Thanksgiving – Kritik

Massaker am Black Friday: Eli Roth löst das Versprechen ein, das er einst mit seinem Grindhouse-Fake-Trailer gab. Thanksgiving belebt pflichtschuldig Slasher-Motive der 1980er Jahre wieder, vergisst dabei aber ein zentrales Element.

Thanksgiving beginnt am Black Friday. Einem völlig eskalierenden Sale, in dem ein Mob in ein Kaufhaus einfällt wie eine Horde Zombies, die ohne erkennbare Hirntätigkeit nur mehr dem manischen Willen zum Besitzen und zum Sparen erliegen. Leute werden zertrampelt, ein Hals wird an den Scheibenresten in der Tür aufgerissen, eine Schädeldecke von einem Einkaufswagen demoliert. Statt den Verletzten zu helfen, wird ihnen das herabgesetzte Waffeleisen aus den Händen gerissen oder das Elend enthusiastisch mit dem Handy gefilmt. Eli Roth lässt seinen Film also als schwarzhumorige Sause über rücksichtslosen Egoismus und den Wahn bei den Black Friday Sales beginnen, als Miniatur voller Biss, Witz und Unverschämtheit, die sich von der Realität erschreckend wenig unterscheidet.

Uninspirierter Aufguss

Der Ursprung für Thanksgiving findet sich auch in einer Miniatur, nämlich in Roths Fake Trailer für einen fiktiven Slasher, der Teil von Quentin Tarantinos und Robert Rodriguez’ Grindhouse war. Ebenso wie in Machete, wo 2010 der reale Film auf den Trailer gefolgt war, hat jetzt auch Roth die makabren Ideen seines Zweiminüters in eine lange Geschichte eingebunden. Ein Jahr nach dem Sale möchte der Laden aus der Auftaktszene wieder seine Tore zum Black Friday Sale öffnen. Als ob nichts geschehen wäre. Woraufhin ein Mörder beginnt, die Schuldigen von damals abzuschlachten. Also etwa jene, die rücksichtslos durch den Laden rannten. Aber auch den Ladenbesitzer und seine Frau sowie die Tochter des Besitzers, die mit ihren Freunden an der wartenden Menge vorbei in den Laden ging und so das Überkochen provozierte.

Dass der Film als satirische Zombieapokalypse beginnt, kommt sichtlich nicht von ungefähr. Denn von der Lust am Slasher ist den Film über kaum etwas zu spüren. Pflichtschuldig wird Halloween (1978) zitiert und getan, was in einem Slasher eben getan werden muss. Wenn der Mörder im schwarzen Umhang und mit der Maske des Pilgervaters John Carver seinen Opfern hinterherrennt, dann fühlt es sich wie der soundsovielste Aufguss nicht einfach nur von Halloween, sondern gleich vom Meta-Slasher Scream an. Wie die Wiederkehr von etwas, dass schon vor Jahrzehnten gestorben ist und lediglich pflichtschuldig und uninspiriert wiederbelebt wird.

Genre als Korsett

In einem Film, in dem mehrmals angebracht wird, dass sich Täter durch Details verraten, baut Roth auch gleich zu Beginn ein Detail ein, an dem der Täter erkennbar ist. Er kredenzt quasi ein Easter Egg, das den Finder mit dem Ende jeglicher Spannung belohnt. Der Plot, der die Einzelteile zusammenfügt und der sehr viel Platz bekommt, um das ungelenke Geschehen auszubuchstabieren, wirkt wie eine Art Strukturplan für einen Slasher, dem dann ohne viel Engagement gefolgt wird. Das Genre, das der Trailer verspricht, scheint Roth zuweilen wie ein Korsett, auf das er gar keine Lust hat.

Es muss halt stilecht zu den Szenen gelangt werden, die der Trailer versprach, deren Vergnügen aber gerade darin lag, dass sie so exzessiv waren, dass ein dazugehöriger ganzer Film in seiner Abgründigkeit kaum vorstellbar war. Thanksgiving ist deshalb am stärksten, wenn er nicht einfach nur die Slasher der 1980er Jahre wiederaufleben lassen möchte, sondern eigenen Akzenten nachgeht. Etwa wenn eine der manischsten Einkäuferinnen ein Jahr später eine ganz normale Angestellte in einem Diner ist, womit plötzlich eine ganz simple Frage im Raum steht. Wie nämlich die Gesellschaft damit umgehen soll, dass jemand nur für den Bruchteil seines Lebens zur Wahnsinnigen wurde. Oder wenn der Mörder seine Maske und sein Verhalten abwerfen kann und als Mörderclown durch den Nebel einer Parade läuft, die zum Massaker wurde. Oder wenn Thanksgiving als Zombiefilm beginnt.

Hemmschwelle Sex

Noch wohler fühlt sich Roth aber sichtlich, wenn er zum Daseinsgrund seines Films vordringt. Wenn er auf brutale, explizite Weise menschliche Körper zerstören darf. In den kleinen Momenten, wenn Köpfe von Körpern geteilt und Torsos durchtrennt werden, wenn Haut platzt, zerreißt und verbrennt, wenn es darum geht, dass Körpergrenzen nichts mehr bedeuten und in brutalen Augenblicken unser Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit ins Nichts fällt, dann zeigt er sich am kreativsten und am lustvollsten. Als sporadisch drastischer Film jenseits von gutem Geschmack und Ernsthaftigkeit.

Vor allem wird in diesen Momenten aber deutlich, was den Film vom Trailer unterscheidet, was als breiter Graben zwischen dem Grindhousekino der 1970er und 1980er einerseits und dem aktuellen Horrorkino andererseits steht: der Sex. Der Mord während des Blowjobs, der Mörder, der den Hals eines abgetrennten Kopfes fickt, werden erst gar nicht übernommen. Im Trailer sehen wir außerdem eine Cheerleaderin sich auf einem Trampolin entkleiden, nur um im Spagat auf eine Klinge unter sich zu springen und so tödlich penetriert zu werden. Im Film bleibt sie verhüllt und wird nur in weit weniger explizite Gegenden ihres Körpers getroffen.

Im Trailer gibt es eine nackte Frau, die wie ein Truthahn zubereitet wurde. Im Film wird ihr Körper genüsslich von einem Pinsel mit Butter eingestrichen, aber nur in Gesicht und an den Beinen. Ihre Kleidung bleibt an, weil die eine Form von Perversion – körperliche Gewalt – vollkommen satisfaktionsfähig scheint, während Sex in jeder halbwegs expliziten Form schon zu viel ist. Diese Hemmschwelle scheint der Filmwerdung von Roths Trailer vor allem im Weg zu stehen, da Thankgiving sich zur einen Hälfte ausleben darf und zur anderen aber völlig verleugnen muss.

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