The Mule – Kritik

Walt Kowalski is breaking bad: Ein mit der Moderne im Clinch liegender alter Blumenzüchter blüht in seinem neuen Job als Drogenkurier richtig auf. Alles könnte so leicht sein in Clint Eastwoods neuem Film The Mule, wäre da nicht die Familie.

The Mule ist die Geschichte einer Zivilisierung, der Eingemeindung des Einzelgängers in die Gesellschaft und die heilige Familie, der Clint Eastwoods lonesome cowboys meist entronnen sind: Für den Blumenzüchter und Kriegsveteran Earl Stone führt im hohen Alter von 90 Jahren kein Weg mehr daran vorbei, ein Weg zugleich in die Läuterung und in die Gefangenschaft.

Im Prolog, 2005, ist für diesen Earl Stone die Welt noch in Ordnung. Er beschnuppert die Lilien in seinem Garten, die farbensatt die Leinwand füllen, nimmt im dandyhaften weißen Anzug einen Zierpflanzen-Award entgegen und schäkert lieber an der Hotelbar herum, als zur Hochzeit seiner Tochter zu gehen. Seine Exfrau (Dianne West) verrät uns, dass er sich seit zig Jahren vor allen Familienfeiern drückt. – Sprung ins Jahr 2017, der Garten ist verwittert, das Geschäft am Ende, dank dem von Earl vormals bespöttelten Online-Handel, dem sich der störrische Alte wie allen Neuerungen in der Welt stets verweigerte. Auf Familienfeiern ist der nun 90-Jährige eine Persona non grata. Als er trotzdem auf einer aufkreuzt, bekommt er von einem Gast ein Jobangebot, das seine Finanzen sanieren wird.

Eastwoods Recht auf Unkorrektheit

Ein mit den modernen Zeiten im Clinch liegender alter Mann, der für ein mexikanisches Kartell Kokainlieferungen quer durch Illinois karrt: Der Inhalt von The Mule (der, wie so oft, auf einem „wahren Fall“ beruht) klingt, als wäre die Hauptfigur von Gran Torino in ein Breaking-Bad-Setting verfrachtet worden. Doch hat Earl Stone weder mit den Abgründen eines Walter White noch mit dem Altersgrimm eines Walt Kowalski viel gemein. Er ist kein Wutbürger, der gegen die Zumutungen der Political Correctness wettert, nur ein vom Lauf der Zeit Ungerührter, der in Fettnäpfchen tritt – ob gegenüber einer lesbischen Biker-Gang, der er an einer Tankstelle über den Weg läuft, oder einem afroamerikanischen Pärchen, das er als „negroes“ bezeichnet. Die Zurechtweisung der falsch Adressierten quittiert er mit ironischem Lächeln, das den aus seiner Sicht neumodischen Spinnereien ebenso gelten könnte wie der eigenen Fossilhaftigkeit. Eastwoods Kokettieren mit dem Recht auf „Unkorrektheit“ fühlt sich aber so oder so etwas schal an.

Der Plot ist via Zwischentitel strukturiert nach den Touren, die die immer gleichen Stationen durchlaufen – Einladen des Stoffs in einer ranzigen Garage, Autofahrt durchs in Panoramaaufnahmen festgehaltene Illinois, Übergabe und Entlohnung – und von Mal zu Mal mit Konfliktsituationen angereichert werden: ein misstrauischer Polizeihund auf dem Parkplatz, schlechte Absprachen und wachsender Beef zwischen den Gangstern. Dass dem alten Mann niemand zutrauen würde, was er kann und was er tut, spielt Earl bald lustvoll als Trumpfkarte aus; für je unbedarfter man ihn hält, desto abgezockter ist er. Nebenbei lernt er ein Smartphone zu bedienen, erwirtschaftet sich ein neues Auto und bekommt die Aufmerksamkeit des auf seiner Bilderbuch-Hazienda residierenden Kartellbosses (Andy Garcia).

Im generischen Leerlauf

Wie Earl sich auf seinen Touren mehr und mehr Freiräume erspielt und die schweren Jungs, die für seine Überwachung zuständig sind, um den Finger zu wickeln vermag, ist für ihn vor allem ein Vergnügen. Ebenso wie es für Clint Eastwood sichtlich eines war, sein Wort zu brechen und nach Gran Torino doch noch einmal vor die Kamera zu treten. Und ein Vergnügen ist es die meiste Zeit auch, dem etwas langsamer laufenden, etwas brüchiger sprechenden, aber wie und eh je attraktiven Hauptdarsteller dabei zuzusehen, wie er in seiner Rolle aufblüht: Er fährt freihändig und Eis essend, schmettert am Steuer beschwingt Songs von Dean Martin mit und bringt die ihn per Wanze belauschenden Gangster im Verfolgerauto zum Mitsingen. Noch die Idee, sich auf der Hazienda von zwei selbst in der Summe nicht mal halb so alten Gespielinnen flachlegen zu lassen, mag man Eastwood irgendwie nachsehen.

Das Versprechen der Hauptfigur löst der Film aber nicht so recht ein. Dass man Earl dank dem stets eher komödiantischen Ton nie in ernster Gefahr wähnt, wäre nicht weiter tragisch. Doch die internen Konflikte um den tontaubenschießenden Kartellboss vermögen nur wenig zu interessieren, lebendig werden die stereotypen Gangsterfiguren stets nur in der Begegnung mit der Hauptfigur. Noch mehr gilt das für den parallel laufenden Ermittlungs-Strang um die von Bradley Cooper und Laurence Fishburne gespielten Cops, bei dem Eastwoods gewohnt geradliniger Inszenierungsstil lange im generischen Leerlauf bleibt, bis Colin Bates (Cooper) und Earl sich an einer Raststätte erstmals begegnen und der eine vom anderen ein paar Altersweisheiten empfangen darf. Zum Beispiel, seinen Hochzeitstag nicht zu vergessen.

Das Familiendrama ist denn auch der eigentliche Kern des Films. Und während The Mule gegenüber den Zuständen in Trumpland, die er durchstreift, bemerkenswert unbekümmert bleibt, fällt er hier in eine zum Rest des Films etwas querstehende melancholische Stimmung. Wann immer Earl seiner Exfrau im Film begegnet, lässt Dianne West an ihrer Figur die vielen Enttäuschungen einer langen (mehr getrennten als) gemeinsamen Vergangenheit ebenso spürbar werden wie eine nie ganz erloschene Zärtlichkeit. Und wenn Earl auf seiner letzten Kurierfahrt ihretwegen einen langen Umweg macht, geht es erstmals nicht um die Lust am Spiel, sondern um Leben und Tod und, mehr noch und ziemlich abrupt, um Schuld, Sühne und Vergebung.

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