Support the Girls – Kritik

Auch in seinem neuen Film Support the Girls erzählt Andrew Bujalski von den Absurditäten gegenwärtiger Arbeitswelten – und findet Solidarität unter Kellnerinnen, die leicht bekleidet Chicken Wings servieren.

Lisa (Regina Hall), Danyelle (Shayna McHayle) und Maci (Haley Lu Richardson) schreien. Ihr gemeinsamer Schrei beschließt einen äußerst beschissenen Arbeitstag, ringt den dreien aber wenigstens ein Lächeln ab. Hören kann sie niemand auf dem Dach des Gebäudes, das vom Rauschen des texanischen Highways eingeschlossen ist. Für Lisa klingt es, wenn sie die Augen schließt, fast wie am Strand. Der kleine Moment mitten im tristen, vierspurigen Panorama ist das, was von ihrem Feierabend geblieben ist.

Ein Schutzengel namens Lisa

Das „Double Whammies“ ist eine dieser Bars, in denen leicht bekleidete Kellnerinnen nachmittags Familien Chicken Wings servieren und abends Männergruppen Pitcher-weise mit Bier versorgen, während diese auf zahlreichen Bildschirmen das Sportevent das Tages verfolgen. Andrew Bujalski erzählt in Support The Girls erneut aus einem Arbeitskontext, in dem die Angestellten zum Freiwild erklärt werden. Anders als die Fitnesstrainer, die sich Bujalskis Komödie Results noch ganz am Imperativ der neoliberalen Selbstoptimierung aufreiben, steht in seinem neuen Film aber eine Art Schutzengel zwischen der Ausbeutung und den angestellten Kellnerinnen: Lisa, die Managerin des „Double Whammies“. Ihr unbändiger Wille, sich für andere einzusetzen, gibt die Bewegungsrichtung und zugleich die liebevolle Grundstimmung des Films vor. Nach einem desaströsen Roadtrip mit Restaurantbesitzer Cubby (James LeGros) und einem von Streits geprägten Rückweg im Auto des lethargischen Ex-Manns kann Lisa einfach nicht anders als auch noch der kürzlich entlassenen Krista (AJ Michalka) in einem verwaisten Saftladen Trost zu spenden. Den allseits propagierten Respekt, der in den „Double Whammies“-Firmenstatuten wie ein zynischer Witz wirkt, versucht Lisa im Arbeitsumfeld der „Mancaves“ auch tatsächlich zu pflegen.

Vom Kollektiv her gedacht

Bujalski bringt den schier unerschöpflichen guten Willen seiner Protagonistin in eine Welt, in der Sexismus zum Franchise gehört, der Titel Familienrestaurant aber weiterhin als ein Deckmantel und Goldstandard heranzitiert wird. Immer gibt es hier jemanden, der eine Starthilfe, einen Babysitter, Schutz vor den übergriffigen Kunden oder einfach einen gemeinsamen Drink braucht. Die entgegengesetzten Kräfte treffen allerdings nicht in dramatischen Spitzen aufeinander, sondern breiten sich nach allen Seiten aus. Es ist eine mäandernde, keine zielgerichtete Bewegung, die Support the Girls verfolgt. Lisa hangelt sich durch den Tag, indem sie die Probleme ihrer Mädels zu ihren eigenen macht, und mit Augenzwinkern, mit Humor und mit glühenden Willen in die Bresche springt. Bujalski füllt das Vakuum des Arbeitsumfelds mit einem solidarischen Miteinander.

So finden die Girls neben der eigenen Schicht noch die Zeit, eine Spendenaktion für eine abwesende Kollegin zu starten, die nach Jahren endlich aus ihrer Missbrauchsbeziehung ausgebrochen ist. Gegen einen Solibeitrag waschen sie in ihren „Uniformen“ die Autos, die auf den Parkplatz einfahren. Support The Girls scheint trotz der eindeutigen Anbindung an Lisas Bewegungen immer vom Kollektiv her gedacht. Keine der Figuren ist für Bujalski ein Ornament des Films: nicht die Frauen, die in Hotpants und Minitops durch die Bar tanzen; nicht die Latino-Köche, die mit Bandanas auf dem Kopf in der Küche schuften; ja nicht einmal Restaurantbesitzer Cubby, der in ständiger Angst lebt, sein Restaurant wegen der rücksichtsloseren und größeren Franchises der Konkurrenz schließen zu müssen.

Humanistische Energie und inhumane Strukturen

Cubby begründet seine „Only two black girls each shift“-Politik damit, dass fünf schwarze Mädels in einer Schicht ja auch nicht für Diversität stehen würden – bunt und multikulturell geht es bei „Double Whammies“ trotzdem immer zu. Eine kaum überschaubare Zahl von liebenswerten Gästen und Mädels versammeln sich in den erneut von Kameramann Matthias Grunsky gestalteten Räumen. Während die Mädels durch den Bildhintergrund tänzeln, eilt Lisa zwischen den Kunden hin und her, schmeißt einen aggressiven Biker raus und kümmert sich nebenbei um den Sohn von Chef-Kellnerin Danyelle. So unüberwindbar diese Arbeitsstruktur erscheint, so empathisch stellt sich Bujalski ihr entgegen. Hier gibt es nie einen Zweifel, dass in den inhumanen Strukturen der Beinahe-oben-ohne-Bar eine übersprudelnd humanistische Energie eingepfercht ist. Humor und Drama sind in Support the Girls immer demokratisch-diegetische Angelegenheiten: Jeder hat einen Platz unter Lisas Schutzschirm, jedes der Mädels, ob Maci, Jennelle, Taylor, Reagan, Yejin, Danyelle oder Donnette bekommt einen der großartigen Auftritte des Films; niemand muss nur für eine Punchline herhalten. Und auch wenn ihre Schreie letztlich auf den Asphaltadern der texanischen Highways verhallen – in Support The Girls ist jede Stimme es wert, gehört zu werden.

Zu unserem Interview mit Regisseur Andrew Bujalski geht es hier

Neue Kritiken

Trailer zu „Support the Girls“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.