Shiva Baby – Kritik

Emma Seligmans trubelige Komödie Shiva Baby spielt komplett auf einer jüdischen Trauerfeier in New York. Danielle, die von ihren Eltern mitgeschleift wurde, trifft hier auf aktuelle Affären, vergangene Liebschaften und Nebenbuhlerinnen. Natürlich muss das eskalieren.

Verdichten, das gelingt Emma Seligman in ihrem Regiedebüt ganz formidabel. Shiva Baby spielt komplett auf einer jüdischen Trauerfeier in New York, zu der Danielle (Rachel Sennott) von den Eltern mitgeschleppt wird und kurz vor Betreten des Hauses nachfragen muss: Wer ist noch mal tot? Klar also: Wirklich getrauert wird hier nicht, die Shiva vielmehr zum Setting für eine trubelige Komödie irgendwo zwischen Screwball und Girls. Danielle trifft unvorbereitet aktuelle Affären, vergangene Liebschaften und Nebenbuhlerinnen, wird von Omas verbal gegrillt, muss zwischen den Eltern vermitteln und verliert im blödesten Moment zu viel wissende Handys.

Diese ganzen Zutaten in einen Debütfilm zu werfen, das sprengt in der Regel jeden filmischen Apparat, aber Seligman gelingt es, das Ganze um einen stabilen Kern rotieren zu lassen, der so schlicht wie nachfühlbar ist: Danielle ist noch nicht angekommen im Leben; obwohl sie gerade das College beendet, weiß sie noch nicht so recht, wie’s weitergeht, redet sich mit ein paar Job-Interviews raus, weicht aber dem Lebensweg aus, den ihr die Eltern so gern vorzeichnen würden, während Sandkastenfreundin Maya der ganzen Gemeinde strahlend von ihrer Zusage von der Law School erzählt. Wenn in dieser Situation jede noch so entfernte Verwandte auf den neuesten Stand gebracht werden muss, kann das vergnügungstechnisch mit jeder Horrorfilm-Prämisse mithalten.

Natürlich muss das alles also eskalieren, mit einander knutschenden Rivalinnen im Hof, gebrochenen Herzen, blasphemisch verschüttetem Alkohol, Rachefantasien und einem Baby in den völlig falschen Händen. Aber Seligman hat nicht nur in den pointierten Momenten das Gespür fürs richtige Timing, sie fängt das Ganze zum Schluss auch nochmal in einer Geste der Verdichtung ein, anstatt den großen Ausbruch zu feiern: Der gutmütige Vater, so gutmütig, dass er hier überhaupt nichts checkt, lädt als deeskalierender Deus Ex Machina die Konfliktparteien in seinen Großwagen ein, er kann sie ja alle nach Hause bringen. Und so verdrängt man, schluckt man runter, drückt auf dem Pulverfass auf „Snooze“ und zwängt sich nach und nach ins Auto, verzweifelt, enttäuscht, hassend, genervt, ignorant – für ein schön widerwilliges Gruppenfoto eines tollen Figurenensembles.

Der Text erschien urpsrünglich am 12.09.2020

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