Sick – Kritik
Unter Drehbuchautor Kevin Williamson gerät der Slasher Sick leicht zum formelhaften „Scream mit Corona“. Doch dank der Handschrift von Regisseur John Hyams wird der Überlebenskampf zweier junger Frauen in einem Haus am See im besten Sinne grauenvoll.

Die bekanntesten Filme von Regisseur John Hyams sind wahrscheinlich seine beiden Beiträge zum Universal Soldier-Franchise. Unschöne, avantgardistische DTV-Actionklopper, die zu sich kommen, und deren Personal zu sich kommt, wenn sich gegenseitig Gewalt angetan wird. Der bekannteste Film von Drehbuchautor Kevin Williamson wiederum ist Scream (1996). Nicht nur ein gewandter Slasher, in dem ein Idyll unter einer Mordwelle zusammenfällt, sondern ein Film, in dem die Figuren um die Regeln des Geschehens wissen und ihm trotzdem nicht entkommen können. Das Drehbuch von Sick (2022) stammt von Williamson (sowie Katelyn Crabb), Regie führte John Hyams. Beides ist kaum zu übersehen.
Lockdown-Idyll mit Schönheitsfehlern

Parker (Gideon Adlon) und Miri (Bethlehem Million) sitzen vorm Fernseher, und jedes Mal, wenn in der Berichterstattung der Name Fauci fällt, muss ein Kurzer gekippt werden. Wir befinden uns mitten in der Coronapandemie, die beiden jungen Frauen haben sich in das luxuriöse Ferienhaus von Parkers Eltern zurückgezogen und wollen den Lockdown so angenehm wie möglich an sich vorüberziehen lassen. Die nächsten Nachbarn befinden sich am anderen Ende eines Sees, das Wasser ist frisch, im weitläufigen Haus gibt es Kamin und Partykeller. Blöd ist nur, dass auch DJ (Dylan Sprayberry) vorbeikommt, um Parker, die sich partout nicht binden will, seine Liebe zu gestehen, und dass eine dunkle Gestalt mit Messer durchs Haus schleicht und töten möchte.
In dieser Konstellation gewinnt der Titel drei Dimensionen. Es geht erstens darum, wer buchstäblich krank ist, wer also Covid hat und wer nicht. Aber auch darum, wessen Verhalten am kranksten, am verantwortungslosesten ist – befinden wir uns mit der zeitlichen Verortung doch auch am Höhepunkt einer Welle hysterischer Schuldzuweisungen. Und durch das Genre wird schließlich die inhärente Frage mitgeführt, wie krank es eigentlich ist, sich Mord und Totschlag anzusehen anstelle von Häschen, die über Blumenwiesen hoppeln.
Repetitive Schläge

Dass diese dritte Dimension recht deutlich sichtbar wird, liegt nicht daran, dass Williamson abermals einen Metaansatz gewählt hätte. Vielmehr ist es Hyams, der für einen ziemlich sicken Film sorgt. Die Spannung mit dem Spiel, ob im Schatten der Mörder lauert oder noch nicht, liegt ihm nicht besonders – die im Hintergrund herumschleichenden Schattenmänner sind ziemlich uninspirierte Scream-Aufgüsse. Das scheinbare Paradies setzt Hyams dann schon ziemlich prachtvoll in Szene. Was er aber sichtlich am meisten genießt, ist dessen Zerstörung – beziehungsweise die ihm innewohnenden Schrecken sichtbar zu machen. Hyams Name steht für den Terror des Films. Für die dunklen, weiten Fluchtwege, die so eingefangen sind, dass sie kalt und eng wirken. Für die nächtliche Floßfahrt, die zum Albtraum wird, in dem überall zwischen den Planken Klingen hervorschnellen können.
Vor allem ist aber nicht zu übersehen, dass Hyams Metier der Actionfilm ist. Sobald sich die Heldinnen mit der dunklen Gestalt schlagen und Verfolgungsjagden liefern müssen, ist er endlich in seinem Element. Schnitte in Achillessehnen, repetitive Schläge mit stumpfen Gegenständen auf Köpfe, ein gegen Wände und Scheiben geschmetterter Körper: das Grauen und die Ästhetik körperlicher Gewalt liegen ihm sichtlich. Und wenn sich im Auftakt ein junger Mann (Joel Courtney) schon vor Parker und Miri mit dem Mörder herumschlagen muss, dann entfesselt die Kamera schon hier den Überlebenskampf als blutrünstiges Ballett. Das Ausmaß der Gewalt bleibt zwar weit von dem seiner Universal Soldier-Filme entfernt, und deren niederdrückende Hässlichkeit fehlt auch, trotz aller Slickness ist die Vereinzelung der Hauptfiguren aber doch im besten Sinne grauenvoll.
Der Regisseur am längeren Hebel

Was uns zu Williamson bringt. Der ist diesmal, wie gesagt, nicht an Metadiskursen über das Horrorkino interessiert, sondern nutzt die Formelhaftigkeit dieses sichtlich aus seiner Feder stammenden Slashers, um etwas über Corona zu sagen. Wiederholt halten die Figuren ihr Umfeld panisch an, doch bitte eine Maske aufzusetzen – während die anderen ohne zweiten Gedanken die bestehenden Regeln einfach ignorieren. Das alles dient als Aufbau für einen Witz, in dem diese Bitte nach einer Maske nur noch absurd wirkt. Sick gelingt es kaum, davon abzulenken, dass diese eine Pointe der entscheidende Existenzgrund des Films ist. Statt sich auf die Klaustrophobie, die wechselseitige Gewalt oder die Angst beziehungsweise Ignoranz vor der eigenen Krankheit zu fokussieren, läuft der Film auf einen konzeptionellen Scherz über die hoffentlich nicht allzu bald wiederkommende Absurdität der Pandemie hinaus.
Sick ist so das Kind (hauptsächlich) zweier Autoren. Jedes Mal, wenn Williamson zu präsent wird, wenn sich das Konzept nach „Scream mit Corona“ anfühlt, ist der Film am schwächsten. Schon allein, weil das bisschen Charisma, das der Schattenmann mit dem Messer entwickelt, in dem Moment verloren geht, als die Maske fällt und eine Erklärung auf uns wartet. Der Schrecken eines anonymen Todes verpufft so. Doch sobald die Handschrift von Hyams deutlich wird und der Film vom Überlebenskampf gegen eine kaum bestimmbare Bedrohung erzählt, die von überall kommen kann, weiß er auch gleich mehr zu sagen als Williamsons Gesellschaftsanalyse in Form eines Scherzes. Und zum unserem Glück und dem von Sick sitzt der Regisseur dann doch am längeren Hebel und kann seine Interessen deutlicher im Film unterbringen.
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