Roland Klick – The Heart Is a Hungry Hunter – Kritik

Sandra Prechtels Dokumentation lädt ein zur Wiederentdeckung eines wahrhaftigen Kino-Alchemisten.

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Filmemachen solle nichts weniger sein als eine Liebesbekundung an das Abgebildete. Diesem Credo hat sich Roland Klick in seinem relativ übersichtlichen Werk (von 1963 bis 1966 drehte er drei Kurzfilme und einen mittellangen Film, von 1968 bis 1989 sieben Langfilme) als deutscher Ausnahme-Regisseur stets verpflichtet. In Sandra Prechtels Dokumentarfilm geht vor es allem genau darum: Nicht die analytisch-distanzierte Auseinandersetzung mit den Klick’schen Produktionen oder eine Einbettung in einen historischen und sozialen Rahmen steht im Vordergrund, sondern das Porträt eines Filmemachers, der sich durch ein äußerst persönliches Verhältnis zum Sujet auszeichnet.

Der Aufbau folgt elliptisch der Chronologie von Klicks Lebenswerk. Nach einer einleitenden Szene aus Deadlock (1970) springt Prechtel zurück ins Jahr 1964 zum zweiten Kurzfilm Ludwig, um sich von da aus bis zu White Star (1983) vorzuarbeiten, wobei sie auch manche Filme auslässt. Mit seiner charismatischen Stimme und einem ganz unprätentiösen, nahbaren Duktus gibt der Regisseur Produktionshintergründe und Anekdoten zu den jeweils zu sehenden Filmausschnitten zum Besten. Da diese Elemente den größten Anteil der Laufzeit einnehmen, erscheint Roland Klick – The Heart Is a Hungry Hunter ein wenig wie ein Audio-Kommentar-Best-of, zumal einige Erzählungen, teils wortwörtlich, bereits auf den entsprechenden Tonspuren der DVDs des Labels Filmgalerie 451 zu hören sind.

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Dazwischen sind alte Aufnahmen von den Dreharbeiten und vor allem Interviews von Klick und ausgewählten Wegbegleitern eingestreut. Klick selbst kommt in zwei Versionen zu Wort. Statements von 2012 wechseln sich ab mit einem Interview von 1997. Bemerkenswert ist dabei die Übereinstimmung mit dem gut fünfzehn Jahre jüngeren Ich. In der Art, wie Klick über sich und seine Filme spricht, ist kein Unterschied zu erkennen. Obwohl er schon lange nichts mehr gedreht hat, scheint er in seiner Regisseurstätigkeit keinen hinter ihm liegenden Lebensabschnitt zu sehen. Noch immer lodert das Feuer der Begeisterung aus seinen Worten hervor.

Eine Außenperspektive auf Klick vermitteln lediglich die Darsteller aus seinen Filmen David Hess, Eva Mattes und der kürzlich verstorbene Otto Sander sowie Kameramann Jost Vacano und Regisseurs-Kollege Hark Bohm, die alle einmal mehr seine Einzigartigkeit und den persönlichen Draht, den er zu seinen Mitarbeitern pflegte, betonen. Die hauptsächlich älteren Semester, die sich hier ausschließlich retrospektiv äußern, versehen Klicks Werk mit einer seltsamen Distanz zur gegenwärtigen (Film)Welt. Ein heutiges Publikum dafür scheint es nicht zu geben. Zwar spricht Klick in einigen Szenen vor einer Klasse junger Filmstudenten, doch auch hier geht es nicht um eine aktuelle Rezeption, sondern um eine Differenz zwischen damals und heute. Filme zu machen sei zu seiner Zeit etwas ganz anderes gewesen, erklärt Klick den Nachwuchsfilmern. Heute bekomme man von der Filmhochschule kostenlos Arbeitsgeräte und könne sich erstmal spielerisch ausprobieren, bevor es ernst werde. Das habe nichts mehr mit dem Kampf ums Filmemachen zu tun, den er ausfechten musste. Die jungen Leute reagieren mit skeptischen Blicken.

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Als Deadlock vorgestellt wird, kommt Klick auf einen zentralen Konflikt zu sprechen: die Außenseiterrolle, in die er von den Vertretern des Neuen Deutschen Films gedrängt wurde, weil er die Verbindung zwischen Kunst und Kommerz wagte. Dabei ist er eigentlich der Inbegriff eines Autorenfilmers, wie Hark Bohm mit einer anrührenden Geste zeigt, wenn er mit den Fingern die Funktionen abzählt, die Klick bei seinen Filmen selbst übernahm, und dabei durcheinander gerät. Eines kommt ganz deutlich rüber: Klick ist eine Persönlichkeit, die mit dieser zugeschriebenen Rolle umzugehen weiß. Selten hat man einen Filmemacher gesehen, der eine derartige Selbstüberzeugung ausstrahlt. Mit jedem zweiten Satz bringt er sich selbst zum Lachen. Schließlich dreht er den Spieß sogar um und argumentiert, nicht er, sondern Kluge, Fassbinder und Konsorten seien die Außenseiter gewesen. Wenn man Marcuses Worte auf die Leinwand bringe, sei der Film zu Ende, und man stecke im Elfenbeinturm fest. Er hingegen habe den Stoff für seine Filme stets direkt aus dem Leben genommen und so ein Kino geschaffen, das sich durch Wahrheit auszeichne (so sagt es Klick gerne und meint dabei vielleicht eher Wahrhaftigkeit).

Aus der Verbindung zur Wirklichkeit sieht Klick die Spannung seiner Filme resultieren, und die Verweise auf die Wahrhaftigheit seiner Geschichten sind der rote Faden der Dokumentation. So seien etwa seine Schauspieler oft überrascht gewesen, wie sehr ihre Rollen Parallelen zu ihnen aufwiesen. Das lag daran, dass er die Figuren entsprechend ihren Wesenszügen entwarf, klärt Klick auf. Den Begriff Schauspieler verwirft er sogleich wieder, denn genau das sollten sie eben nicht sein. Renate Roland, die vor Bübchen (1968) noch nie vor der Kamera stand, hätte gerade deswegen einen so gelungenen Einstand gegeben, weil er sie sich selbst darstellen ließ. Bei Fassbinder habe sie schließlich versagt, weil dieser sie zur Schauspielerin degradierte.

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Seinen Ansatz umschreibt Klick in einem etwas holprigen Vergleich als Kino-Alchemie. So wie Alchemisten versuchten, Gold herzustellen, indem sie ein Leben mit einem Herz aus Gold führten, habe er Filme schaffen können, die Wahrhaftigkeit in sich tragen, da sie für ihn stets Herzensangelegenheiten gewesen seien. Filmemacher zu werden sei somit die einzige Option für Klick gewesen, in allem anderen wäre er gescheitert. Sein Oeuvre wird in Prechtels Dokumentation so sehr mit seiner Persönlichkeit verquickt, dass sie eigentlich auch „Das Leben des Roland Klick“ hätte heißen können. Auch wenn sie insgesamt deutlich zur Kolportage neigt und mehr Bühne für den Selbstdarsteller Roland Klick als ein Film über ihn ist, kann man ihr dies nur schwer vorwerfen. Roland Klick – The Heart Is a Hungry Hunter dürfte dazu beitragen, dem filmischen Einzelkämpfer wieder einen Platz in der Wahrnehmung des Publikums einzuräumen, gerade weil man sich der elektrisierenden Euphorie, mit der sich der noch äußert agile 74-Jährige präsentiert, nur schwer entziehen kann.

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