Roller Girl – Kritik

Drew Barrymores Regiedebüt vermittelt eine befreiende Botschaft für heranwachsende Mädchen: Pfeift auf die Schönheit, schnallt euch Rollschuhe an, werft mit Essen und kloppt euch!

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Bliss (Ellen Page) will nicht länger gefallen, sondern skrupellos sein. Von ihrer Mutter (Marcia Gay Harden) wird sie regelmäßig zu Schönheitswettbewerben geschleppt, und weil sie dazu keine Lust mehr hat, färbt sie sich aus Protest vor einem Auftritt die Haare blau und erklärt die Flugpionierin und Frauenrechtlerin Amelia Earhart zu ihrer Heldin. Die 17-Jährige arbeitet im perspektivlosen texanischen Kaff Bodeen zusammen mit ihrer Freundin Pash (Alia Shawcat) in einem Diner namens „Oink Joint“ mit riesiger Schweinchenfigur auf dem Dach. Kein Wunder also, dass sie wie Earhart und wie viele Teenager lieber die Welt für sich erobern will.

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Über den Atlantik oder Pazifik schafft Bliss es nicht, aber immerhin bis Austin, Texas, wo ihr die „Hurl Scouts“ über den Weg rollen und ihre Leidenschaft fürs Roller Derby wecken. Sie behauptet, bereits volljährig zu sein, um Teil der Gang werden zu können, legt sich den Kampfnamen „Babe Ruthless“ zu und liefert sich fortan im grünen Minirock mit anderen aggressionsfreudigen Frauen Rempelschlachten auf der Rollschuhbahn. Nebenbei verliebt sich das rücksichtslose Babe in den Sänger Oliver (Landon Pigg), der zwischenzeitlich auf eine Tournee verschwindet und für die Geschichte eher nebensächlich ist, da männlich. So wie Roller Derby, ein Sport, der in den USA seit 1935 existiert und bei uns erst im Kommen ist, fast ausschließlich von Frauen ausgeübt wird, so ist Roller Girl (Whip It) in erster Linie ein Coming-of-Age-Film für ein weibliches Publikum mit schimpfenden und schubsenden Mädchen, die ihren männlichen Trainer Razor (Andrew Wilson) nicht nur wegen seiner Jeansshorts nicht ganz ernst nehmen.

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Drew Barrymores erste Regiearbeit fürs Kino nach einer Fernsehdokumentation und zahlreichen Tätigkeiten als Produzentin (zuletzt von Er steht einfach nicht auf Dich, He’s Just Not That Into You, 2009) verläuft anders als das chaotisch wirkende Roller Derby in klar abgesteckten Bahnen, ist formelhaft, vorhersehbar und voller Klischees, dabei aber erstaunlich unterhaltsam und mitreißend. Basierend auf dem Roman Derby Girl (2007) von Shauna Cross, die auch das Drehbuch verfasst hat, erinnert manches an John Hughes Teenie-Emanzipationsdramen aus den 1980ern, in denen die Außenseiter erst mal ihre Frisur wechseln oder die Brille abnehmen müssen, bevor sie groß rauskommen. Bliss’ Makeover (sie nimmt die Brille ab) verbindet sich mit sportlichem Ehrgeiz à la Kick It Like Beckham (Bend It Like Beckham, 2002) oder Million Dollar Baby (2004) als Synonym für eine feministische Selbstbehauptung, die in dem obligatorischen finalen Wettkampf auf die Feuerprobe gestellt wird. Danach beteuert die junge Heldin ihrer zunächst ahnungslosen, dann missbilligenden und schließlich toleranten Mutti noch brav, wie lieb sie sie hat, womit Roller Girl eine massentaugliche Mischung aus Rebellion und Nettigkeit propagiert.

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Barrymores launiger, aber konventionell erzählter Film lässt eine klare persönliche Handschrift der Regisseurin vermissen. Er profitiert vor allem von seinem starken Frauenensemble und den rabiat-rasanten Szenen auf der Rollschuhbahn, wie man sie im Kino im Gegensatz zum Boxring oder Fußballfeld selten zu Gesicht bekommt. Auch wenn man den kurz erklärten Regeln des Derby nur schwer folgen kann, verbreiten die sich stoßenden, überspringenden, aus der Bahn schmeißenden und auch mal ins Gesicht schlagenden Teams mit ihren Kampfnamen „Smashley Simpson“ (Barrymore), „Maggie Mayhem“ (Kristen Wiig) oder „Iron Maven“ (Juliette Lewis) einen anarchischen Spaß, der ansteckend wirkt. Die dominante Musik u.a. von den Strokes, den Breeders, den Ramones und Radiohead unterstreicht die actionreichen Sequenzen sehr stimmig, lässt gefühlsbetonte Momente aber mitunter wie Videoclips erscheinen.

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Ellen Page ist seit ihren Rollen in Hard Candy (2005), Juno (2007) und Tracey Fragments (The Tracey Fragments, 2007) eine Expertin für frühreife, abgeklärte junge Frauen. Mit der Intelligenz und Erfahrenheit, die sie ausstrahlt, wirkt sie in der texanischen Kleinstadt, als Teilnehmerin von Schönheitswettbewerben, eigentlich deplaziert, und als ruppige Rollschuhbraut erscheint sie besonders im Kontrast zu ihrer Gegenspielerin, der ewigen Rotzgöre Juliette Lewis, zu sanft und liebenswürdig. Dabei ist ihre auf den ersten Blick unpassende Besetzung aber ein spannender Bruch in Barrymores Debüt, das ansonsten dem Mainstream angepasst die individuelle Selbstbestimmung preist.

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