The Power of the Dog – Kritik

Kodi Smit-McPhee lässt Benedict Cumberbatch an einer Zigarette ziehen, der begleitet Kirsten Dunst ungefragt auf dem Banjo. Über Blicke und Gegenstände loten die Figuren in Jane Campions Western The Power of the Dog die Machtverhältnisse aus.

Zu Beginn reiten zwei ungleiche Brüder neben ihrer Rinderherde und sinnieren darüber, dass sie schon 25 gemeinsame Jahre auf der Ranch verbracht haben. „That’s a long time“, murmelt der auch im Staub stets akkurat gekleidete, behäbige George (Jesse Piemons). „Not too damn long“, widerspricht der ungewaschene Phil (Benedict Cumberbatch), wie stets in standesgemäßer Cowboymontur. Ginge es nach ihm, hätte die Welt auf ewig in diesem Zustand zu verharren, eine Welt, die er in The Power of the Dog mit bösartiger Energie verteidigen wird, auch wenn nichts darauf hindeutet, dass er gerne in ihr lebt.

Im hüftsteifen Westen

Der sich gegen die fortschreitende Zivilisierung aufbäumende Wilde Westen ist in Jane Campions 1925 spielenden Film längst kein kraftstrotzender mehr, eher ein hüftsteif durch die Gegend staksender. Phil beherrscht sein Handwerk, hat seine Männer im Griff und verlangt von jedem Unterwerfung. Aber in seinem stets die Konfrontation suchenden, bohrenden Blick scheint auch ein Sehnen zu liegen, statt Willfährigkeit endlich einen Widerstand geboten zu bekommen, der stark genug ist, ihn aus seiner selbstauferlegten Fesselung zu befreien. Wie wir bald erfahren, hätten ihm auch andere Wege offen gestanden. Doch bis jemand kommt, der seinem Machtanspruch weder ausweicht noch nachgibt, wird es eine Weile dauern.

Da ist zunächst sein Bruder George, von ihm verächtlich „Fatso“ genannt, der sich allmählich von ihm wegbewegt, lieber im Auto als im Sattel unterwegs ist und das womöglich seit Kindertagen mit dem Bruder geteilte Schlafzimmer verlässt, um die Witwe Rose (Kirsten Dunst) zu heiraten. Für den halbherzigen Versuch, Phil wenigstens für den Antrittsbesuch von Eltern und Gouverneur zu einem Bad zu überreden, wird er sich entschuldigen und den Bruder dann resigniert seiner Relikthaftigkeit überlassen, ihn im Schuppen sitzen lassen, in dem Phil an einem Schrein mit Sattel und Sporen dem längst verstorbenen Ziehvater und Idealcowboy Bronco Henry auf ewig huldigt.

Da ist Rose, unerwünschter Fremdkörper im Haus, die vor Phils Begehr, ihr das Leben zur Hölle zu machen, in den Alkoholismus fliehen wird. Und da ist schließlich Rose’ Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee), ein spindeldürrer Medizinstudent mit so weibischen Hobbys wie dem Basteln von Papierblumen, ein scheinbar besonders leichtes Opfer – doch bald wird sich zeigen, dass sein Blick nicht nur beim Sezieren toter Kaninchen jedes Detail registriert.

Unheilvolle Männlichkeitsvorstellungen

Das sich im Film mehrmals verschiebende Machtgefüge zwischen den vier Hauptfiguren lotet Jane Campion mit ruhiger Beharrlichkeit aus. Mit dem Unruheherd Phil im Zentrum ist das, gewiss, ein Film über unheilvolle Männlichkeitsvorstellungen, doch lassen sich Campion und ihr großartiger Hauptdarsteller viel zu genau auf die komplizierte Gefühlswelt dieser Figur, auf ihre Verstrickung ein, als dass sich die Verfilmung des Thomas-Savage-Romans allzu leicht als Stichwortgeber für aktuelle Diskurse vereinnahmen ließe.

Zumal auch der sanftmütige George als positive Gegenfigur nur sehr vordergründig taugt. In der von ihm angestrebten Verbürgerlichung liegt für seine Gattin kein Glück – ein kurzer, anrührender Moment in Form eines schüchternen Tanzes vor der Bergen Montanas (allerdings in Neuseeland gedreht) ist ihr gegönnt, aber schon dort wird Georges Ergriffenheit mehr dem Umstand gelten, nicht mehr allein zu sein, denn ihr als Person. Auf der Ranch wird es kaum einen Moment geben, in dem sie nicht einsam ist, Kirsten Dunst spielt das mit bedrückender Intensität.

