sam Peckinpahs Western The Wild Bunch (1967) haben die Darstellung von Gewalt im Kino maßgeblich verändert. Beide Filme kreisen thematisch um die moralische Ambivalenz ihrer Protagonisten – jeweils Outlaws, die sich von den Normen ihrer Gesellschaft distanziert haben, innerhalb der eigenen Gruppe jedoch einem besonderen Kodex folgen. Die von ihnen ausgeübte und im Shootout, dem finalen Momentum des Western, selbst erfahrene Gewalt, ist äußerst graphisch und gleichzeitig extrem stilisiert. Quentin Tarantino, ein großer Liebhaber des Italowestern, der seinerzeit mit seinen amoralischen Outlaws und exzessiver Gewalt einen großen Einfluss auf Peckinpah ausübte, hat die Gewaltästhetisierung im Weltkino seit den neunziger Jahren im Besonderen geprägt. Seine Filme funktionieren deswegen so effektiv, weil sie ihre filmhistorischen Referenzen klar ausstellen und sich immer wieder auf die mythischen Dimensionen der Gewaltausübung beziehen. Wenn Bruce Willis in Pulp Fiction (1994) vor dem Gewaltakt steht, eine Waffe sucht und seine Wahl zunächst auf einen Baseballschläger, dann eine Kettensäge, und schließlich ein Samuraischwert fällt, ist die Assoziationskette enorm. Hier geht es nicht mehr primär um den Akt der Gewalt, sondern um die Form und um das, was sie symbolisiert. Jüngere Filme scheitern immer wieder pompös, wenn sie sich Tarantinos Stil zu eigen machen wollen, die tradierte Form der Gewalt jedoch missinterpretieren. Jüngstes Beispiel ist der hoffnungslos überfrachtete Smokin´Aces, bei dessen Shootout ebenfalls einer Kettensäge eine große Rolle zukommt.

The Proposition – Tödliches Angebot (The Proposition) beginnt gleich mit einem Shootout. Doch hier gibt es keine Zeitlupenästhetik. Die Kugeln zischen und schon ist es vorbei. Die sich eben noch verteidigenden australischen Brüder Charlie (Guy Pearce) und Mike sitzen in ihrem Unterschlupf gefangen. Verhört werden sie von Morris Stanley (Ray Winstone), einem Offizier aus dem britischen Königreich. Er hat Charlie, dem älteren der beiden, einen Vorschlag zu machen: das Leben des flüchtigen, zur bestialischen Gewalt neigenden, Bruders Arthur gegen das des jungenhaft unschuldig wirkenden Mike. „I want Arthur Burns“ verkündet Morris unmissverständlich und schlägt den gefesselten Mike, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen. „I want you to kill your brother“.
Morris spricht langsam, deutlich und betont. Er lässt keinen Zweifel daran, dass jene Uniform, die er trägt, ihn zu all dem was er tut, berechtigt. Vor allem aber klingt in jedem seiner Worte der Brustton moralischer Überzeugung mit. „I want to cilivilize this land“ sagt Morris nicht nur in diesem Moment, sondern noch an einer späteren Stelle des Films. Und tatsächlich merkt man ihm diesen Willen bei jeder seiner Taten an. Doch sowohl der pittoresk angelegte britische Garten inmitten der Ödnis, als auch die heimischen Bräuche zur Weihnachtszeit wirken umso deplazierter, je brutaler die Geschehnisse vor seiner Grundstückspforte werden. Nicht umsonst verbietet er seiner Frau Martha, ihn in der Stadt und an seinem Arbeitsplatz, dem Gefängnis, aufzusuchen. Er möchte ihr eine Oase bieten, die so irreal ist, dass dieses Traumbild schließlich platzen muss. Dass ausgerechnet Martha selbst das Unheil heraufbeschwört, indem sie sich nur für einen einzigen Augenblick gegen ihren Mann stellt, ist tragisch. Überhaupt trägt The Proposition von Beginn an die Züge einer Tragödie und es ist zweifellos die des Morris Stanley.

Ray Winstone ist die Garantie dafür, dass diese Konzeption aufgeht. Der Londoner, ein ehemaliger erfolgreicher Amateurboxer, machte 1977 mit der Rolle des gewalttätigen jungen Carlin in Scum auf sich aufmerksam. Lange blieb er dem Fernsehen verhaftet, vor allem in Serien wie Robin Hood (Robin of Sherwood, 1984-86), ehe er 1997 für Gary Oldmans Regiedebüt Nil by Mouth eine unvergleichliche Tour de Force vor der Kamera ablieferte. Zwei Jahre später wiederholte er diese ungemein intensive, körperliche und bedrohliche Schauspielleistung in einem weiteren Schauspieler-Regiedebüt: Tim Roths The War Zone. Seitdem hat er sich vor allem auf Nebenrollen in großen britischen, europäischen oder amerikanischen Produktionen spezialisiert, wie zuletzt Martin Scorseses The Departed. Ähnlich ergeht es Danny Huston, der hier Arthur Burns ein Gesicht verleiht und dem Altmeister John Hurt. Komplettiert wird dieses britische Starensemble von Guy Pearce, bekannt vor allem durch seine Rolle in Memento (1999), der auch schon in den beiden Hollywood-Großproduktionen Monte Christo (The Count of Monte Christo) und The Time Machine (beide 2002) Hauptrollen übernahm, sowie Emily Watson.
Unter der Regie des Australiers John Hillcoat prägen die britischen Charakterdarsteller nun einen Genrefilm, der einem gleichsam präzisen wie poetischen Drehbuch Nick Caves folgt. Die einprägsamen Dialoge sind dabei filigran und effektiv in die Bildsprache eingebunden. „I have never seen such a sickening sight“ sagt Morris über die jüngsten Gräueltaten von Arthur Burns. Diese Worte hallen in Charlies Gedächtnis, als er an den frisch aufgeschütteten, mit weiß gestrichenen Holzkreuzen versehenen Gräbern der Familie, die sein älterer Bruder abgeschlachtet hat, vorbeireitet. Morris spricht von einem ungeborenen Kind und Charlie öffnet die Tür des verwaisten Opferhauses, um eine Wiege zu sehen.

The Proposition präsentiert sich in satten Farben, die kräftige Sonne scheint manchmal gar die Innenräume gespenstisch in goldbraunen Tönen zu illuminieren. Während Charlie in den Bergen seinen älteren Bruder sucht, überwacht Morris den jüngeren im Tal. Hillcoat inszeniert diese beiden Stränge wie eine lang gedehnte Parallelmontage, die sich kreisförmig und unerbittlich der finalen Wiederbegegnung nähert. Diese Zusammenführung wird audiovisuell bereits vorweggenommen, wenn der Gesang der einen Erzählung die Bilder einer Folterung aus der anderen begleitet. Erst als das Blut aus der Peitsche gewrungen wird, gehen die Schaulustigen. Morris Stanley weiß, was die Stunde geschlagen hat. Er verbarrikadiert sein Haus.
Diese Handlung ist gerahmt von Titelsequenzen, die historische Schwarzweißbilder von Aborigines zeigen und in ihrem Gestus an die Abspänne der Lars von Trier Filme Dogville (2003) und Manderlay (2005) erinnern. The Proposition, in dem immer wieder von „godforsaken places“ die Rede ist, erzählt auch die Geschichte einer doppelten Kolonialisierung: jener der Briten und jener der Weißen.
Dieser australische Spiegelblick auf die Indianerproblematik der amerikanischen Western verleiht einem nur noch marginalen Genre eine Frische, die kaum noch für möglich zu halten war.
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