The Colors Within – Kritik

Naoko Yamada, Shooting-Regie-Star des Animes, taucht in The Colors Within mit viel Gespür ein in die Ausdrucksdimensionen dreier junger Musiker während der ungewissen, kreativen Zeit vor dem Erwachsensein.

Die Colors Within, die inneren Farben, kleben für Totsuko außen auf den Menschen. Das blonde Mädchen verfügt über die Fähigkeit, Menschen als Farben zu sehen. Wie das funktioniert, kann sie nicht genau erklären, wobei sie es mehrmals versucht im Film. Ich sehe die Auras der Leute, meint sie einmal, aber, weiß sie selbst, ganz trifft es das nicht. Eine der Lehrerinnen der Nonnenschule, die Totsuko besucht, ist einfach gelb, aus sich selbst heraus, während Kimi, eine Mitschülerin, als blaues Wesen durch die Welt läuft. Ein ganz besonders sattes, warmes Blau ist dieses Kimi-Blau sogar, eine jener Farben, die, wenn sie plötzlich nicht mehr zu sehen sind, den Rest der Welt grau und fad erscheinen lassen.

Eben deshalb macht sich Totsuko, als Kimi eines Tages nicht mehr in der Schule auftaucht, auf die Suche nach dem Mädchen, mit dem sie vorher selten mehr als zwei Worte gewechselt hatte. Sie findet sie schließlich hinter der Theke eines Bücherladens, und ist, als sie sie anspricht, so nervös, dass sie selbst kaum mitbekommt, was aus ihr heraus plappert. Jedenfalls haben die beiden am Ende des Gesprächs eine Band gegründet - bestehend nicht nur aus Totsuko und Kimi, sondern auch noch aus Rui, einem Jungen, der mehr oder weniger zufällig ebenfalls gerade vor Ort ist. Mehr oder weniger… denn was heißt schon “Zufall”, wenn man jung ist und sich und seine Umgebung eh andauernd auf verborgene Bedeutungen und potentiell weltverschlingende Melodramen abklopft.

Die innere Weite und die äußere Begrenzung

Für viele Menschen ist die Adoleszenz, das Aufwachsen, der Schulbesuch die Zeit, in der die zwei Welten, in denen wir alle ständig leben − die äußere, (bis zu einem gewissen Grad) geteilte und die innere, in uns verschlossene, von uns allein bewohnte − am wenigsten zur Deckung kommen. Das sorgt für Leidensdruck, der sich in Naoko Yamadas The Colors Within in allen drei Hauptfiguren artikuliert, auf jeweils unterschiedliche Weise. Rui, der insgesamt eher Andeutung bleibt, wie ein Bild, das sich der Film gemeinsam mit Kimi und Totsuko von einem hübschen, vorläufig unnahbaren Jungen macht, steht noch einigermaßen gefestigt in der äußeren Welt. Arzt soll er einmal werden, wenn es nach seinen Eltern geht und wir haben wenig Zweifel daran, dass es tatsächlich später so kommen wird. Die Zeit, die er mit Totsuko und Kimi während der Bandproben verbringt, entfernt ihn vom vorbestimmten Weg womöglich nur kurzfristig. Und doch ist jeder Schritt auf diesem Umweg einer ins Ungewisse.

Kimi hingegen hat ihren Platz noch nicht gefunden. Einerseits ist sie eine fragile, fast substanzlose Erscheinung, ein Blatt im Wind. Andererseits scheint das Gewicht der ganzen Welt auf ihr zu lasten. Ganz besonders: auf ihren Augen. Groß und detailliert sind sie ihr ins Gesicht gezeichnet: schwere Lider, die wie ein Vorhang ständig zuzufallen drohen, aber wenn sie sich doch einmal öffnen, kommt dahinter ein Leuchten zum Vorschein, das von einer inneren Weite zeugt, zu der wir keinen Zugang erhalten.

Heimatloses Zwischenwesen

Komplett anders wiederum Totsuko. Wenn Rui ein Geschöpf der Außenwelt ist, einer, der, wohin er auch geht, stets festen Boden unter den Füßen hat, und Kimi als ein heimatloses Zwischenwesen durchs Leben treibt, dann ist Totsuko ganz Innerlichkeit. Vielleicht ist sie schlicht die Unreifste der drei, eine Bewohnerin der noch fast gänzlich un-entzauberten Welt der Kindheit. Wir haben in diesem Film - den Yamada, schon seit einigen Jahren ein Shooting Star der Anime-Szene, ein weiteres Mal mit viel Gespür für die Ausdrucksdimensionen junger, unfertiger Körper fertigt - das Privileg, an dieser Welt teilzuhaben. Die Farben, die nur Totsuko sieht, überschwemmen den Bildraum, mal rauschartig intensiv, formauflösend, mal eher im Stil eines Farbfilters, der High-School-Korridore in gülden-sanftes Licht taucht und eine Schneelandschaft zur rosa schillernden Traumkulisse umfärbt.

Wenn schon jede der drei Hauptfiguren für sich selbst damit kämpft, das Innen mit dem Außen in Einklang zu bringen, um wieviel schwieriger ist es dann erst, den eigenen Blick auf die Welt mit anderen Menschen zu teilen? Das zu ermöglichen, zeigt uns The Colors Within, ist die edelste Aufgabe der Künste. In ihnen fallen sinnliches Erleben und soziale Kommunikation immer schon in eins, wir malen Bilder, die andere sich anschauen, wir lesen dieselben Bücher, wir musizieren gemeinsam. Drei ziemlich großartige Popsongs übt „White Cat Hall“ - so nennen Totsuko, Kimi und Rui ihre Gruppe - ein, einen für jedes Bandmitglied. Drei unterschiedliche Klanguniversen, die drei unterschiedlichen Persönlichkeiten entsprechen. Am Ende jedes Songs gleiten alle drei wieder in die eigene Welt zurück. Vielleicht, so die Hoffnung, hat sie sich unterdessen ein bisschen verändert.

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