Short Stay – Kritik

MUBI: Labernde Slacker und solche, die es nicht sein wollen. Ted Fendt begleitet in seinem ersten Langfilm einen Typen, der sich längst ergeben hat.

Short Stay 01

Zwei Freunde, bei denen man Feinde nicht mehr braucht, ein temporärer Mitbewohner, ein Mädel, das love interest zu nennen ein Hohn wäre – daraus besteht der Dunstkreis von Mike (Mike Maccherone), dem Helden von Ted Fendts Short Stay. Oder Anti-Helden. Oder auch egal. Wir weichen Mike jedenfalls nicht von der Seite. Einmal, schon gegen Ende des Films, wird er eingeladen auf einen Ausflug, von zwei jungen Damen, bei denen er zeitweise untergekommen ist (der erweiterte Dunstkreis). Für die Fahrradtour fehlt Mike das Fahrrad. Aber kein Problem, dann läuft er eben. Das ist ganz schön weit, sagt eine der beiden. Das macht nichts, sagt Mike. Man erklärt ihm den Weg, und Mike läuft schonmal los, während die anderen ihre Räder vorbereiten. Während er in den Bildhorizont entschwindet, sehen ihm die beiden Mädels hinterher, aber obwohl wir zu gern gewusst hätten, was sie eigentlich so über Mike denken, schneidet Fendt weg, bevor sie das erste Wort sprechen, und hin zum Ziel des Ausflugs. „Das war ganz schön weit“, sagt Mike bei seiner Ankunft.

Komödiensabotage

Es gibt also weder Lästereien noch Solidaritätsbekundungen hinter dem Rücken des Protagonisten, wir sind allein auf seine Fassadenfront angewiesen, wenn wir uns zu ihm verhalten wollen. Doch hinter dieser Brille und diesen Augenbrauen passiert nicht viel. Mike hat das mit der Mimik aufgegeben oder niemals ausprobiert. Oder eben Fendt das mit der Figurenpsychologie. Short Stay mutet nämlich zugleich extrem naturalistisch und äußerst konstruiert an. Mike könnte ein völlig depressiver Kerl sein, mit dem alle nur Mitleid haben. Er könnte auch ein Typ sein, der keinen Bock darauf hat, in einer absurd-komischen Slacker-Komödie mitzuspielen, und deshalb den Film sabotiert. Wie in seinen Kurzfilmen hat Fendt auch seinen ersten Langspielfilm mit einer Gruppe von Freunden produziert, die auf zwei Abspann-Bildschirme passen und den Figuren ihre echten Namen geliehen haben.

Überhaupt ist das ja das Spannende an Independent-Filmemachern wie Fendt, die aus der mitunter ziemlich selbstreferenziellen Mumblecore-Blase getürmt sind: Sie führen die nerdness nicht als naturalistisches Generationenporträt fort, umarmen gerade das Artifizielle, kreieren Bezüge nicht nur zur Realität, sondern zur Filmgeschichte, weil all dies nicht nur schöner aussieht, sondern auch einen genaueren, genuin ästhetischen Blick auf Gegenwartstendenzen eröffnet, als den Thirtysomethings einfach aufs Maul zu schauen. Fendt hat zudem, wie sein mittlerweile bekannterer New Yorker Kollege Alex Ross Perry es auch weiterhin störrisch tut, auf analogem Filmmaterial gedreht. Das verleiht Short Stay eine schöne Unzeitlichkeit, das körnige Bild scheint die Millennials-Befindlichkeiten in der Vergangenheit zu erden.

Ein neues Leben für zwischendurch

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Zugleich erinnert Fendts Film an den Geist früher Richard-Linklater-Werke, scheint eher in den 1990ern beheimatet, wenn er auch materialistischer daherkommt. Das Driften ist in Short Stay eben alles andere als ein way of life, eher eine Notwendigkeit, weil Jobs und Beziehungen prekär sind. Vor allem driftet man im Kreis. Ausgangspunkt des Films ist Mikes Umzug aus der Provinz von New Jersey nach Philadelphia; sein alter Freund Mark (Mark Simmons) will für eine Weile nach Europa gehen und überlässt Mike sein WG-Zimmer und seinen Job als Fremdenführer durch die Stadt (an irgendeinem Abgrund der Serviceindustrie, selten interessieren sich mehr als zwei Leute für die Tour). Aber wie der Filmtitel schon andeutet, ist das urbane Abenteuer ein zeitlich begrenztes. Mark kommt wieder, früher als geplant, sagt dann, er würde gern wieder in seinem Zimmer einziehen (Platz für einen dritten Mitbewohner gibt es ja nun wirklich nicht) und hält es nicht mehr für nötig, dass Mike die Citytouren übernimmt. Du schmeißt mich also raus und feuerst mich, bilanziert Mike messerscharf.

Einsilbig und ergeben

Ewiges Kreisen also: Mike trifft immer wieder zufällig dieselben Personen, wird eher missmutig auf Partys eingeladen und bringt diese dann mit einsilbigem Smalltalk hinter sich. Er hat sich längst ergeben, und deshalb ergibt sich sein Leben nur noch. Einmal ringt er sich ein Handeln ab, als er einer flüchtigen Bekanntschaft, die ihn zufällig beim Arbeiten trifft und sich freundlicherweise nach seinem Befinden erkundigt, schließlich doch hinterherrennt und sie ins Kino einlädt. Nach dem Film hat sie aber keine Zeit mehr für Mike; entschuldigend führt sie an, sie müsse den Typen sehen, den sie gerade datet.

Das eher hölzerne Spiel der Darsteller drückt dabei jene sozialen Verlegenheiten aus, die naturalistisch ohnehin kaum zu spielen sind. Ein Höhepunkt in dieser Hinsicht ist Mikes Versuch, für die Stadtführung eine auflockernde Anekdote über einen lokalen Footballstar nachzuerzählen, die ihm Mark zuvor beigebracht hat. Die Risse zwischen dem achieving nerd und dem failing nerd erscheinen hier deutlich wie nie: Mike verhaut Pointe wie Struktur der Anekdote, aus seinem Mund hört sich die Geschichte an wie ein skurriler Sprechgesang in einer Fremdsprache, die zufällig auch aus englischen Wörtern besteht.

Den Film kann man bei MUBI streamen.

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