Skinamarink – Kritik

Keine Gesichter, kein Überblick, nur kindliche Angst in der Dunkelheit: Kyle Edward Balls Horror-Hype Skinamarink gleicht einem Schlund, in dem sich unsere paranoide Fantasie verlieren kann.

Gesichter sind in Skinamarink Mangelware. Schemen in der Dunkelheit lassen uns hier und da welche vermuten. In Jump-Scare-Blitzen werden uns menschliche Züge entgegengeschleudert. In einem Fernseher laufen Cartoons aus den 1920ern, und die anthropomorphen Wesen darin haben einen ähnlichen Effekt wie Clowns. Das zur Erheiterung Überspitzte der Gesichter und Körper wirkt im richtigen Umfeld plötzlich gruselig. Weil wir nicht mehr in ihnen lesen können, weil es nur noch Entstellungen sind. Ohne die Gesichter sind wir eines Ankers in unserer Weltwahrnehmung beraubt, und der Horror von Kyle Edward Balls Langfilmdebüt – er ist für Regie, Drehbuch und Schnitt verantwortlich – liegt eben in diesem Fehlen von etwas, was uns Halt gibt. Stattdessen gleicht der Film einem dunklen Schlund, in dem sich unsere (paranoide) Fantasie verlieren kann.

Nur Rücken und Hinterköpfe

Das bestimmende optische Motiv von Skinamarink ist Dunkelheit und das Fehlen von Informationen. Türen oder Ecken schälen sich zwar aus der Düsternis, aber immer fehlt der Rest des Raums. Oder wir sehen doch einmal einen größeren Ausschnitt des Hauses, dann steht das Schwarz aber wieder bedrohlich in einem Flur, der das Licht und unseren Blick geradezu zu verschlucken scheint. Wenn sich überhaupt einmal Menschen in die Bilder verirren, dann sehen wir Rücken und Hinterköpfe, die Unsicherheit verbreiten. Unsicherheit, ob wir wirklich wollen, dass sie sich umdrehen. Von den vier Darstellern des Films sehen wir meist aber nur Beine und Füße, während uns der Rest des Bildausschnitts vorenthalten wird. Wenn wir etwas klar gezeigt bekommen, dann nur Details wie ein Spielzeug oder die Struktur eines Bodenbelags, ein Überblick über die Räumlichkeiten und damit das Geschehen wird uns aber radikal vorenthalten.

Zuweilen bleibt das Bild gleich ganz dunkel, und nur das Rauschen des Filmkorns und das durchweg gelungene, brummende und klackernde Sounddesign weisen uns noch darauf hin, dass der Film weiterhin läuft. Das Leuchten eines Fernsehers im Dunkeln hat nicht den beruhigenden Effekt von Licht, das Schatten vertreibt. Sein schummriges Strahlen, die Cartoons, die beharrlich auf ihm dudeln, und besonders die von ihm ausgehende Tonspur offenbaren, was alle audiovisuellen Informationen des Films gemein haben. Sie schränken unsere Wahrnehmung ein, statt sie zu erweitern, veranstalteten einen Karneval, um uns zu verhöhnen.

Allumfängliche Orientierungslosigkeit

Deshalb ist auch schwer zu sagen, was nun eigentlich die Handlung von Skinamarink ist. Zwei Kinder scheinen des Nachts erwacht zu sein. Ihre Eltern sind offenbar nicht zu finden. Wenn sie dann doch einmal in ihrem Schlafzimmer zu sitzen scheinen, bleiben sie, wie gesagt, reg- und gesichtslos. Aber eine andere Präsenz umgibt das Geschwisterpaar. Eine verzerrte Stimme unbekannter Herkunft spricht mit ihnen. Oft ist es nur noch ein dumpfes Grollen, das untertitelt werden muss. Die Befehle der Stimme sind dafür umso klarer. Nach oben sollen die beiden gehen oder unter das Bett gucken. Wenn sie nicht hören, dann werden ihnen Augen und Mund genommen.

Gerade die letzte Drohung täuscht aber, liegt der Grusel hier doch selten in klaren Vorstellungen, was einem geschehen kann oder womit wir es zu tun haben. Das Bedrohliche findet sich stattdessen in einer allumfänglichen Orientierungslosigkeit und im Unwissen um die Situation, in der sich Kevin (Lucas Paul) und Kaylee (Dali Rose Tetreault) befinden. In der Hilflosigkeit, der wir uns als Zuschauer ausgesetzt sehen. In unserer Fantasie, mit der wir allein gelassen werden. Wenn die beiden deshalb aufgefordert werden, unter das Bett zu schauen, und die Kamera ebenso langsam den Blick darunter senkt, evoziert Skinamarink tatsächlich eine kindliche Verstörung vor der Dunkelheit, in der alles Mögliche lauern kann, was unseren Körper und unsere Seele bedroht.

Jump-Scares mit Ansage

Einige der Jump Scares, die oft mit Ansage kommen, aber trotzdem ziemlich wirkungsvoll bleiben, sind zudem wirklich garstig. Und im Kleinen, in einzelnen Momenten, ist das Ergebnis dieser Strategie auch durchaus imposant. Nur die Laufzeit liegt diesem potenziell erstaunlichen Film wie ein Mühlstein auf der Brust. Eine Stunde und vierzig Minuten sind wir diesem Nichts der bedrohlichen Möglichkeiten ausgeliefert, sodass die Abstumpfung vor dem sehr eindimensionalen Werk unabwendbar ist. Wenn dann auch noch ein Klo vor unseren Augen erscheint und wieder verschwindet, dann wirkt diese Form des Grusels auch nur noch lächerlich.

Weil es Skinamarink dergestalt erschwert, die Immersion aufrechtzuerhalten, drängt sich auch immer deutlicher auf, wie sehr Kyle Edward Ball offensichtlich etwas Kunstvolles und Kompromissloses schaffen wollte. Bestenfalls sehen wir dann eine Variation von Chantal Akermans Hôtel Monterey (1973), der in seinem handlungslosen Abfilmen von schummrigen Hotelfluren wie eine Vorstudie von The Shining (1980) erscheint. Wir bekommen so einen schön anzusehenden, abstrakten Film, der Akermans Film um ein klares Konzept erweitert. Oder es passiert eben, dass sich in der Dunkelheit der fragmentierten Bilder immer mehr die Selbstverliebtheit des Filmemachers abzeichnet, der sich an just diesem Konzept endlos selbst aufgeilt.

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