Rabies – Kritik

Israels erster Horrorfilm bedient sich der Schablone des Backwood-Horrors, bahnt sich darin jedoch erfolgreich seine eigenen Wege.

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Die israelische Filmlandschaft wird von Familien- und Kriegsdramen dominiert. Angesichts des jahrzehntelangen Nahost-Konflikts, der den Alltag der Israelis umgibt, ist dies nicht verwunderlich. Dass in diesem Land, das genug mit realer Gewalt konfrontiert ist, nicht zusätzlich auch noch Horrorfilme produziert werden, scheint für die meisten selbstverständlich – allerdings nicht für Aharon Keshales und Navot Papushado, die nun mit Rabies (Kalevet) den ersten israelischen Vertreter dieses Genres vorlegen. Genauer gesagt ist es eine Horrorkomödie, von der sie sich eine kathartische Wirkung erhoffen: Über Gewalt soll man endlich auch in Israel einmal lachen können.

Aufmerksamkeit für ihren Film erregen die beiden Debütanten allein schon durch dessen Seltenheitswert. Neugierig blickt man darauf, wie sich ein israelischer Horrorfilm wohl präsentiert, und muss feststellen, dass er auf den ersten Eindruck unerwartet unpolitisch ist. Die Handlung ist in ein Setting eingebettet, wie es primär amerikanische Horrorfilme prägt: Alles beginnt mit einer jungen Frau, die im Wald in eine Falle geraten ist. Es ist finsterste Nacht. Ihr Bruder, dem es nicht gelingt, sie zu befreien, will Hilfe holen, doch im Dunkel hört man Geräusche, die deutlich machen, dass ihm etwas zugestoßen ist. Mit der nächsten Szene bricht der helllichte Tag an, und die weiteren Protagonisten werden eingeführt: Zwei Waldhüter und deren Hund, vier schmucke Teens, die sich auf dem Weg zum Tennisturnier verfahren haben, und zwei Polizisten. Außerdem ist da noch ein bedrohlich wirkender Mann, der die Frau aus der Falle herausholt, um sie daraufhin zu betäuben und wegzutragen. Wer bis hierhin glaubt, erkannt zu haben, dass es sich also nur um eine weitere belanglose Variation des oft gesehenen Backwood-Horrors handelt, ist auf die falsche Fährte reingefallen, die die beiden Regisseure ausgelegt haben.

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Keshales, Filmdozent und bekennender Fan des italienischen Exploitationkinos, und sein ehemaliger Student Papushado kennen sich aus in der Geschichte des Horrorfilms. Was folgt, unterläuft nicht nur die Erwartungshaltungen, sondern zeugt auch von frischen Ideen. Originell sind beispielsweise einige Momente in der Figurenzeichnung. Diesen fehlt es auch hier an psychologischer Ausarbeitung, und man erfährt nicht mehr über sie, als sein muss, um die Handlung voranzubringen. Wenn zu einigen mittels eingeblendeter Handygespräche doch tiefergehende Informationen gegeben werden, die Mitgefühl und Sympathie erwecken, geschieht dies perfiderweise meist erst im Moment ihres Ablebens. Für das häufig brutale Abtreten ist allerdings nicht der vermeintliche Killer, den man in dem Fallensteller zu Beginn auszumachen glaubte, verantwortlich.

Im Weltbild der Regisseure, die ebenso das Drehbuch schrieben, ist der Mensch immer noch des Menschen Wolf. Die unterschiedlichen Charaktere reichen sich selbst völlig aus, um in Folge von Missverständnissen, Polizeiwillkür, Rachegefühlen oder Verteidigungsdrang eine Welle von unkontrollierter Gewalt auszulösen. So hält Rabies (zu Deutsch „Tollwut“) im Subtext dann doch eine deutlich gesellschaftskritische, an einigen Stellen speziell auf Israel, meist aber auch universal anwendbare Lesart bereit.

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Handwerklich kann die Produktion, der man ihr niedriges Budget nicht anmerkt, ebenfalls überzeugen. Die Kamera fängt die Waldkulisse, in der der komplette Film spielt, bewusst nicht in ihrem dunkel-bedrohlichen und unheimlichen Potenzial ein. Stattdessen dominieren sonnendurchflutete Bilder, die die warme Atmosphäre eines schönen Ausflugtags aufkommen lassen. Das ist nicht nur angenehm anzusehen, sondern erzeugt auch einen interessanten Kontrast zu den blutigen Ereignissen. In den Horrorplot wird dabei manchmal subtil, manchmal eher brachial schwarzer Humor eingeflochten, der sich aus der konsequenten Steigerung des um sich greifenden Wahnsinns speist. Die Montage führt die verschiedenen, teils unabhängig voneinander ablaufenden Parallelhandlungen, die allesamt ihrer eigenen Eskalationslogik unterworfen sind, bruchlos zu einer Gesamterzählung zusammen.

Keshales und Papushados Konzept geht also auf. Mit Beginn des Abspanns kann man sowohl auf spannende Momente und exzessive Gewalt, aber eben auch einige befreiende Lacher zurückblicken. Natürlich hat ihr Erstlingswerk ebenso seine schwächeren Stellen, grenzt sich als Gesamtfilm jedoch deutlich gegen die Unmenge an Routineproduktionen ab. Dass das Horrorgenre damit gerade aus Israel frischen Wind bekommt, hätten wohl die wenigsten gedacht.

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