The Lost City - Das Geheimnis der verlorenen Stadt – Kritik
Sandra Bullock als schriftstellernde Archäologin wird von Schergen durch den Dschungel gejagt und von Channing Tatum aus der Sinnkrise gerettet. The Lost City hat so einige Macken. Aber irgendwie scheint es immer wieder, als seien sie Teil des Plans.

In der Serie My Little Pony – Freundschaft ist Magie taucht wiederholt die Figur einer Archäologin auf, die ihre Indiana-Jones-artigen Abenteuer zur äußerst erfolgreichen Buchreihe verarbeitet. Als Autorin nennt sie sich A. K. Yearling; wenn sie im Dschungel gegen niederträchtige Konkurrenten und sowas wie aztekische Gottheiten kämpft, heißt sie Daring Do. Mittels des trojanischen Pferds luftiger kindgerechter Geschichten, bei denen sich Fiktion und Realität überschneiden, wird so über unterschiedliche Rezeptionsmuster (der Fans) oder kulturellen Imperialismus erzählt. Wobei diese komplexen Probleme auf ihre komischen Momente heruntergebrochen werden – wenn beispielsweise die quasi-aztekische Gottheit selbst Bücher veröffentlicht und damit noch eine neue, nicht westlich geprägte Perspektive ins Spiel bringt.
Ein Starvehikel, das auf Sweetness setzt

The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt erzählt nun von der Archäologin Loretta Sage (Sandra Bullock), deren wissenschaftliche Arbeit kaum Anklang fand, weshalb sie die Reisen mit ihrem Mitstreiter und Ehemann zu romantischen (lies: erotischen) Abenteuergeschichten ausschmückte und damit zur erfolgreichen Autorin wurde. Nun wird sie von einem niederträchtigen Konkurrenten (Daniel Radcliffe als Abigail Fairfax) entführt, der in ihren Büchern den Schlüssel zu erkennen glaubt, eine legendäre indigene Krone zu finden. Ehe sie sich’s versieht, befindet Loretta sich, von Schergen verfolgt, im Dschungel und in mysteriösen Tempeln unter ausbrechenden Vulkanen. Schnell ähnelt ihr reales Leben auffällig dem ihrer Hauptfigur Angela.

Es ist kaum zu übersehen, dass der neue Film der Regiebrüder Adam und Aaron Nee, ihr erster groß budgetierter, sehr viele Ideen aufgreift, die auch bei den Abenteuern von Daring Do/A. K. Yearling Verwendung finden. Neben dem Meta-Ansatz, etwas Altbekanntes neu zu erzählen, verbindet die beiden Werke ihre Verehrung der Indiana-Jones-Filme. Wo die zuvorderst an Kinder adressierte Serie aber lustvoll mit ihren komplexen Problemlagen spielt, da setzt dieses Starvehikel lediglich auf Sweetness. Hier und da werden zwar auch ein paar Stichworte eingeworfen, zum Beispiel zum Machtungleichgewicht bei der Verwaltung und Sichtbarmachung indigenen Erbes, aber es bleiben eben nur Stichworte. Und The Lost City tut sich damit einen großen Gefallen. In seiner Metabrechung der eigenen Erzählung zielt der Film nämlich genau auf diese eigene Sweetness ab und macht sie zum offenen Inhalt seiner selbst.
Naivität ist die Rettung

Zuvorderst geht es darum, Lorettas Lebensgeister wiederzuerwecken. Vor fünf Jahren ist ihr Mann gestorben. Beim Schreiben ist sie seitdem uninspiriert. Sie vergräbt sich in ihrer Luxuswohnung. Sie ist deprimiert, zynisch und versnobt – unter einer halb charmanten, halb unbeholfenen Art, das Ausmaß ihrer Probleme zu leugnen. Es ist die perfekte Rolle für Sandra Bullock, die es, so hölzern das Skript und ihr Schauspiel bisweilen sind, noch immer schafft, grundsympathisch zu wirken. In der kaum überraschenden Versöhnung mit sich, ihrem Leben und ihrem Werk transzendiert The Lost City dann die eigenen Unzulänglichkeiten, wie es eben im Casting von Sandra Bullock schon angelegt war. Der Film ist nichts anders als das schundige literarische Werk Lorettas, und warum sollte er sich dafür schämen, wenn es seinem Publikum doch Trost spendet.

Der zentrale Weg zu ihrer Rettung – aus dem Loch ihres Lebens und der Insel im Atlantik in der Hand eines Wahnsinnigen – ist das Covermodell für ihre Romane. Alan (Channing Tatum) lebt in Lorettas Augen von ihrem Erfolg und davon, sich sein Hemd für geifernde Fans vom Leib zu reißen. Er wird jedoch den Grad von Naivität in ihre Leben zurückbringen, gegen den sie sich mit Händen und Füßen wehrt. Und Tatum scheint jede Sekunde in diesem Film zu genießen. Der Verkrampftheit Lorettas/Bullocks stellt er eine schlichte Lockerheit entgegen: etwa wenn er bei einer Lesung auf die Bühne kommt und seine Fabio-Perücke und sein leichtes Hemd im Ventilatorwind zelebriert. Wenn er seinen nackten Arsch minutenlang in die Kamera halten darf, da dieser von Blutegeln befreit werden muss. Wenn er sich dabei wie ein kleines Kind zusammenzureißen versucht, dabei gnadenlos scheitert und so seine herbe Männlichkeit nur zu gern unterminiert. Wenn er in einem Dorf mit Bullock tanzt und aus The Lost City kurzzeitig einen knisternden Tanzfilm macht.
Die Perfektion in den Dreck ziehen

Neben einigen schönen optischen Einfällen ist es der gut aufgelegte Cast, der den Film bestimmt und von dem Channing Tatum nur die Speerspitze ist. Daniel Radcliffe darf als Bösewicht – sichtlich erfreut – die Sau rauslassen und ist doch am besten, wenn er zu Beginn seinen Wahn unter einer angestrengt charmanten Oberfläche verstecken möchte. Oder Da’Vine Joy Randolph, die als Lorettas Agentin ungläubig mitansehen muss, wie diese sich erst gegen ihre Pläne sträubt und wie dann die Behörden und ihre Mitarbeiter jede Hilfeleistung verweigern.

The Lost City hat so einige Macken. Aber irgendwie scheint es immer wieder, als seien sie Teil des Plans. So wird der Film um den kurzen Auftritt von Brad Pitt als Black-Ops-Elitekämpfer zur Jukebox, die alles, vor allem Pitts unmenschliche Überlegenheit, mit totgenudelten Liedern zu unterstreichen müssen meint. Der Musikeinsatz ist hier schrecklich faul und uninspiriert. Es ist aber auch so, dass ansonsten ganz altmodisch auf einen viel dezenteren und schönen Score gesetzt wird. Als müsste der knappe Auftritt der Perfektion noch extra in den Dreck gezogen werden, wo der Film es sich ansonsten in seiner Fehlbarkeit doch angenehm bequem macht. The Lost City ist kein Meisterwerk. Dass er es nicht sein möchte, darin bringt er es zur sweeten, angenehmen Meisterschaft. Womit er doch wieder zu den Geschichten von süßen Ponys passt.
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