Pig – Kritik
In Pig geht ein Mörder um, der es auf die Stars der iranischen Filmbranche abgesehen hat. Regisseur Mani Haghighi macht daraus Krimi-Klamauk. Oder doch subversive Kritik?

Regisseur Hasan Kasmai (Hasan Majuni) ist stinksauer: Die Zensur hat ihm ein zweijähriges Berufsverbot aufgebrummt. Die angehimmelte Schauspielerin Shiva (Leila Hatami) ist zum prätentiösen Rivalen übergelaufen. Und der Serienmörder, der gerade in Teheran umgeht, die besten Filmemacher des Landes enthauptet und ihnen einen unreinen Tiernamen in die Stirn ritzt, hat Hasan anscheinend nicht auf seiner Kill List. Seine Mutter tröstet ihn über diese Kränkung hinweg: „Er wird dich schon noch jagen. Das verspreche ich dir!“ Ob das Versprechen eingelöst wird, Hasan seine geliebte Shiva zurückgewinnt und der Mörder gefasst wird – an der (recht vorhersehbaren) Beantwortung dieser Fragen hangelt sich der Film entlang.
Modest Intentions?

Eines der ersten Mordopfer ist übrigens Mani Haghighi, der Regisseur von Pig (Khook). Abgesehen von solch eitler Augenzwinkerei changiert der Humor des Films zwischen Buddy Comedy und Romantic Comedy, hält dabei aber recht konstant ein eher niedriges Niveau. In einem schrillen Werbespot, den Hasan aus finanziellen Gründen dreht, kotzen Frauen in orangefarbenen Insekten-Kostümen blaues Gelee aus. Der recht beleibte Hasan und sein bester Kumpel zwängen sich für eine Party in hautenge, tuntige Teufelchen-Overalls. Und immer wieder kommt es zu Slapstick-artigen Körperschäden – von blauen Flecken über geschwollene Augen bis hin zur dauerhaften Entzweiung von Rumpf und Kopf. Nun kann Splatter und Klamauk durchaus ein subversives Potenzial innewohnen – in Pig sind solche Szenen aber scheinbar Selbstzweck. Oder dienen sie als trojanisches Pferd, dessen Äußeres vom eigentlichen Inhalt ablenkt?
Zugegeben: Für die zweite Lesart muss man als Zuschauer ziemlich tief und mit viel gutem Willen buddeln. Dann finden sich unter der dicken Schicht von Ulk etwa vereinzelte Hinweise auf die soziale Lage im Iran: So schafft Haghighi etwa ein paar kreative Lösungen, um das staatliche Schleiergebot zu umgehen. Über das Schicksal und die Reputation des Protagonisten Hasan, der im Laufe des Films selbst als potenzieller Mörder in Verdacht gerät, entscheiden hier keine Gerichte, sondern Facebook, Twitter und Instagram, obwohl diese sozialen Netzwerke doch allesamt vom theokratischen Regime verboten wurden. Und die missliche Lage von Hasan beruht maßgeblich auf seinem Berufsverbot – ein Hinweis auf tatsächlich davon betroffene Regisseure wie Jafar Panahi und Mohsen Makhmalbaf (von denen sich Mani Haghighi allerdings einst in einem Interview abwandte und stattdessen den Weg der Kooperation mit den iranischen Zensurbehörden beschritt).
A Toothless Dragon Arrives?

Im Fall Haghighi offenbart sich wieder einmal ein weit verbreitetes Problem des filmischen „Brand Building“: Sein mit Abstand stärkstes Werk, Modest Reception (Paziraie sadeh, 2012), versteckte die Berlinale vor sechs Jahren noch im Forum. Nachdem er sich dank dieses Films einen Namen gemacht hatte, durfte er dann vor zwei Jahren mit dem wirren A Dragon Arrives! (Ejhdeha Vared Mishavad!, 2016) erstmals am Wettbewerb teilnehmen – und nun also erneut mit Pig. Mag also sein, dass Haghighi nicht mehr wirklich etwas zu sagen hat. Es könnte aber auch sein, dass er inzwischen einfach vorsichtiger arbeiten muss, gerade weil er seit Modest Reception einen Namen im Weltkino hat. Die Überkleisterung mit Klamauk mag schlichtweg eine Überlebensstrategie sein, um nicht durch zu deutliche Positionierungen aufzufallen und selbst in die Gefahr eines Berufsverbots zu geraten. Unter dem Deckmantel einer simplen Komödie lassen sich möglicherweise leichter Verweise auf die Realität im Iran einschmuggeln als mit einem offen sozialkritischen Drama.
Natürlich muss auch nicht jeder iranische Film die Politik des Landes subversiv beleuchten. Das persische Kino ist schließlich kein Erfüllungsgehilfe westlicher Publikumswünsche. Purer Unterhaltung kommt gerade in autoritär geführten Staaten eine wichtige Entlastungsfunktion zu. Angesichts des eskapistischen Pop-Spektakels von Pig, dessen Integration in den Wettbewerb eines internationalen Filmfestivals an sich durchaus fragwürdig erscheint, setzt sich die Berlinale jedenfalls ausnahmsweise mal nicht dem häufig geäußerten Vorwurf aus, zu viele bierernste Filme mit politischer Message einzuladen.
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