Beach Bum – Kritik

Harmony Korines Beach Bum jongliert mit den Versatzstücken einer klassischen Stoner-Komödie – doch unter der Hand gerinnen sie zu einer hassgetränkten Horrorvision.

Gerade hat sich der Gelegenheitsdichter Moondog (Matthew McConaughey) einen Joint angezündet, da findet er sich plötzlich am Rand eines hell erleuchteten Pools wieder – und wofür gibt es einen hell erleuchteten Pool, wenn nicht zum Reinspringen? Platsch, und schon zuckt Moondogs Körper in voller Bekleidung durch das Becken, die Hand mit dem brennenden Joint aus einem angeborenen Reflex heraus stets einige Zentimeter über die Wasseroberfläche gestreckt. Dieser kurze Moment in Harmony Korines Beach Bum wirkt wie ein Sinnbild für das gesamte Leben seines Protagonisten: Moondog steht vor zwei möglichen Genüssen, die eigentlich unvereinbar sind – schließlich lässt sich ein Joint nicht mehr gut rauchen, wenn er von Chlorwasser durchnässt ist –, doch weil er sich dieser Unvereinbarkeit niemals bewusst ist, scheint sie für ihn auch nicht zu existieren. Er sei ein „umgekehrter Paranoiker“, sagt er von sich selbst, ganz erfüllt von der Überzeugung, dass die Welt sich verschworen habe, ihn glücklich zu machen. Beach Bum wirkt wie eine systematische Beglaubigung dieser Einschätzung – wieder und wieder führt uns der Film vor Augen, dass der ambitionslose Drifter der Einzige ist, der diese Welt wirklich verstanden hat.

Ein Genuss, der die Realität schon längst verdaut hat

So ungeordnet und ablenkbar Moondogs Genusssucht ist, so offen und chaotisch ist die Struktur von Beach Bum. Mit von der Sonne gebleichten langen Haaren streift Moondog durch die Welt der Florida Keys, wo Meer und Küste übergangslos ineinander aufgehen, wo ein ewiger Sommer den Unterschied zwischen Innen- und Außenräumen aufhebt, wo alle Menschen stets irgendwie nackt und bekleidet zugleich sind. Hier erlebt Moondog ein Abenteuer nach dem anderen, trifft alte Freunde und neue Weggefährten, schaut ab und zu bei seiner reichen Ehefrau vorbei und tippt immer wieder auf einer alten Schreibmaschine herum. Zwar kommt es zu einigen Schicksalsschlägen, doch haben sie nie die Kraft, ihn nachhaltig aus der Bahn zu werfen: Moondog ist mal reich, mal bettelarm, aber auf sein Verhalten und vor allem seine gute Laune hat das keinen Einfluss.

Korine gestaltet dieses widerstandslose Torkeln durch die Welt als eine endlose Montagesequenz: Szenen, Dialoge, Musikstücke, alles fließt unablässig ineinander. So ist der ganze Film durchdrungen von dem Rhythmus genussvoller Auflösung, obwohl es in Moondogs Leben eigentlich schon längst nichts mehr Festes, Prosaisches gibt, das noch weiter aufgelöst werden könnte. Der Genuss knabbert hier beständig an sich selbst, weil er die Realität schon längst verdaut hat.

Streckenweise wirkt Beach Bum dabei wie eine klassische Stoner-Komödie, die einen vor allem zum (vorzugsweise bekifften) Mitkichern einladen will – eine Art Cheech & Chong mit lyrischem Einschlag. Aber gerade wenn es den Anschein hat, dass der Film sich endgültig in dieses Format einfügen will, wirft er einen Schraubstock in das eben angeworfene Getriebe: Immer wieder scheint er sich bewusst selbst zu sabotieren, sich auf dem Weg zum nächsten Drogen-Gag ein Bein zu stellen und der Länge nach hinfallen zu lassen. Eine Pointe wird über Minuten vorbereitet (etwa als ein Schwimmer ein Rudel Haie für Delphine hält und freudig auf sie zusteuert) und dann kaputtgemacht, indem sie in einem ungelenken Dialogsatz vorweggenommen wird.

Der Film scheint auch ganz bewusst zu verhindern, dass sich die Lust, die Moondogs Leben ganz ausfüllt, auf die Zuschauer übertragen kann. Seine erotischen Abenteuer etwa sind weit entfernt von irgendeiner Vision sorglos befreiter Sexualität: Sie erscheinen vor allem als Ausdruck einer pubertären Dauergeilheit, in der die Befriedigung nicht in irgendwelchen körperlichen Handlungen besteht, sondern darin, dass man sich grinsend mit einem Kumpel darüber austauscht, wie toll es doch ist, einen geblasen zu kriegen. Moondogs Genuss ist ein ganz und gar einfältiger, er hat nichts Ekstatisches an sich, in ihm findet keine aufregende Destabilisierung der eigenen Persönlichkeit und des eigenen Erlebens statt, er ist im Grunde nichts als ein kindisches Sich-Wegballern.

Die Misanthropie als einzig verbliebene Form der Ekstase

Der Film schließt sich hermetisch in der Erlebniswelt seiner Hauptfigur ein und lässt uns daran doch nicht einfach teilhaben. Dieser Zwiespalt macht Beach Bum teilweise durchaus anstrengend – vor allem auch, weil der Rhythmus des permanenten Ineinanderfließens mit der Zeit etwas Gleichförmiges, gar Statisches bekommt. Doch irgendwann schält sich aus den Versatzstücken der Stoner-Komödie ein ganz anderer Film heraus und McConaugheys Grinse-Delirium wird zum Zentrum einer bösartigen Horrorvision. Am deutlichsten lässt sich diese plötzliche, schneidende Härte an der Darstellung von Moondogs schriftstellerischer Tätigkeit ablesen: Er setzt sich, wenn es grad passt, breitbeinig hin und tippt in einem vollkommen gleichmäßigen Tempo gerade das in die auf seinem Gemächt ruhende Schreibmaschine, was ihm so in den Kopf kommt. Wenn er schließlich auf großer Bühne aus seinem neuesten Werk vorliest, vor einem in achtsamer Stille verharrenden Publikum, dann unterscheiden sich die Wörter, die aus seinem Mund purzeln, um keinen Deut von seinem sonstigen bekifften Herumlallen. Quittiert wird das Ganze natürlich mit frenetischem Applaus und einem Pulitzerpreis.

Die Welt hat sich verschworen, um Moondog glücklich zu machen: In Wahrheit steht nicht der sorgenfreie Drifter im Fokus des Films, sondern jene Welt, die sich ihm willenlos zu Füßen wirft. Beach Bum ist in gewisser Hinsicht ein Thesenfilm, der darlegt, dass man so sein muss wie Moondog, um in dieser Welt ein glückliches Leben zu führen – der aber gleichzeitig dafür sorgt, dass man das auf keinen Fall will. Das ganze soziale Gefüge, in dem Moondog frei schwimmen kann, wird so mit einer tiefen Abscheu überzogen. Dabei gibt es keine feste Warte, von der aus der Film seine Figuren kritisiert, kein klares Wertesystem, in dessen Namen er seine Verachtung über sie ausschüttet. Beach Bum entwickelt seine überdrehte Wucht allein durch einen frei fließenden Menschenhass – der so umfassend und unerbittlich ist, dass er etwas funkelnd Reines, fast schon Ekstatisches bekommt.

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