The Crazies – Kritik

Das Militär ist Ursache der Seuche und so entmenschlichend wie das von ihm freigesetzte Virus: In keinem anderen Film artikuliert George A. Romero sein politisches Anliegen so deutlich wie in The Crazies (1973).

Der unsichtbare Feind heißt Trixie. Ein Virus, das die Bewohner*innen der Kleinstadt Evans City in Philadelphia entweder tötet oder zu blutrünstigen Wahnsinnigen macht, die attackieren, wer auch immer ihnen in den Weg kommt, auch ihre eigenen Angehörigen. Während das Militär den Ort besetzt, seine Bevölkerung unter Quarantäne stellt, das Kriegsrecht verhängt und Wissenschaftler damit beauftragt, ein Antidot gegen die Seuche zu entwickeln, organisiert eine kleine Gruppe gewalttätigen Widerstand gegen die Repressalien.

In den Verheerungen seiner Zeit verwurzelt

Mit seinem zu sprichwörtlicher Berühmtheit gelangten Debüt Die Nacht der lebenden Toten (Night of the Living Dead) führte George A. Romero den Horrorfilm 1968 in dessen Moderne und verwurzelte ihn zugleich tief in den gesellschaftlichen Umwälzungen und politischen Verheerungen seiner Zeit. Weder in einem seiner eigenen Werke noch in denen der anderen jungen und wütenden US-Horrorregisseure der 1970er – wie Tobe Hooper, John Carpenter oder Wes Craven – findet sich das politische Anliegen so deutlich artikuliert wie in The Crazies. Spätestens wenn sich ein Pastor, nachdem seine Kirche von den Soldaten geräumt wurde, aus Protest mit Benzin übergießt und in Brand setzt, fühlt es sich an, als behandelte der Film den Vietnamkrieg ganz direkt – und nicht „bloß“ als Allegorie.

Die Wurzel allen Übels ist das Militär. Und die weißen Schutzanzüge, Gasmasken und Schnellfeuergewehre der Soldaten sind einerseits die visuellen Insignien einer zerstörerischen Schreckensherrschaft. Andererseits wird aber auch klar, dass die Männer, die in diesen Anzügen stecken, für ihre Befehlshaber bloß Kanonenfutter sind. Die Seuche, derentwegen sie ihr Leben riskieren und vielfach auch verlieren, entstand durch militärische Experimente für eine neue Biowaffe. Und schließlich wird von der Führung auch erwogen, die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, indem man die Stadt mit einer kleinen Atombombe auslöscht. Natürlich sorgfältig darauf bedacht, es wie einen Unfall aussehen zu lassen.

Die Sehnsucht, dass der Krieg ein Ende nehme

Doch der Film stellt das Militär nicht bloß als Ursache der Seuche dar, er parallelisiert die beiden scheinbar gegeneinander arbeitenden Kräfte auch als entmenschlichende Gleichmacher. Die Bedeutung der Marschklänge von Bruce Roberts’ Score für den Film ist kaum hoch genug anzusetzen, denn in ihnen werden die vergeblichen Bemühungen des Militärs, Ordnung ins Chaos zu bringen, auch auf auditiver Ebene deutlich. Anstatt das Chaos durch die martialische Tonspur in (militärisch) geordnete Bahnen zu lenken, es gewissermaßen erfolgreich zu orchestrieren, entsteht eine den Film maßgeblich bestimmende Dissonanz zwischen den Bildern und der Musik. Und wenn der Score an zwei Stellen, zu Beginn und relativ gegen Ende, in Patrick Gilmores berühmtes Anti-Kriegslied „When Johnny Comes Marching Home" umschlägt, findet sich auf der Tonspur vielleicht nicht der einzige, aber der einprägsamste utopische Moment des Films: Die Sehnsucht, dass der Krieg ein Ende nehmen möge, wird zumindest artikuliert, auch wenn sie sich als bloße Illusion erweisen muss.

Das Budget wurde auf 270.000 Dollar geschätzt und wäre damit ähnlich gering wie das anderer Horrorfilme der 1970er wie Tobe Hoppers Blutgericht in Texas (The Texas Chainsaw Massacre, 1974) oder Wes Cravens Hügel der blutigen Augen (The Hills Have Eyes, 1977). The Crazies wirkt jedoch noch deutlich billiger und provisorischer. Während die Kollegen versuchten, den Mangel an finanziellen Mitteln durch sehr überschaubare Settings und Figurenensembles zu kaschieren, zielt Romeros düstere Dystopie aufs große Ganze und bebildert den verheerenden Ausnahmezustand mit Massenszenen der Panik in Evans City.

