Smile 2 - Siehst du es auch? – Kritik

Im zweiten Teil von Parker Finns Horrortrip wandern die tödlichen Wahnvorstellungen in den Kopf eines Popstars weiter. Smile 2 – Siehst du es auch? kultiviert die Stärken des Vorgängers nicht nur, sondern setzt sie auch gezielter ein. Die seelischen Wunden übertragen sich diesmal in garstigen Body Horror.

Als Popstar Skye Riley (Naomi Scott) die Lichter in ihrem Appartement anschaltet, stehen ihr in einem Flur plötzlich eine Front breit grinsender Fans gegenüber. Sie schrickt zurück, flieht, bis sie gegen eine Couch knallt, und als sie wieder hinschaut, sind die bedrohlich dreinschauenden Anhänger beträchtlich nähergekommen. Doch sie stehen weiterhin nur da und starren sie an. Das Spiel wiederholt sich einige Male und wirkt schließlich wie das Kinderspiel „Ochs am Berg“: Kinder laufen den zählenden „Ochs“ zu, sobald er sich aber umdreht und sich jemanden bewegen sieht, scheidet dieser aus. Skye wird dem Druck des Starrens nicht Stand halten und einen Ausweg suchen, sich deshalb immer wieder wegdrehen und die dann losstürmenden Verfolger damit näher an sich heranlassen.

Perfektes Selbst und fehlerhaftes Sein

Während Skye von Panik förmlich zerrissen wird, ist dem Zuschauer zu diesem Zeitpunkt klar, dass da niemand in ihrem Appartement ist außer ihr selbst. Diese Leute sind an einem viel gefährlicheren Ort, nämlich in ihrem Kopf. Wie der Vorgänger handelt Smile 2 von einer Entität, die sich von Traumata ernährt. Die sich im Kopf eines Wirts einnistet und diesen langsam mit Wahnvorstellungen in den Irrsinn treibt. Nach einer Woche lässt sie ihn Selbstmord begehen/bringt sie ihn um, je nach Perspektive. Jedes Mal aber vor den Augen eines Zeugen, der sich durch diese traumatische Situation mit der Entität infiziert und der neue Wirt wird.

Soweit bleibt alles gleich in der Fortsetzung. Nur geht es in Smile 2 nicht um eine Psychologin, die sich in der Vergangenheit auf die Suche nach Ursachen begibt, die also tiefenpsychologisch Sinn in ihrer Welt sucht, sondern um einen Superstar, der von aller Welt beobachtet wird. Sie befindet sich im Brennglas der Öffentlichkeit und darf sich keine Fehler leisten. Skye lacht also nicht einfach nur, um das, was in ihr geschieht, vor ihren Mitmenschen zu kaschieren, sondern hat es zu ihrem Job gemacht, für Kameras und die Massen zu lächeln und den Projektionen ihrer selbst zu entsprechen, die andere sich von ihr machen.

Angetrieben wird sie von einer passiv-aggressiven Mutter, einem Über-Ich, das doch nur verlangt, dass sie funktioniert, und alles dafür tut, keine Probleme zu machen. Diese Drucksituation übersetzt sich in visuelle Kontraste: Zunächst sind da die kunstvoll inszenierten Tanznummern, die glamourösen Kostüme und edel, wunderschön fotografierten Bilder. Eine Umkleide sieht mit ihrem gezackten Teppich und ihren Vorhängen wie eine entfärbte Version der Black Lodge aus Twin Peaks aus. Auf Stil und Schönheit folgen jedoch oft Schmerzensschreie, zu nahe, aufdringliche Einstellungen von Gesichter, Dreck, Hässliches, und Blut. Der Wunsch eines perfekten Selbst wechselt sich ab mit dem fehlerhaften Sein.

Ein Leben als Folter

Skye ist so den gesamten Film über der Ochs am Berg, der, wenn er nicht genau aufpasst, von der Boulevardpresse, enttäuschten Fans und Freunden eingeholt wird. Sie führt ein Leben umgeben von Leuten, die sich über sie definieren und die sie nur enttäuschen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass der Teufelskreis bereits eskalierte. Skye Riley steht nämlich vor ihrer Comeback-Tour, nachdem sie sich ein Jahr in der Reha befand. Mit ihrem Freund war sie unter Drogeneinfluss von der Straße abgekommen. Ruhig und lächelnd erzählt sie in einer Talkshow, dass sie es überstanden hat, dass sie daraus gelernt hat, dass sie das Tal durchschritten hat. Ein blitzartiger Schnitt und immer wieder eingewobene Rückblenden über den ganzen Film zeigen aber, dass das, was mit ein paar Floskeln und einem Lächeln weggewischt wurde, seelischen Horror bedeutet – ausgerissene Haare, Selbsthass, ein Leben als Folter. Stets ist sie einen Schritt von der Katastrophe entfernt.

Diese Verschiebung mittels der Hauptfigur hat für den zweiten Teil zur Folge, dass er viel konzentrierter daherkommt als der Vorgänger. Das Irren durch eine offene, verzweigte Welt, in der wir und die Protagonistin erst herausfinden müssen, was los ist, lässt Regisseur und Autor Parker Finn völlig weg. Stattdessen setzt er die Grundsituation viel selbstbewusster und Skye in eine enge Blase, aus der es kein Entkommen zu geben scheint und die sich immer mehr um sie zusammenzieht. Die Stärken des Vorgängers werden also kultiviert und viel gezielter einsetzt.

Drastische Versehrheit

Neben der engmaschigen, nie ablassenden Verfolgungsmaschine äußert sich das in enormen Gore-Spitzen. Eingeschlagene Gesichter, grob verteilte Innereien und Körperteile, herausgebrochene Kiefer, aus dem Fleisch herausschauende Knochen: Die seelischen Wunden übersetzen sich durchgängig in drastische körperliche Versehrtheit. Mehr als alle Wahnvorstellung und öffentlichen Peinlichkeiten zeigen sie nachdrücklich und garstig, wie der seelische Schmerz in den Figuren waltet und welche Kerben er schlägt.

Was eigentlich das größte Problem von Smile 2 sein müsste – dass der Zuschauer nämlich viel früher als Skye auf die Idee kommen könnte, dass sie gerade wieder in einer Angstvision festsitzt, dass das alles gerade wieder nicht echt sein könnte – hat dabei den gegenteiligen Effekt. Die Jump Scares und Twists sind nicht die originellsten und effektivsten, auch weil sie etwas vorhersehbar sind. Sie sind schlicht zu jeder Zeit möglich. Das ist weniger tragisch, sondern die Stärke des Films. Die tatsächlichen, wohltemperierten Einsätze der Schrecken finden nämlich in einer absolut gesetzten Atmosphäre der Paranoia statt. Weil das Böse nicht draußen oder im Flur wartet, sondern im eigenen Kopf, ist auch der Terror nicht abhängbar. Und so effektiv kann es sein, da Parker Finn, sein Kameramann Charlie Sarroff und nicht zuletzt der tolle Cast immer wieder die Bilder, die einen verfolgen und das ständige Lauern des Bösen mit einem Gesicht versehen, das uns aus der Dunkelheit der eigenen Unsicherheit entgegenlächelt.

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