The Assistant – Kritik

Neu auf DVD: Kitty Greens als #metoo-Film angekündigter The Assistant skandalisiert nicht den Extremfall, sondern erschüttert mit zitternden Händen einen jungen Glauben an Gerechtigkeit.

Die schöne Überraschung eines Films, dem der Ruf vorausgeeilt ist, eine gesellschaftliche Debatte zu illustrieren: In keinen großen Gewaltmomenten, die fürs Kino leicht auszubeuten wären, sondern in zwei papierenen Handlungen kondensiert Kitty Green das, worum es bei #metoo geht. Nicht Anklage und Verteidigung, nicht Täter und Opfer stehen als Modi und Begriffe im Raum von The Assistant, sondern die Banalität der Macht, in ihrem konkreten und alltäglichen Wirken. Den Weinstein-artigen Medienmogul, in dessen Unternehmen die Protagonistin Jane (Julia Garner) erst seit Kurzem arbeitet, werden wir über die gesamte Laufzeit nicht zu Gesicht bekommen, weil das Patriarchat keine Kommandozentrale besitzt, sondern ein mal weit-, mal engmaschiges Netz ist.

Nur ein Arbeitstag

Die Filmhandlung umfasst einen einzigen Arbeitstag, an dem sich Jane von Papierstau bis Spontan-Kinderbetreuung um so ziemlich alles kümmert, auch die wütende Frau des Big Boss ist zweimal am Telefon. Ganz nüchtern und genau wird Jane bei ihren Büroarbeiten von Michael Lathams Kamera in den Blick genommen, und Julia Garner gelingt es, den Alltag der Assistentin zwischen männlichen Angestellten in eine prekäre körperliche Präsenz zu übertragen, die nicht nur alte Lieder von menschlicher Verletzbarkeit hinter Fassaden singt. Garner ist vielmehr in jedem Moment die Anstrengung anzusehen, im Büro nicht nur die richtigen Dinge tun, sondern dabei auch stets den richtigen Ton, das richtige Lächeln, die richtige Ansprache in der E-Mail treffen zu müssen. Selbst der Pseudo-Augenhöhen-Umgang mit den kumpeligen Typen, mit denen sie sich den Raum teilt, ist harte Arbeit.

Fakten und Kleenex

Der Rest des Films ist um einen einzigen traumatischen Aha-Moment organisiert. Nachdem Jane den begründeten Verdacht hat, dass die neue, sehr junge, sehr hübsche Assistentin erstens nicht wegen ihrem CV an den Job gekommen ist und zweitens gerade in ihrem Hotel einen Chefbesuch bekommt, wendet sie sich an den für interne Beschwerden zuständigen Mitarbeiter. Diese Begegnung ist das Herzstück dieses konzentrierten und reduzierten Films. Der Typ schreibt alle Fakten, mit denen Jane ankommt, auf ein Blatt Papier, führt ihr vor, wie dürftig die Beweislage ist, gibt ihr zu verstehen, dass das nicht das erste Mal ist und die Dinge so sind, wie sie sind. „Are you really sure you want to file a complaint for this?“ Jane beginnt zu verstehen. Ihr Gegenüber schiebt, von einer plötzlich sehr dominanten Tonspur unterstützt, eine Kleenex-Box in ihre Richtung, wenig später zerreißt er das Blatt.

In zwei Bewegungen wird das Vertrauen in institutionelle Gerechtigkeit zur Einsicht in institutionalisierte Ungerechtigkeit. Macht und Machtlosigkeit, ganz plastisch. Auch wenn dort drinnen vielleicht gerade eine Welt zusammenbricht, bleibt Jane nach außen tapfer, schluckt, behält die Tränen gerade so noch in den Drüsen. Sie hat ans harte Papier geglaubt und nur ein weiches gereicht bekommen. Was sie damit anfängt, will der Film gar nicht mehr wissen, weil der Teufel im System steckt.

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