Resurrection – Kritik
Nowe Horzyzonty Festival: Erleben statt verstehen. Bi Gans Resurrection reist durch Epochen und Genres der Filmgeschichte und entwirft dabei traumwandlerische Bilder, die man nicht immer begreifen muss, um sie zu genießen.

Bi Gans neuer Film setzt in einer Epoche ein, als die Kinos noch „Lichtspielhäuser“ hießen. Das passt, denn Resurrection (Kuang ye shi dai, 2025) ist weniger ein narrativer Film als ein sinnliches Spiel mit Licht, Farben und Filmgeschichte. Alles beginnt in einer luxuriösen Opiumhöhle irgendwo in China um das Jahr 1900. Eine Angestellte des Etablissements verirrt sich in den Katakomben, die sich architektonisch und atmosphärisch an den Filmen des deutschen Expressionismus orientieren. Dort begegnet sie einem „Phantasmer“ genannten Monstrum, das als einziges Wesen auf der Welt noch die Fähigkeit zu träumen besitzt.
Dieses Monster wird im Laufe der sechs Filmkapitel verschiedene Transformationen erleben, sich durch Zeiten und Genres träumen. Diese Rahmenhandlung präsentiert Bi Gan als Neo-Stummfilm mit Zwischentiteln und dem altertümlichen 4:3-Format. Nach der ersten Verwandlung des Protagonisten hin zum Ganoven in einem film noir weitet sich das Bild auf Cinemascope-Breite und die Zwischentitel werden durch Ton-Dialoge ersetzt. In späteren Episoden begegnen wir dem Mensch gewordenen Monster erst in einem verschneiten Tempel wieder, dann als Trickbetrüger und schließlich als ein Teil eines frisch verliebten Paares am letzten Tag des zweiten Jahrtausends. Nach jedem dieser Kapitel sehen wir im Zeitraffer eine Kerze – und mit ihr die Zeit selbst – zerfließen.
Rot-Töne der Unterwelt

Es passiert allerhand während der 160 Minuten Laufzeit. Wer die Handlung versteht, hat entweder einen Doktortitel in Hermeneutik oder verdient zumindest einen. Aber um den Plot geht es gar nicht so sehr. Resurrection hat höhere Ambitionen: Es ist ein primär vom Bild her gedachter Film, der malerische Einstellungen kreiert, mit filmhistorischen Zitaten spielt und allerlei kleine Kuriositäten einflicht – sei es ein wiederkehrender mysteriöser Koffer, ein aus Rosen hergestellter Trank oder ein Zahn, der sich in einen Menschen verwandelt.
Narrativ nimmt sich Bi Gan also alle Freiheiten. Visuell liefert er insbesondere mit dem zweiten und dem fünften Teil große Höhepunkte: In der zweiten Episode folgen wir einem Detektiv erst in einen düsteren Folterkeller mit herrlichen Wasserspiegelungen und Schatten, ehe es ihn in eine Spiegelfabrik treibt, wo er einen Flüchtigen jagt, aber immer wieder nur dessen Reflektionen trifft, während allerlei Spiegel durch seine Schüsse zerbersten.
Auch der fünfte Teil spielt – wie bereits Bi Gans Neo-Noir Long Day's Journey into Night (Dìqiú Zuìhòu de Yèwǎn, 2018) – in der Unterwelt: Ein junges Paar läuft am 31. Dezember 1999 durch ein chinesisches Rotlichtviertel und wartet, ob der nächste Tag einen Sonnenaufgang oder das Ende der Welt bringen wird. Die Kamera schwelgt dabei in den zahlreichen Rot-Tönen dieses Ortes, in den omnipräsenten Leuchtreklamen und schnappt eine Schar Fledermäuse auf, die vorwegnimmt, dass wir bald einer Figur der frühen Filmgeschichte in veränderter Form begegnen werden.
Zum Sterben schöne Plansequenzen

Wenn die mühelos gleitende Kamera dabei in einer der langen Plansequenzen – einem Markenzeichen Bi Gans – das junge Paar begleitet, fängt der Film präzise jenes Gefühl ein, wie es ist, frisch verliebt gemeinsam durch die Stadt zu streifen und die Zeit zu vergessen. Am Ende dieser Nacht wird all das Rot durch einen atemberaubenden, schwarz-blauen Morgenhimmel ersetzt, der im wahrsten Sinne des Wortes zum Sterben schön ist.
Die Episodenform von Resurrection – konkret: das Verfolgen einer Figur über Jahrzehnte hinweg – ist ein Erzählmodus, der im zeitgenössischen chinesischen Autorenfilm auffällig oft vorkommt. Er scheint RegisseurInnen zu erlauben, die Vergangenheit kritisch zu beleuchten, solange klar erkennbar wird, dass es seitdem mit China aufwärts gegangen ist, solange das filmische und das nationale Narrativ also einen Fortschritt zeigen. In Resurrection sucht man jedoch vergebens nach einer übergreifenden politischen Allegorie. Stattdessen entwirft Bi Gan eine traumwandlerische Hommage an das Kino, an Epochen und Genres, deren grandiosen Bildlandschaften man sich aber auch hingeben kann, ohne jede einzelne Referenz zu verstehen.
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