Phils Angriffe gegen Rose kulminieren in einer grandiosen Szene, in der er ihre ohnehin ungelenken Versuche, den Radetzkymarsch auf dem Piano zu üben, durch seine Banjobegleitung aus dem oberen Stockwerk torpediert. Es ist dann der Ankunft ihres Sohnes zu verdanken, dass er von ihr ein wenig ablässt. Erst, um auch ihn zu schikanieren, doch dann wird Peter zu Phils Überraschung als Einziger den Schatten des bellenden Hundes am Hügel gegenüber erkennen – die Initiation vor Broncos Gnaden, die vor ihm niemand bestand –, und während Phils Gehässigkeit daraufhin in Fürsorge umschlägt und er den jungen Mann das Cowboyhandwerk zu Pferde und am Lasso lehren will, wird Peter der Zerrissenheit, die hinter dem Gebaren seines Mentors steckt, bald auf die Spur kommen.

Machtverhältnis auf der Kippe

Ein Blick auf in einer Truhe versteckte Magazine mit nackten Männern lässt ihn dessen Begehren entdecken, ein Blick auf Phils nackten Rücken beim Bad im Fluss seine Verletzlichkeit. Im Folgenden wird es um das Fertigen eines Lassos aus Tierhäuten gehen, wie in diesem Film die Figuren überhaupt mehr als über Dialog über Blicke und Gegenstände kommunizieren. Das Umkippen des Machtverhältnisses fängt Jane Campion in der sinnlichsten Szene dieses stillen, kraftvollen Films ein, in der sich die beiden Männer eine Zigarette teilen. Peter gibt sie nicht einen Moment aus der Hand, sondern führt sie, untermalt von Jonny Greenwoods ahnungsvoller Partitur, erst langsam an Phils Mund und nimmt anschließend selbst einen langen Zug, sein schwach gewordenes Gegenüber genau taxierend; die über den feingliedrigen, langen Fingern im Halbdunkeln funkelnden Augen sind sich dieses Gegenübers und der Situation ganz und gar gewiss.

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Kommentare


Felice

Die in jüngerer Vergangenheit besonders unter Kulturjournalist*innen epidemisch ausgebreitete Unart bzw. Mode, immer wieder völlig unvermittelt in Inhaltsangaben ins Futur zu wechseln, ist (fast immer) so unnötig wie irritierend und den Lesefluss durcheinanderbringend; eine wahrhaft bizarre modische Erscheinung, die anscheinend eine besonders raffinierte oder intellektuell versierte Stilistik verkaufen soll. Mir ist jedes Mal unklar, warum Autor*innen freiwillig den Lesefluss ihrer Texte so unnötig ins Mühsame hinein dekorativ verzieren. Für die Lesenden ist es alles andere als ein Vergnügen.
So häufig und vollkommen übertrieben wie in diesem Text habe ich es allerdings bislang noch nicht erlebt. Jeder einzelne Absatz, der sich mit dem Inhalt des Films befasst, springt vollkommen übertrieben und verwirrend unvermittelt ins Futur, nur um dann wieder in eine andere Zeit zurück zu wechseln. Was soll der Quatsch? Warum das alles? Kann man das nicht sparen?

Warum z.B., wenn schon das unnötige Futur eingeführt wird, bleibt der Text nach „Auf der Ranch wird es kaum einen Moment geben, in dem sie nicht einsam ist…“ nicht konsequent und schreibt „Phils Angriffe gegen Rose werden in einer grandiosen Szene kulminieren. Es wird dann der Ankunft ihres Sohnes zu verdanken sein, dass er von ihr ein wenig ablassen wird.“ ??
Plötzlich aber kommt dann wieder das alberne Futur; warum aber heißt es jedoch nach „wird Peter der Zerrissenheit bald auf die Spur kommen“ nicht auch „Ein Blick auf versteckte Magazine wird ihn dessen Begehren entdecken lassen“ usw.?

Das ist einfach nur unnötig chaotisch und irritierend zu lesen. Liebe Kulturschreibende, schreibt doch diesen inflationären Futur-Einsatz mal wieder ein wenig runter. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten.






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