Geliebte Köchin – Kritik
Geliebte Köchin ist radikales Kochkino. Vergnüglich, romantisch, immer ein bisschen schelmisch.

Womöglich ist die Formel ganz einfach: Die französischen Stars Benoît Magimel und Juliette Binoche kochen gemeinsam in einem Film des Goldener-Löwe-Preisträgers Trần Anh Hùng, das reicht für den Wettbewerb von Cannes. Nur sollte man das positiv deuten, denn ohnehin sind es oft französische Stars, die radikale künstlerische Gesten in den Wettbewerb des wichtigsten Festivals heben, denkt man an Filme wie Valley of Love (2015), Frankie (2019) oder In Another Country (2012), um nur ein paar Beispiele mit Isabelle Huppert zu nennen.
Rustikale Provokation

Doch Geliebte Köchin (La passion de Dodin Bouffant) ist so leicht nicht zu kategorisieren. Vor allem nicht als radikale Kunst, obwohl er das durchaus ist. Zwar zeigt der aus dem Vietnam stammende französische Regisseur letztlich gut zwei Stunden lang Menschen beim Kochen. Gebettet ist dies aber durchaus in eine schlichte und eingänigge Liebesgeschichte. Während der Belle Époque finden wir uns im Anwesen des wohlhabenden Dodins (Magimel) wieder, der offensichtlich weder arbeiten muss noch Kosten scheut, um für sich und seine (männlichen) Freunde extravagante Menüs in der geräumigen Küche vorzubereiten. Mit seiner Köchin Eugénie (Binoche) unterhält er eine Liebesbeziehung, und die beiden gemeinsam in der Küche zu sehen verrät viel über ihre Beziehung: eingespielt, vorsichtig, höflich, leidenschaftlich, auch von einer gewissen Distanz und Spannung getragen, denn sie will ihn nicht heiraten.
Formal wechselt Geliebte Köchin zwischen einer sehr geschmeidigen, schwenkenden, der Handlung folgenden Kamera und einem ironischen Insistieren auf Blicke und Gesten. Trần Anh Hùng, bekannt für Der Duft der grünen Papaya (Mùi đu đủ xanh, 1993) und Cyclo (Xích Lô, Goldener Löwe 1995) hat einen Schweizer Roman aus dem Jahr 1924 adaptiert: La vie et la passion de Dodin-Bouffant, gourmet von Marcel Rouff. Die Kochkunst steht im Mittelpunkt und die Geschichte ist heutigen Kochduellen gar nicht mal unähnlich: Ein Prinz hat von Dodins Kunst und Geschmack gehört und will ihn mit einem 8-stündigen Essen beeindrucken. Als Revanche entscheidet sich Dodin für eine Provokation: das so rustikale und schlichte Gericht des Pot-au-Feus, bei dem Fisch, Fleisch und Gemüse in einem großen Topf zusammen kochen. Wer jetzt abschaltet, sucht sich seine Filme nach Themen aus.
Fetisch der gemeinsamen Praxis

Das Faszinierende an Geliebte Köchin ist, wie mittels schnörkelloser Konzentration ein großes Drama sich entfalten kann. Gerade weil der Film so ausgiebig einzelne Schritte des Kochens und Degustierens zeigt, fügt er sich immer weniger in gängige Schemata ein. Die Hingabe, mit der Dodin und Eugénie sowie ihre Bedienstete und deren begabte Nichte sich der Analyse von Gerichten und ihren Zutaten widmen, hat eine komische, ja cinephile Metadimension, stellt es doch den Fetisch aus. Einen Fetisch, der weniger der Sinnlichkeit des Fleisches gilt als des künstlerischen Aktes: Sammeln, Konzipieren und Zubereiten als gemeinschaftliche Praxis. Wie in Gangsterfilmen die familienhaften Strukturen und Fehden in dunklen Ecken, im Heist das Pläneschmieden und -ausführen und im Beziehungsdrama der Streit und das Versöhnen, so kommt dem Kochen hier diese Form der gesteigerten Aufmerksamkeit zu –und des gerichteten, offensiven Begehrens.
Geliebte Köchin hat einen Witz, aber ironisch ist der Film nicht: Trầns Hingabe zur Geschichte und zum Glauben an die richtige Küche, die feine, genaue, abgestimmte Gerichte hervorbringt, ist essenziell dafür, dass auch die Liebesgeschichte zwischen Dodin und Eugénie eine andere Ebene erreicht. So steht sie für all jene Beziehungen, in denen Menschen sich nicht romantisch aus allen Bezügen lösen und glauben, ganz pur aufeinander bezogen zu sein, sondern sich treffen in ihrer gemeinsamen Beziehung zur Welt.
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