Spiders - Ihr Biss ist der Tod – Kritik
Gemeingefährliche Krabbeltiere aus der Wüste landen in einem brutalistischen Appartmentkomplex, der sich als Wildnis anderer Art erweist: Sébastien Vanicek mischt in seinem Debüt souverän Banlieue-Drama, Spinnen-Horror und actionreichen Überlebenskampf, verhebt sich aber ein wenig im Finale.

Ein gutes Händchen beweist Sébastien Vanicek in seinem Regiedebüt bereits mit dem Schauplatz. Der brutalistische Gebäudekomplex Arènes de Picasso vor den Toren von Paris ist schon wegen seiner bloßen Größe überwältigend und die Architektur so sonderbar, dass man erstmal googlen muss, ob es diesen Bau wirklich gibt. Zum Horrorfilm Spiders – Ihr Biss ist der Tod (Vermines) passt seine irreale Erscheinung nicht nur, weil die Handlung bald ebenfalls dystopische Züge annimmt, sondern auch weil das kreisrunde, fast schwebende Hauptgebäude mit seinen wuchtigen Seitenarmen dem Star des Films ähnelt: einer Spinne namens Rihanna.
Sozialer Mikrokosmos und anschwellender Suspense

Bevor das gemeingefährliche Krabbeltier in der Banlieue landet, führt uns der Film in eine nicht näher benannte Wüste. Aufgeregte, arabisch sprechende Männer fangen hier Exemplare der angriffslustigen Spinnenart in Tupperschüsseln. Einer dieser Behälter landet im Hinterzimmer eines französischen Spätis, wo er das Interesse von Kaleb (Théo Christine) weckt. Der junge Mann mit dem blondierten Buzz Cut wohnt in besagtem Gebäudekomplex, handelt mit Designer-Turnschuhen und daneben auch mit exotischen Tieren. Er ahnt allerdings nicht, dass sich der Neuling in seiner Sammlung nicht nur rapide fortpflanzt, sondern auch immer größer wird.

Bis es so weit ist, schenkt Spiders seinen Figuren sowie ihren angespannten Beziehungen für einen Horrorfilm ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit. Théo, hinter dessen mackerhafter Schale ein sensibler Kern steckt, liegt im Clinch mit seiner Schwester Manon (Lisa Nyarko), weil sie nach dem Tod der Mutter die gemeinsame Wohnung verkaufen will. Dann erscheint auch noch Théos ehemals bester Freund (Finnegan Oldfield) und reißt alte Wunden auf. Vanicek spannt das soziale Netz noch weiter auf. Bei der Feier einer älteren Bekannten treten Großväter mit markigen Sprüchen auf, während die Jungen heimlich am Fenster kiffen. Und dann gibt es auch noch einen paranoiden Nachbarn mit Blockwart-Anwandlungen sowie eine notorisch missmutige Putzfrau.

Warum hält sich der Film aber so ausführlich mit Figuren auf, die nur wenig später dahingerafft werden? Spiders nutzt diese teilweise ziemlich witzigen Momente, um eine Solidarität unter den Bewohnern zu etablieren, von der bald nicht mehr viel übrig ist. Er bringt uns dabei auch Figuren nahe, mit denen man lieber mitfiebert, weil sie nicht rein funktional sind. Und die Phase der Ahnungslosigkeit dient auch klassischem Suspense. Denn während gefeiert wird, befreit sich Rihanna aus ihrem Schuhkarton und legt schon mal fleißig Eier. Die recht stylishe Kameraarbeit von Alexandre Jamin kündigt das drohende Unheil dabei mit langsamen Zooms und fließenden Schärfeverlagerungen an, während auf dem (zunächst noch von polterndem französischem Hip-Hop dominierten) Soundtrack beklemmende Klangflächen anschwellen.
Es schüttelt einen regelrecht

Die Ruhe vor dem Sturm bietet Spiders auch die Gelegenheit, die Dimensionen seines Schauplatzes zu vermitteln. Der abgefuckte Apartmentkomplex ist in denselben erdigen Farbtönen wie die Wüste gefilmt und erweist sich mit seinen schummrigen Gängen, verwinkelten Kellern und endlosen Lüftungsschächten als eine andere Art von Wildnis. Effektiv reizt der Film die Dunkelheit als Quelle des Unbehagens aus. Stets sind es die nicht einsehbaren Regionen des Wohnraums, in denen die Bedrohung in Form der lichtempfindlichen Krabbeltiere lauert. Die Spinnen sind zunächst klein genug, um sich verstecken zu können, und auch unabhängig von ihrer tödlichen Wirkung schüttelt es einen als Zuschauer regelrecht, wenn sie mit ihren haarigen Beinchen in Schuhe oder Ärmel kriechen.

Je größer dann die Spinnen werden und je sichtbarer dadurch das CGI wird, desto mehr lässt auch der Grusel nach. Kein Problem für den Film, der einfach in den actionreicheren Survival-Modus wechselt. Riesige Spinnweben verwandeln die Wohnungsflure allmählich in klaustrophobische Tunnel, während mit geschickt eingesetzten Ultimaten das Spannungslevel auf hohem Niveau bleibt. Mal wird der Kampf gegen die Zeit durch eine Kellerlampe verkörpert, die nach einer gewissen Dauer erlischt, mal durch eine altmodische Taschenlampe, die immer wieder neu aufgedreht werden muss.

Lediglich gegen Ende vernachlässigt Spiders seine Tugenden. Dass die meisten der Figuren einen Migrationshintergrund haben, in eher prekären Verhältnissen leben und ihre Sicherheit in dem von der Polizei abgeriegelten Apartmentkomplex nicht die höchste Priorität hat, wird die meiste Zeit angenehm beiläufig erzählt. Gerade weil Théo und seine Freunde eigenständige Figuren sind, enttäuscht es ein wenig, dass sie dann doch so halb in eine bedeutungsschwer sozialkritische Ungeziefer-Allegorie gezwängt werden. Allerdings kann der Spannungsabfall im etwas bemüht dramatischen Finale den Gesamteindruck dieses souveränen, stimmungsvollen und fiesen Debüts nur bedingt trüben.
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