That Summer in Paris – Kritik
Berlinale 2025 – Perspectives: Die junge Touristin Blandine stürzt sich nach einer Trennung ins Getümmel der Olympischen Spiele in Paris. That Summer in Paris ist eine sommerliche Tragikomödie voller unangestrengt eingefangener Emotionalität.

Die Olympischen Sommerspiele in Paris sind in vollem Gange. Für manche gleichen sie Staatsterror, legen sie doch das Leben in der Stadt komplett lahm und geben der Polizei ungeahnte Möglichkeiten, die Pariser:innen stärker noch als bislang zu überwachen. Für Sporttourist:innen wie Blandine sind sie jedoch das Gegenteil: eine willkommene, aufregende Abwechslung vom gleichförmig dahinplätschernden Alltag. Und sie sind eine Chance, bewunderte Sportler:innen wie die Schwimmerin Béryl Gastaldello anzufeuern, ihre live-gestreamten Insta-Stories quasi aus nächster Nähe zu liken und eine Zeit lang die Gedanken weniger um sich selbst kreisen zu lassen.
Blandine wollte eigentlich mit ihrer Partnerin Caroline die Spiele besuchen, dann kam die Trennung dazwischen. Die Anfangdreißigerin hält jedoch an der geplanten Reise fest – vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Trauer, vielleicht aus Mangel an Alternativen. Ganz sicher aber auch deshalb, weil sie in Paris nicht nur das Großevent, sondern auch ihre Halbschwester und deren achtjährige Tochter nach einem Jahrzehnt wiedersehen bzw. kennenlernen möchte.
Nah an den Figuren, ohne aufdringlich zu sein
Der Plan des Tribünenmitfieberns geht jedenfalls gründlich schief. Gleich zu Anfang wird Blandine mit ihrem Reiserucksack an der Besucherschleuse abgewiesen. Wie man so dämlich sein könne, nicht den entsprechenden Hinweis auf dem Ticket zu lesen, gibt jemand per Funk dem Sicherheitsbeamten durch, während Blandine in Schockstarre daneben steht. Es ist die erste von vielen Demütigungen, die Blandine in Paris erfahren wird, und wie es ihre Art ist, beugt sie sich mit traurigem Blick ihrem Schicksal. Bleibt eben mehr Zeit für die Familie.
Valentine Cadics Langfilmdebüt That Summer in Paris (Le rendez-vous de l’été) ist mit seiner unangestrengt eingefangenen Emotionalität sehr kinofranzösisch geworden. Eine sommerliche Tragikomödie um Liebe und Familie, ein Film, in dem Freude und Melancholie Hand in Hand gehen und der seinen Figuren stets nah ist, ohne ihnen allzu nahe zu treten. Er gibt nicht vor, sie besser zu verstehen als sie es selbst tun und ebendas macht ihn so lebendig und offen.
Auf mäandernden Pfaden durch die Welt

Wie in einem Dokumentarfilm sind wir zuallererst eingeladen, den Figuren durch ihre Welt zu folgen. Gedreht wurde 2024 während der realen Olympischen Spiele und die Unordentlichkeit der Wirklichkeit durchdringt jede Szene. Sanft schwenkt die Kamera durch die Menschenmassen und versucht, Blandine im Fokus zu behalten, ihren Körper und ihren Gang, der kein typischer Kinokörper und kein typischer Kinogang ist. Blandine mäandert mit ihrer Touri-Funktionskleidung umher und sucht inmitten der anderen Schaulustigen etwas, von dem sie vielleicht selbst nicht weiß, was es denn genau ist. Das Schauspiel von Blandine Madec, die hier nicht einmal ihren Vornamen zu tauschen braucht, ist voller Unebenheiten und mimischer Merkwürdigkeiten, kommt dabei aber ganz ohne Exzess aus.
Wie das zeitgenössische Kino ihres französischen Komödienkollegen Guillaume Brac erschafft Cadic hier eine Welt, die vom großen Gefühlskanon des Kinos bestimmt ist, ohne jedoch zum Melodram zu werden: Blandines Beziehung zu ihrer Schwester Julie, die Beziehung Julies zu ihrem Exfreund, die Hoffnungen, die Blandine in die Urlaubsbekanntschaft mit dem Wachmann Benjamin setzt: Von all dem und von noch viel mehr erzählt That Summer in Paris – stets mit lockerer Hand und mit viel Witz.
Ein Film in Novellenform
That Summer in Paris ist mit seinen kompakten 77 Minuten ein Film in Novellenform, ein Kino der Andeutungen und Auslassungen. Nicht alles, was bedeutsam ist, schafft es ins Bild, das Geschehen setzt sich stückchenweise zusammen, mit ebenjener Zaghaftigkeit, mit der sich auch Blandine ihrer Umwelt mitteilt. In einer der schönsten Szenen des Films steht Blandine erwartungsvoll auf einer Seinebrücke um dem Beginn eines Schwimmwettkampfes zuzusehen, bei dem ihr Idol Béryl Gastaldello an den Start gehen soll. Da kommt ein Journalist auf sie zu und fragt sie, was sie davon halte, dass der Wettkampf wegen schlechter Wasserqualität abgesagt sei. Wie beim verweigerten Einlass zu Filmbeginn kann es Blandine kaum fassen, was sie für ein Pech hat, doch lässt sie es sich nur halb anmerken. Stattdessen setzt sie an, ohne Punkt und Komma zuerst von Gastaldellos überstandener Burnout-Erkrankung, danach von ihren eigenen Plänen mit der neuen alten Familie in Paris zu erzählen. Der Interviewer ist von so viel Realität überfordert, bedankt sich und geht.
Ironischerweise ist es dann die einzige irreale, ja traumgleich entrückt wirkende Sequenz des Films, in der Blandine der Schwimmerin doch noch begegnet. Blandine wacht am Flussufer in der Morgendämmerung auf. Heute geht ihr Zug zurück in die Normandie und sie scheint kurz zu brauchen, um zu realisieren, dass ihr Parisbesuch nun zu Ende geht. Dann erblickt sie eine Frau am anderen Ufer, die ihre Hunde Gassi führt. Ist es Gastaldello? Blandine winkt. Lächelnd winkt die Frau am anderen Ufer zurück.
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