Freidrehender Todestrieb

So unterschiedlich die verschiedenen Figuren in The Crazies auch sein mögen, sie eint, dass ihr Schicksal letztlich tragisch verläuft. Nicht nur sind die militärischen Versuche, gegen das Chaos vorzugehen, zum Scheitern verurteilt, es werden auch alle individuellen Bemühungen, ihm beizukommen und damit ein Stück Menschlichkeit zu bewahren, durch die Panik und ihre Auswirkungen zunichte gemacht. Exemplarisch steht hierfür der Tod des Wissenschaftlers Dr. Watts (Richard France), der gerade in dem Moment, als seine Suche nach einem Medikament zu einem Durchbruch gelingt, dem Chaos zum Opfer fällt.

Aber auch der durchaus als Sympathieträger gezeichnete Col. Peckem (Lloyd Hollar) ist letztlich machtlos gegen die Skrupellosigkeit und Unfähigkeit des Militärapparats, für den er arbeitet. Wobei Romero bei aller Kritik an den menschenverachtenden und -vernichtenden Strukturen keinen Zweifel daran lässt, dass alle Figuren auch individuelle Verantwortung tragen für ihr Tun. Das zeigt sich besonders innerhalb der Widerstandsgruppe. Während die Darstellung des Militärs eher eine politische Erzählung über den aussichtslosen Kampf des Individuums gegen die Maschinerie des „Systems“ ist, geht es bei der Guerilla-Gruppe mehr auf psychologischer Ebene darum, dass in der Krise das „Böse“ im Menschen letztlich die Oberhand behält. Dargestellt wird das vor allem anhand des Verhältnisses der beiden männlichen Protagonisten, David (Will MacMillan) und Clank (Harold Wayne Jones), Kollegen bei der freiwilligen Feuerwehr von Evans City. Während jener sich um Besonnenheit bemüht, gehört dieser zu denen, deren Todestrieb immer weiter freidreht.

Lakonie des Tötens und Sterbens

Dass die weiblichen Figuren kaum jemals als freie Akteurinnen auftreten (können), zeigt, dass die Strukturen, an denen Romero kein gutes Haar lässt, auch patriarchale sind. Deutlicher noch als an der Protagonistin Judy (Lane Carroll), Krankenschwester und schwangere Freundin Davids, wird das an der jungen Kathy sichtbar. Die Schauspielerin Lynn Lowry scheint mit ihrer hochgewachsenen und schlanken Statur, ihren feuerroten Haaren und markant kantigen Gesichtszügen für die Rolle als Hippie-Girl prädestiniert, durch einige Auftritte in 70er-Horrorfilmen wie diesem gewann sie retrospektiv den Status einer – allerdings eher „kleinen“ – Genre-Ikone. Zunächst wird sie von ihrem mit dem Virus infizierten Vater, der sie in seinem Wahn für seine verstorbene Frau hält, vergewaltigt, später von den Soldaten erschossen. Ihre Todesszene zeugt von einer furchtbaren Lakonie des Tötens und Sterbens und ist damit zugleich die verstörendste und berührendste des Films.

Eines der wenigen von unzähligen Gewaltverbrechen, bei dem die Täterin weiblich ist, ereignet sich relativ zu Beginn des Films. Als die Soldaten ein Haus stürmen, findet einer von ihnen eine ältere Frau vor, die in ihrem Schaukelstuhl sitzt und strickt. Unvermittelt steht sie auf, rennt auf den Mann zu und sticht ihm ihre Stricknadel in die Brust, nur um sich dann ganz ruhig wieder hinzusetzen und ihre Arbeit fortzusetzen. Romero schneidet das auf eine besondere Art, die sich in mehreren der Gewaltszenen in The Crazies findet: mit abrupten, kontrastiven Schnitten, einem buchstäblichen Schnittmassaker, bei dem der gewalttätige Inhalt auch der Form unmittelbar eingeschrieben ist. Für George A. Romero ist der mörderische Wahnsinn des Ausnahmezustands etwas, das immer schon verborgen unter der Fassade kleinbürgerlicher Behaglichkeit schlummert, bereit, jederzeit vernichtend hervorzubrechen.

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