The Negotiator – Kritik

Ein Unterhändler, hinter dessen aalglatter Fassade sich doch etwas verstecken muss. David Mackenzie gelingt und misslingt mit The Negotiator ein schön dahingleitender Paranoiathriller, der die Angst zu sehr in Schach hält.

Das Büro von Ash (Riz Ahmed) befindet sich hinter mehreren schweren Türen. Die erste ist unscheinbar und verschließt scheinbar nur eine Otto-normale Lagerhalle. Mit jeder weiteren aber werden die Türen hochwertiger, komplizierter; sie verdeutlichen, dass sich hinter ihnen etwas Kostbares versteckt. Tatsächlich findet sich im Herzen dieser Matroschka-artigen Zimmerflucht ein massiver Safe mit Akten voller sensibler Informationen. Ash gleicht in dieser Verschlossenheit seinem Büro. Gerne geht er in Menschenmassen unter oder verweilt allein in absoluter Anonymität. Schnell wechselt er zurückverfolgbare Handys. An ihn gerichtete Anrufe und Pakte leitet er über diverse Umwege, um zu verunmöglichen, dass jemand seine Stimme hört oder sein Gesicht mit seinen Taten in Verbindung bringt.

Zu starke und zu schwache Stromkreise. Umwege zum Verborgenen.

Wie der Titel The Negotiator sagt, ist Ash ein Unterhändler. Er vermittelt zwischen großen Firmen und Beschäftigten, die zu viel über sie wissen. Ein Unternehmen hat z. B. Unlauteres angestellt, wie etwa die Nebenwirkungen seiner Produkte vertuscht. Ein Beschäftigter der Firma hat dafür Beweise, aber nicht das Herz, sein Leben für die Veröffentlichung aufs Spiel zu setzen. Wenn er seine Informationen an Ash gibt, sind schon Schläger auf seinen Fersen, um ihn mundtot zu machen. Ash soll solche von Angst gepackten Möchte-lieber-nicht-mehr-Whistleblower nun in eine Position bringen, die sie nicht weiter angreifbar macht. Den Unternehmen garantiert er dafür, dass die Informationen nicht geleakt werden. Sie verschwinden in Ashs Safe, solange der Gegenseite nichts passiert.

Der englische Originaltitel lautet Relay. Ein Relais also, ein Verbindungsstück, das zwischen einem starken und einem schwachen Stromkreis geschaltet ist. Das Wort beschreibt hier nicht nur das Machtungleichgewicht der gegnerischen Parteien, sondern auch Ashs geschmeidiges, funktionelles Vorgehen. Er sieht jeden Schritt seiner Widersacher voraus und gleitet gewandt durch alle Fallen. „Relay“ ist aber auch und vor allem der Name von Ashs bevorzugtem Kommunikationsmittel, das Leuten, die nicht sprechen können, das Telefonieren ermöglicht. Ash hat es immer dabei. Er tippt seine Nachrichten für beide Seiten in ein klobiges Gerät. Ein Telefondienstmitarbeiter liest anonym am Telefon Ashs Botschaften dem anderen Gesprächsteilnehmer vor. Dessen Antworten kommen als Text an Ash zurück. Alles bleibt indirekt, ein Umweg zum Verborgenen.

Ein Fluss von Handgriffen und Maßnahmen

The Negotiator ist ein ganz klassisches Procedural, das weniger an den Details seiner Figuren interessiert ist als an ihren Handlungen. Man sieht Ash mit routiniert fließenden Handgriffen und Maßnahmen durch seine Umgebung lavieren – Taktiken, mit denen er sich aus jeder Situation zu befreien weiß. Für Regisseur und Co-Autor David Mackenzie (Young Adam, 2003) ist dies aber nur bedingt der Endzweck seines Films. Ihm geht es darum, dass unbedingt etwas hinter der aalglatten Fassade versteckt sein muss.

Ashs neuste Klientin ist die naiv-schutzbedürftige Sarah (Lily James). Der HB-männchenhafte Dawson (Sam Worthington), Unternehmensscherge auf ihren Fersen, freut sich schon auf die Herausforderung, Ash durch sie zu fassen zu bekommen. Währenddessen aber erblühen Gefühle in Ash für diese schusselige, aber auch schlagfertige junge Frau. Das erzeugt immer mehr Komplikationen und streut Sand in Ashs Getriebe. Denn hinter seinen glatten, effektiven Abläufen steckt eine psychische, überdeutlich symbolhafte Notwendigkeit: Ash ist ein trockener Alkoholiker. Jeder seiner Schritte drückt seinen Kampf aus. Sein ganzes, auf Ungreifbarkeit konzentriertes Leben ist nichts weiter als ein Mechanismus, der ihn vor dem Einsturz schützen soll. Die Schergen und auch Sarah sind letztlich nichts anderes als die Verlängerung seiner Sucht, vor der er auf der Hut sein muss, die ihn belügt, die ihn hereinlegen und zu Fall bringen möchte.

Was letztendlich für diesen eigentlich ganz schönen Paranoiathriller zum Problem wird. Denn leider konzentriert sich The Negotiator zu sehr auf versteckte menschlichen Schwächen, die er dann nicht zu greifen bekommt. Weder für Sarah noch für Ash ist ihre Angst existentiell. Zwar müssen sie sich vor den dunklen Machenschaften der Gegenseite in Acht nehmen. Doch Ashs organisierte Schachzüge halten die Gefahr so perfekt auf Distanz, dass sie abstrakt wird; die Zerstörung von Sarahs Leben beschränkt sich auf ihr angezündetes Auto, ansonsten kann sie problemlos in einem Luxusapartment untertauchen und abwarten. Überhaupt sehen die Räume des Films wie einem Katalog entsprungen aus, von jedem Leben befreit. So gleitet The Negotiator bei aller Schönheit leider etwas zu begradigt und gefällig am Zuschauer vorbei.

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