Pompo the Cinéphile – Kritik
Neu auf DVD: Takayuki Hiraos Anime Pompo: The Cinéphile glaubt daran, dass Filme Leben verändern, seelische Verletzungen heilen und Hoffnung schenken können. Doch unter den Augen der Hauptfigur sind durchgängig schwarze Ringe.

Filme, in denen das Showgeschäft im Allgemeinen – wie in Showgirls (1995) oder Neon Demon (2016) – oder Hollywood im Besonderen – wie in Stadt der Illusionen (The Bad and the Beautiful, 1952), Boulevard der Dämmerung (Sunset Blvd., 1950) oder Maps to the Stars (2014) – als seelenfressende Orte beschrieben werden, haben Tradition. Träume werden zu Albträumen; wer es dort schaffen, wer gar überleben möchte, muss aus einem besonderen Holz geschnitzt sein, am Ende aber wartet die Korruption. So der Tenor (dieser Selbstbeschreibungen).
Kein Horror unter der Oberfläche

Ganz anders Pompo: The Cinéphile (Eiga daisuki Pompo-san, 2021), für den Hollywood aus der Ferne lediglich ein Sehnsuchtsort ist. Es gibt jedenfalls keinen Seelenstriptease, keine Industrienabelschau, keine soziologische Beschreibung der Kämpfe um Geld, Rollen und Anerkennung. Kein Horror lauert unter der Oberfläche. Noch die größte Selbstausbeutung – unser Protagonist Gene wird einmal das Krankenhaus, wo er völlig überarbeitet landete, verlassen und einfach weiterarbeiten, weil sein Glück sich sonst nicht erfüllt – ist Ausdruck der Möglichkeit, seine Träume und etwas Traumhaftes zu verwirklichen. Die Traumfabrik, hier heißt sie Nyallywood, darf Traum bleiben. Ein zuckersüßer noch dazu.
Pompo ist nun ein kaum mehr als einen Meter großes Animegirl und die Enkelin eines legendären Filmproduzenten. Sie platzt in Räume herein, wobei sie lautstark ihre Ankunft herausposaunt. „Ich bin da!“ Wer noch, ist erstmal egal. Vor allem hat sie aber die geradezu magische Gabe, in allen Personen deren Potenziale zu erkennen. So in Filmnerd Gene, den sie mir nichts, dir nichts vom Assistenten zum Regisseur befördert und dem sie das Comeback des weltbesten Schauspielers Martin Braddock anvertraut. Ebenso in Natalie, die aus dem Mittleren Westen kam, um Schauspielerin zu werden, sich aber im Straßenbau durchschlagen muss und der sie das von Gene betreute Drehbuch auf den Leib schreibt. In einem kleinen Nebenschauplatz findet auch der Banker Alan zu seiner Bestimmung, indem er die Banken daran erinnert, dass sie dazu da sind, anderen beim Verwirklichen ihrer Träume zu helfen.
Lobpreisung der Verdrängungsarbeit

Nichts an Pompo: The Cinéphile ist dezent, abwägend oder auch nur daran interessiert, eine sonst wie geartete Realität zu porträtieren – geschweige denn mit ihr abzurechnen. Grell, bunt und rasant geht es zu. Die Dialoge sind artifiziell und vermitteln durchweg die Intentionen des Drehbuchs – und zwar mit der Brechstange. Die porträtierte Filmwelt ist ebenso klischeebeladen wie der in Entstehung befindliche Klassiker. In der Verneinung fast aller möglichen negativen Aspekte des Filmgeschäfts – alle Figuren sind untereinander nett und hilfsbereit; Konkurrenz, Neid und Allüren bleiben Fremdworte – wird der Film zu einer Art Lobpreisung von Verdrängungsarbeit.
Unter den Augen Genes sind aber durchgängig schwarze Ringe. Er ist unsicher, entkräftet und ausgelaugt. Er stammt aus armen Verhältnissen und einer wenig umsorgten Kindheit. Ebenso Natalie. Pompo wird jedoch erklären, dass die beiden daher ihren Antrieb haben und eine ausgeprägte Fantasie, um der Realität zu entkommen. Sie sind wie geschaffen, um Visionen zu entwickeln und umzusetzen. Alles, was der Film an gesellschaftlichen Missständen auffährt, wird romantisiert und zum Mosaik eines glänzenden Traums umfunktioniert, der das Missliche ins Schöne wendet: ein neonfarbener Blumenstrauß der Wunscherfüllung.
Damit erhalten wir hier den Gegenpol zu Godards Filmliebe, die in Enttäuschung umschlug, oder auch zum desillusionierten Ausblenden oder zynischem Bloßstellen der Kunstwerke in den anfänglich genannten Beispielen. Pompo: The Cinéphile liebt Filme vom großen Oscarpreisträger bis zum rumpeligen, auf „billige“ Affekte setzenden Monsterfilm. Takayuki Hiraos Film glaubt daran, dass Filme Leben verändern, seelische Verletzungen heilen und Hoffnung schenken können. Grenzenlos naiv und ebenso grenzenlos leidenschaftlich ist diese Liebe, die sich in jeder Sekunde ausdrückt.
Der Schrecken im toten Winkel

Wem das zu süßlich und weltvergessen ist, der sollte sich Hegels These vor Augen halten, nach der die Identität eines Dings nicht nur davon bestimmt wird, was es ist, sondern auch davon, was es nicht ist.. Das knallbunte, alberne, harmlos im Wasser planschende Esther-Williams-Vehikel Badende Venus (Bathing Beauty, 1944) entstand beispielsweise mitten im Zweiten Weltkrieg. Und gerade dass die Schrecken an anderen Flecken der Welt so gnadenlos ausgeblendet werden, macht genau diese Schrecken wieder zum untrennbaren Teil der Filme. Aus den schwarzen Augenringen, dem absurden Bild der Geldinstitute, aus all den netten, zuvorkommenden Leuten schreien uns die Niedertracht unserer Realität gegenüber dem Individuum und der unkritisch mitgeschleppte Sozialdarwinismus entgegen, die so entschieden ausgeblendet werden.
Die aus dem toten Winkel hervorquellenden Marker von Schrecken und Ernsthaftigkeit ergänzen aber nur einen Film, der vor allem über Enthusiasmus funktioniert, über Freude als Grenzerfahrung. Der uns eine Welle bietet, die uns kurz mitnehmen kann. Und das Beste an Pompo: The Cinéphile ist dabei eben, dass er auf dem Feld der Filme fast durchgehend auf der richtigen Seite steht und sich unser Vertrauen verdient. So wird in den Raum gestellt, dass Filme, die 90 Minuten dauern, denen mit Überlänge überlegen sind. Dass B-Movies nicht als ironische Trash-Selbstveralberung am besten funktionieren, sondern als aufrichtige Werke eines Regisseurs, dessen Augen aus Spiralen bestehen, als wäre er vom heiligen Quatsch hypnotisiert, den er so freudig inszeniert. Oder dass Giuseppe Tornatores Cinema Paradiso (Nuovo Cinema Paradiso, 1988) ziemlich langweilig ist – nicht wie diese grelle Bombe mit entrücktem Tunnelblick.
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