The Deep House – Kritik

Neu auf DVD: Die Erhabenheit einer gammligen Ruine unter Wasser. Die Stärke des Films über ein Pärchen auf Tauchgang liegt in seinem Ambiente. Doch unter all seinem Horrorklimbim glimmt in The Deep House auch ein hochemotionales Beziehungsdrama.

Mitten im Wald steht eine verlassene Anstalt. Eine Krankenschwester spuke dort, die neun Kinder und daraufhin sich selbst umgebracht hatte. Es ist der perfekte Ort für Tina (Camille Rowe) und Ben (James Jagger), die – auf der Suche nach immer mehr Likes – Begehungsvideos von unheimlichen Häusern produzieren. Uns werden nun ausschließlich ihre wackligen Aufnahmen gezeigt, wir befinden uns also in einem Found-Footage-Horror-Film. Doch nachdem Ben Tina erschreckt hat, springt The Deep House (2021) drei Monate voran und lässt den Auftakt eiskalt fallen. Als sollte dem Zuschauer bis dahin nur kurz der Schreck eingejagt werden, er müsse nun den hundertsten Aufguss von The Blair Witch Project (1999) durchleben.

Angetäuschtes Altbackenes

Nun beginnt der Film des Duos Alexandre Bustillo und Julien Maury (Among the Living, 2014) erst richtig. Das angetäuschte Altbackene erhält durch simple Addition eine Frischzellenkur. Mittels einer Drohne wird das Found-Footage-Konzept erweitert, die wackligen Subjektiven werden durch ruhige Bilder ergänzt, durch einen Blick von außen. Und das Haunted House, zu dem Tina und Ben als nächstes aufbrechen, steht eben nicht mehr im Wald, sondern unter Wasser in einem See. Zu den Geistern (die in entsprechenden Unterwasserhorrorfilmen an die Stelle von Haien oder Ähnlichem treten) gesellt sich die existenzielle Angst vor dem Erstickungstod. Die Anpassungen sind vielleicht nicht revolutionär – sie sind sogar recht simpel –, sie machen The Deep House aber ungleich interessanter.

Von einem dubiosen Dorfbewohner lassen sich die beiden also ins französische Nirgendwo führen. An den Ausläufer eines Badesees, der nur zu Fuß erreichbar ist. Nie komme jemand dorthin. Beim Tauchgang finden Tina und Ben ein Herrenhaus mit Mausoleum. Darin wiederum eine Sammlung von Vermisstenanzeigen diverser Kinder, Hirschköpfe an den Wänden der Kinderzimmer, Fotos, die auf die Geweihe gespießt wurden, Super-8-Filme und in Gläser eingelegte Hände. Je weiter unsere Taucher vordringen, umso mehr nehmen, kaum überraschend, die Anzeichen zu, dass dies kein normales Familienheim ist. Die Technik beginnt zu spinnen, böse Entitäten scheinen anwesend zu sein.

Eine weitere Addition: Im Haus hängt ein Familienporträt. Sämtliche Abgebildeten halten stolz eine Flinte in der Hand. Sichtlich befinden wir uns im Hinterland der Zivilisation. Die Spuren vor Ort lassen auf ein roheres Leben schließen. Auf Schatten, die sich in Reichtum und Abgeschiedenheit entwickelt haben. Das Haus ist nichts anderes als ein Tempel sich kultiviert gebender Hinterwäldler, die sich, ebenfalls kaum überraschend, als Familie praktizierender Satanisten erweisen.

Protokoll einer Trennung

Die größte Stärke von The Deep House liegt in diesem Ambiente, in der heruntergekommenen, beunruhigenden Erhabenheit der gammligen Ruine im Wasser. Zwischen unzähligen kleinen Partikeln schweben Kerzenleuchter. Die Möbel und Überreste des familiären Lebens sehen im speckigen Braungrün aufgeschwemmt und modrig aus. Sie stehen aber herum, als hätte das Wasser kaum einen Einfluss auf sie. Große Teile des Films bestehen nur aus den Erkundungen von Ben und Tina, die durch ein Fenster oben einsteigen und das Haus Raum für Raum untersuchen. Allein die Ausstattung und das Schweben durch diesen Muff machen den Film zu bester Unterhaltung.

Zumal unter der Ansammlung von Horror-Subgenres und verwesenden Interieurs ein hochemotionales, langsam glimmendes Beziehungsdrama steckt. Ben drängt Tina unentwegt, überfordert sie, hat nur sich und seinen Lusthaushalt im Sinn, während Tina immer nur noch einen Schritt mitgehen möchte. Nur das eine Mal tauchen, nur schnell rein ins Haus und wieder raus, nur noch ein Geschoss, nur noch einen Raum, nur noch einen Blick. An der Spitze ihres Unbehagens, während sogar Ben dämmert, dass sie zu weit gegangen sind, beschwören die beiden zwar ihre Liebe, trotzdem ist The Deep House – unter all seinem Horrorklimbim – das Protokoll einer Trennung und wieso diese für Tina unumgänglich ist. Das Haus in der Tiefe stellt ihren Gefühlshaushalt in der Beziehung dar.

Spitzen gegen die Like-Geilheit

Sobald die beiden im Keller auf des Pudels Kern stoßen und bald nur noch versuchen, rauszukommen, während ihre Luft mit jeder Minute knapper wird, verliert sich einiges von der Grazie dieses Sumpfleichenanwesens, auch von der Intensität, mit der Tinas Ertragen ihrer Liebesbeziehung gezeigt wurde. Die Drohne tut nur noch vereinzelt ihren Dienst, die Bilder werden zuweilen so wacklig, dass nur noch schwer entzifferbare Impressionen zu sehen sind. Was an sich kein Problem ist, nur wird der Film konventionell und uninteressant, wenn er das Haus und seinen Inhalt aus dem Blick verliert. Dann weht wieder der Schrecken durch den Film, dass er nur ein Aufguss von etwas Totgenudeltem ist.

Bustillo und Maury beschränken sich zum Glück aber auch gegen Ende nicht auf die schlichte Verfolgungsjagd. Die Spitzen gegen die Like-Geilheit, die Ben und Tina in Richtung Verderben aufbrechen lässt, werden auch nicht zur Beschwörung einer gesellschaftlichen Apokalypse hochstilisiert. Stattdessen kennen die beiden Autoren/Regisseure die Stärke ihres Filmes und weiten das Haus bis zum Schluss aus, fügen immer noch ein paar Räume und Ebenen hinzu und enden in einer vieldeutigen Pointe über das Schauen von Horrorfilmen. Nichts Weltbewegendes sicherlich, aber ein wunderbarer, intensiver Schrei nach der Flucht aus einer Beziehung.

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