Peter von Kant – Kritik
Entzauberte Machtspiele: 22 Jahre nach seiner ersten Fassbinder-Adaption eröffnet François Ozon die Berlinale mit einer Gender-Umkehr, in der aus Petra Peter geworden ist. Ach ja.

Er sei ja gar nicht mal so alt, sagt Amir Ben Salem (Khalil Gharbia) dem Regisseur, der ihn in seiner Kölner Wohnung empfängt. Die beiden schauen sich in die Augen, der Flirt ist eindeutig, der Deal wird schon bald geschlossen sein: Jugend gegen Ruhm. Peter von Kant (Denis Ménochet) heißt der Regisseur, und so sehr sein 23-jähriges Gegenüber über Äußerlichkeiten definiert wird, so ist auch der erfolgreiche ältere Mann ganz körperliche Präsenz: massig, weiß, behäbig, aber kraftvoll. Alles ist klar bei Ozon, die Machtspiele können kaum mehr Sogkraft entfalten, sollen sie wohl auch nicht mehr, schließlich spielt der Film in der Vergangenheit, erzählt sich aber aus der analytischen Gegenwart.
Alles ist bereits geschehen
Rainer Werner Fassbinders Die bitteren Tränen der Petra von Kant ist, es ist schwer zu fassen, 50 Jahre alt. Schon damals muss der Film wie ein Raumschiff, eine Zumutung gewirkt haben. Zwei Frauen, die einander hassen und lieben, die Sex, Schönheit und Macht als Währung in persönlichen Beziehungen einsetzen. Die Verkürzung der Adaption auf den Namen darf man durchaus als programmatisch verstehen: Peter von Kant vollzieht eine Zuspitzung und eine Personalisierung. Während Die bitteren Tränen ein Film der Verhältnisse war, interessiert sich Ozon vielmehr für die Widersprüchlichkeit des einen, dem mit dem Adelsnamen, den er wenig verklausuliert als Alter Ego von Fassbinder zu erkennen gibt.
Fühlt sich deswegen alles so an, als sei es schon geschehen? Peter scheint längst Bescheid zu wissen, in seiner matten Barschheit steckt schon die Einsicht, dass seine toxische Männlichkeit keine Zukunft hat. Weder Ozon noch seine Figuren glauben an die Versuchsanordnung des Kammerspiels. Was bei Fassbinder perfide, intensiv und bösartig war, vor allem aber sado-masochistische Potenziale gesellschaftlicher Strukturen heraufbeschwor, ist hier ein historisches Artefakt. Schal wirkt das, weil weder die Methoden der Distanzierung noch die Rückbindung des neuen Films an die Persona Fassbinder viel zu sagen haben. Peter von Kant erweckt den Eindruck, als ergebe sich durch die Perspektivverschiebung eine Form von Durchdringung einer Vergangenheit, die sich selbst verschleiert hätte. Ist dem so?

Fassbinder in Watte gehüllt
So elegant Ozon die von großformatigen Fotografien gepflasterten Interieurs in Szene setzt, so wenig lässt er sich letztlich zu einer Position hinreißen. Er vermeidet jede Radikalität, reproduziert eher scheu denn bestimmt den male gaze, den er narrativ in Frage stellt, macht sich über seinen Protagonisten lustig, lässt ihn aber nie so gemein, eklig oder bemitleidenswert erscheinen, wie er in der Logik der Geschichte ist. Ozon hat Fassbinder in Watte gehüllt und hält ihn auf Distanz. So setzt er auf ein eher theoretisches Erlebnis, darauf, dass die ständigen Verweise ein Netz der Bedeutung ergeben.
Ozon reproduziert damit auch, was das Kino so oft und so verlässlich leistet, aus moralisch sicherer Perspektive: die eigene Beschäftigung mit dem Täter als Akt der Gerechtigkeit zu verklären. Der andere, dessen Namen auf den Fassbinder-Schauspieler El Hedi ben Salem verweist, verdient dagegen offenbar kaum Komplexität. Traumatische Kindheit, schöner schlanker Körper, Bequemlichkeit und sexuelle Freizügigkeit werden als ungebrochene Einheit präsentiert, die so wenig Faszination ausstrahlt, dass die Vernarrtheit des Protagonisten umso absurder erscheinen muss.
Peter von Kant ist ein sehr kurzer Film geworden: bloß 84 Minuten lang (40 Minuten weniger als das Original), bietet er sich als Konzentrat an. Dennoch verzichtet Ozon nicht auf alle Nebenstränge und komischen Elemente. Dazu zählt allen voran die Präsenz von Peters Bedienstetem Karl (Stefan Crepon), der sehr effektiv als Klischee des unterwürfigen Schwulen comic relief sein soll. Auch sonst ist das Verhältnis des Films zur Homosexualität kein allzu erquickliches: Weil er sich primär für den fallenden Mann interessiert, dessen Beziehungen ihn nicht retten können, entwirft Ozon den Macht-Sex-Komplex als austauschbar. Konsequent vielleicht, weil es Peter von Kant nicht gäbe, wenn der Regisseur nicht der Überzeugung wäre, dass sich die Figur der Petra durch einen Peter austauschen ließe. Trotzdem eine vertane Chance, etwas über das Spezifische einer Lebenswirklichkeit zu erzählen, in der Macht und Sex nun mal deutlich offener verschränkt sind als in anderen Konstellationen.
Das Recht der Beobachterinnen
Am spannendsten ist Peter von Kant in den kurzen Augenblicken, in denen Frauen den Raum betreten. Das liegt natürlich auch daran, dass Isabelle Adjani und Hanna Schygulla ihre eigene Persona hineintragen in die sonst so hermetisch abgeriegelte Künstlerwohnung und sich in ein schelmisches Verhältnis zu ihren Rollen und der Geschichte stellen. Gleichzeitig haben die beiden älteren Frauen das Recht der Beobachterinnen, schon durch ihren Blick die Dinge ins Wanken zu bringen. Als könnten sie allein durch ihre Anwesenheit die Implosion der männlichen Selbstherrlichkeit befeuern. Am Ende stehen die Tränen, die dem Titel geraubt wurden, gefilmt aus der Perspektive desjenigen, der kein Verständnis dafür hat, vielleicht noch nie verstanden hat, wie eine solche Leidenschaft entsteht.
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