Straw Dogs - Wer Gewalt sät – Kritik
Fast bildgleich kopiert Rod Lurie Peckinpahs Meisterwerk Wer gewalt sät. Gerade deswegen weiß die Neuverfilmung aber auch zu gefallen.

In Hollywood gilt seit jeher der Leitsatz: besser gut kopiert als schlecht erfunden. Das dachte sich auch Regisseur Rod Lurie, der sich nach einigen recht gelungenen Filmen wie Rufmord – Jenseits der Moral (The Contender, 2000) und Nichts als die Wahrheit (Nothing But The Truth, 2008) schließlich an Altmeister Sam Peckinpah heranwagt. Dieser schuf mit Wer Gewalt sät (Straw Dogs, 1971), dem Folgefilm auf seinen Meta-Western The Wild Bunch (1969), einen der umstrittensten Thriller der Filmgeschichte – und ein zeitloses Meisterwerk.
Lurie verfasste sein Drehbuch zusammen mit David Zelag Goodman, dem Co-Autor des Originals, ganz im Bewusstsein dieser selbst auferlegten schweren Bürde und lässt die Handlung bis auf einige Details unverändert. Das Ehepaar Amy (Kate Bosworth) und David Sumner (James Marsden) bezieht ein ländliches Haus, wo David inspirierende Ruhe für sein neues Buch finden will. Schon zu Beginn treffen die beiden alte Bekannte von Amy, mit denen sie zwiespältige Erinnerungen teilt. Auch der große Rest der Ortsansässigen wirkt wie eine leicht zu provozierende Meute von Strohhunden (im Gegensatz zum Original möchte der Film explizit den Begriff straw dogs erklären). Trotz einiger Annäherungsversuche von Seiten der Sumners schlägt die tollwütige Gemeinde unerbittlich zu: Nach einem Ablenkungsmanöver vergewaltigen die von David engagierten Handwerker Amy. Was folgt, ist ein nicht mehr zu bändigender Ausbruch von Gewalt, der das Heim der Sumners in eine lodernde Hölle verwandelt und alle Beteiligten an ihre psychischen und körperlichen Grenzen führt.

Das Remake wurde vom ursprünglichen Schauplatz Cornwall, England in den Süden der USA verlegt. Viel mehr Änderungen lässt Lurie aber nicht zu. Im Vergleich zu der von Susan George gespielten weiblichen Hauptfigur des Originals verleiht Bosworth ihrer Amy durch ihr sprödes Spiel mehr Reife und Unnahbarkeit. So betont der neue Straw Dogs auf neuartige Weise die Spannung, die zwischen den Ehepartnern besteht – die Charakteristika von David (ursprünglich von Dustin Hoffman gespielt) wurden nahezu unverändert übernommen –, wenn die Kamera kurz, aber bewusst die gegenseitige körperliche Ablehnung in Form von Händewegschlagen ins Blickfeld rückt. Amys alter Freund, der neidische Charly (Alexander Skarsgård), wird Zeuge dieser Dissonanz und nutzt diese zu seinem Vorteil, indem er David auf die Jagd einlädt, nur um ihn von der nunmehr schutzlosen Amy wegzulocken. Die Nemesis konzentriert sich hier, auch das ist neu, sehr stark auf Charlys Person, die Rivalität zweier Männer steht im Vordergrund, was auch in dem offiziellen Teaser-Motiv gelungen visualisiert wird. In gekonnten Schnitten werden stakkatoartig die körperlichen Impulse synchronisiert, welche die unterschiedlichen Tätigkeiten der beiden Männer definieren: Davids tippende Finger gegen Charlys hämmernde Hände.
Wenn man beide Versionen von Straw Dogs im direkten Vergleich betrachtet, fällt die detailgetreue Nachahmung der ursprünglichen Bildgestaltung auf. Amys Körper, im Besonderen die Darstellung ihrer Brüste, die ohne BH durch die Kleidung schimmern, bleibt der signifikante Auslöser der folgenden expliziten Ästhetisierung. Doch die sexualisierte Gewalt wird in Luries Neuverfilmung deutlich weniger betont als in Peckinpahs Original. Dort war die gesamte Vergewaltigungsszene so verstörend inszeniert, dass Straw Dogs in Großbritannien das sonst pornografischen Filmen vorbehaltene X-rating bekam und anschließend 18 Jahre lang verboten wurde. Dass Amy mit David unerfüllt blieb, ließ sie letztlich ihrem Vergewaltiger gegenüber Genugtuung verspüren, dazu erschienen ihre entblößten Brüste und die für Peckinpah typisch gewaltbetonende Visualisierung in Zeitlupe. Gerade diese Szene wirkt bei Lurie aufgrund der von Bosworths verkörperten Stärke weniger schockierend und ist auch deutlich entschärft – mehr als Charlys durchtrainierten Oberkörper bekommen wir nicht zu sehen.

Schlüsseldialoge werden genauso übernommen wie die Ästhetik der Bildsprache. „Every chair is my daddy’s chair“, sagt Amy provozierend zu David, und im Hintergrund befinden sich zwei überaus ähnliche Schrotflinten über dem Kamin, wie sie schon 1971 das aus Holz und Stein erbaute Haus zierten. Die mächtige Bärenfalle, die Davids Rivalen aus scheinbarer Gefälligkeit öffnen müssen, hängt wie ein Damoklesschwert über dem Sims und symbolisiert die angestaute Gewalt, die kurz vorm Ausbruch steht. Ein spätes Wiedersehen mit der Gemeinde des Ortes ist nun vom Vereinshaus ins Footballstadion verlagert worden, die durch heftige Schnitte entstehenden Überlappungen von Erinnerungsbildern und gegenwärtiger körperlicher Präsenz machen dort exakt wie im Original Amys Vergewaltigungstrauma klar: Die Stöße, die Amy einstecken musste, erscheinen als kurze Wiederholungen zwischen den Bodycrashs der Spieler.
Lurie akzeptiert in seiner Neuverfilmung von Straw Dogs, dass Peckinpahs Version mehr als gut funktioniert hat, und möchte ihn keineswegs in der Machart übertreffen. Das ist ihm hoch anzurechnen, gehen doch viele seiner Kollegen derzeit methodisch anders vor und recyceln mehr schlecht als recht vorangegangene Stoffe, wie beispielsweise Dennis Iliadis mit The Last House on the Left (2009) oder Marcus Nispel mit Conan the Barbarian (2011). Luries Respekt vor dem brillanten Stoff, der auf Gordon Willis’ Roman The Siege of Trencher’s Farm (1969) basiert, macht seinen neuen Film überzeugend und mitreißend. Gerade für einen erklärten Fan des Originals ist es ein selten schönes Erlebnis, ein stimmig inszeniertes Remake zu sehen.
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